Unterschiedliche Stimmen und Interessenslagen bei Nationalpark-Anhörung

21.11.2013 
Redaktion
 
Foto: dpa

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Stuttgart. Die von der CDU-Fraktion vorgeschlagene Halbierung des Nationalparks Schwarzwald ginge nach Einschätzung von Experten zulasten des Natur- und Artenschutzes. „Je größer die Fläche, desto größer die Naturschutzwirkung“, sagte der Landeschef des Naturschutzbundes Nabu, Andre Baumann, am Mittwoch bei einer Anhörung zum Nationalparkgesetz im Landtag. Der von Grün-Rot vorgeschlagene Nationalpark sei mit rund 10 000 Hektar bereits „an der unteren Grenze“. Bei einer weiteren Kürzung gehe „naturschutzfachlicher Mehrwert“ verloren.

Zu den CDU-Vorschlägen sagte er, dass dies kein Nationalpark mehr sei, sondern vielmehr die Einrichtung von Bannwäldern. Wobei beides grundsätzlich notwendig sei. Heutiger Stand der Fachdiskussion sei jedoch, dass neben kleineren Schutzgebieten gerade auch Großschutzgebiete eingerichtet werden müssten.

Grün-Rot will das Gesetz nächste Woche im Landtag verabschieden, der Nationalpark könnte dann schon 2014 starten. Bestätigung bekam Nabu-Chef Baumann von der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald: „Größere Fläche, mehr Arten, mehr Lebensräume, größere Populationen bedrohter Arten“, fasste der stellvertretende Leiter Jörg Müller seine Erfahrungen zusammen. Um das Überleben besonders anspruchsvoller Arten sicher zu stellen, brauche man große Flächen.

Nationalparkstandard nicht beschädigen

Auch Karl Friedrich Sinner, Vorstand von Europarc Deutschland wies darauf hin, dass man sich in Deutschland auf eine einheitliche Zertifizierung von Nationalparks geeinigt habe. Dazu gehöre unter anderem eine Mindestgröße von 10 000 Hektar und dass nach spätestend 30 Jahren 65 Prozent der Fläche unter Prozessschutz gestellt seien. Er wandte sich mit deutlichen Worten an die Abgeordneten: Es sei deren Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Nationalparkstandard in Deutschland nicht in Baden-Württemberg zum Nachteil anderer Bundesländer beschädigt würde.

Die CDU-Fraktion, Vertreter der Sägeindustrie und die Bürgerinitiative „Unser Nordschwarzwald“ hatten vorgeschlagen, den geplanten Nationalpark im Wesentlichen auf Gelände oberhalb von 900 Metern zu begrenzen. Der CDU-Park wäre mit 5000 bis 6000 Hektar lediglich gut halb so groß wie der von Grün-Rot geplante. Mit vier Millionen Euro jährlichen Kosten wäre er auch günstiger. Andreas Fischer, Vorsitzender der Bürgerinitiative „Unser Nordschwarzwald“ forderte bei der Anhörung im Ausschuss für den ländlichen Raum, das Gesetzgebungsverfahren auszusetzen. Der Nordschwarzwald sei „kein Versuchslabor“. Tiefgreifende Änderungen, wie sie ein Nationalpark mit sich bringe, müsse man in den Köpfen der Menschen reifen lassen. Er forderte, den Vorschlag der CDU ernst zu nehmen.

Nabu-Chef Baumann kritisierte hingegen, dass die CDU wiederholt behaupte, Nationalparkfreunde und Regierung hätten es nicht geschafft, die Menschen in der Region zu gewinnen. „Alle Meinungsumfragen ergeben ein ganz anderes Bild: Auch in der Region sind die Menschen mehrheitlich für den Nationalpark – auch wenn sich einzelne Kommunen dagegen ausgesprochen haben“, sagte Baumann.

Chance für den Tourismus

Weitgehend positive Äußerungen zum Nationalpark kamen bei der Anhörung aus dem Tourismus: Der stellvertretende Geschäftsführer der Tourismus-Gesellschaft Schwarzwald, Michael Kasprowicz, sprach von einer „großen Chance“ für den Tourismus im Schwarzwald, besonders jedoch für den Nordschwarzwald. Der Nationalpark werde das positive Image des Schwarzwaldes stärken und den Tourismus langfristig sichern. Petra Thollembeek vom Hotel- und Gaststättenverband mahnte aber weitere Impulse für den Tourismus in der Region an. Nur so lasse sich das „ambitionierte Ziel“ von zusätzlichen Gästen im Nordschwarzwald erreichen.

Einwände kamen von der Säge- und Holzindustrie: Sie sieht durch den Nationalpark Einbußen von gut 46 Millionen Euro pro Jahr auf sich zukommen. Bedroht seien 670 Arbeitsplätze in den Bereichen Wald und Holz, warnte der Landesgeschäftsführer des Verbands der Säge- und Holzindustrie, Ludwig Jäger. „Wir sind gegen einen Nationalpark in der vorliegenden Form.“

Das Ministerium für ländlichen Raum bezeichnete die Zahlen Jägers als falsch. Der Landesbetrieb ForstBW stelle sicher, dass Holzkunden, die bisher Holz aus den dann abgegrenzten Flächen des Nationalparks beziehen, auch bei einem Nationalpark mit Holz zu den jeweiligen Marktkonditionen versorgt würden, hieß es im Ministerium. Die Sägewerke erhielten also die Holzmengen, die der Industrie durch den geplanten Nationalpark verloren gingen, aus anderen Gebieten des Staatsforstes. Damit sei sichergestellt, dass keine Arbeitsplätze verloren gingen.

Professor für Waldbau: Geringe Auswirkungen auf Forst und Holzwirtschaft

Nach Angaben von Jurgen Bauhus, Professor für Waldbau an der Universität Freiburg werden die Auswirkungen des Nationalparks auf Forst und Holzwirtschaft wahrscheinlich gering sein. „Jedes Experiment verlangt einen guten Versuchsaufbau, damit es gelingt“, so Bauhus. Deshalb müssten einige Punkte im Gesetzentwurf noch etwas konkretisiert werden. Dies war auch Jerg Hilt von der Forstkammer Baden-Württemberg wichtig. Es müsse sicher gestellt werden, dass benachbarten Waldbesitzern durch den Nationalpark keine Beeinträchtigungen entstünden. Hier müsse auch für Rechtssicherheit gesorgt werden, etwa wenn es um die Kompensation von Schäden gehe.

Stefan Hammes von der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald wies vor allem darauf hin, dass die Verkehrsinfrastruktur für die Region sichergestellt sein müsse. Der ansässigen Wirtschaft dürften keine Nachteile entstehen. Auch forderte er Sitz und Stimme für die Wirtschaft im Nationalparkrat.


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