BWKG-Vorsitzender Reumann kritisiert Vernachlässigung der Krankenhausfinanzierung

05.12.2013 
Redaktion
 
Koalitionsvertrag im Bund

Stuttgart. Die Vorstellung des Herbstindikators der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft nutzte deren Vorsitzender Thomas Reumann, Landrat von Reutlingen, für eine Erörterung des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD im Bund und deren Folgen für die Kliniklandschaft im Südwesten. In Teil 2 des Interviews mit dem Staatsanzeiger spricht Thomas Reumann über Qualität im Krankenhaus, Tücken der Terminologie und Defizite im Koalitionsvertrag.

Können Sie dem vorgesehenen Qualitätsinstitut für Kliniken auch Positives abgewinnen?

Ja. Weil es die Chance bietet, das Thema Qualität unabhängig von den interessegeleiteten Aussagen der Krankenkassen auf eine objektivierbare Grundlage zu stellen. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen zu prüfen, ob das Thema Qualität und wenn ja welche Qualitätsindikatoren für die Vergütung – also Zu- und Abschläge - oder die Krankenhausplanungen zugrundegelegt werden soll.  Bevor darüber überhaupt nachgedacht werden kann, braucht es allerdings wissenschaftlich fundierte,  nachvollziehbare und gerechte Kriterien. Ein unabhängiges Qualitätsinstitut bietet die Chance, dass dies wirklich neutral passiert - und dadurch auch weitere  Verbesserungen bei Qualität und Transparenz möglich werden, die den Patienten zugutekommen. Es darf aber nicht sein, dass unter dem Deckmantel der Qualität schlussendlich lediglich Finanzierungsziele der Krankenkassen umgesetzt werden sollen.

Worauf beruht diese Befürchtung?

Im Koalitionsvertrag ist davon die Rede, dass nach vier Indikationen Qualitätsverträge geschlossen werden sollen. Ersetzt man  Qualität durch Selektivität, ist das Kind beim Namen genannt. Wir wehren uns gegen solche Selektivverträge. Wir halten diese aus verschiedenen Gründen nicht für den richtigen Weg.  Denn sie schränken die Wahlfreiheit der Patienten ein, sie hebeln die Krankenhausplanung des Landes aus und es besteht die Gefahr, dass für den Abschluss von Selektivverträgen letztlich nicht die Qualität der Behandlung sondern der Preis entscheidend ist. Zur Verstärkung des Qualitätswettbewerbs gibt es andere Wege wie mehr Transparenz und die Information der Patienten und diese sollten beschritten werden.

Eine „erreichbarkeitsorientierte“ anstelle einer „standortbasierten“ Versorgungsplanung strebt die Große Koalition an. Ist das eine Gefahr für die recht kleinteilige Krankenhauslandschaft Baden-Württembergs?

Zunächst einmal interessiert mich, was da unter „erreichbarkeitsorientiert“ verstanden wird. Wie überhaupt über so manche Formulierung, die in diesem Koalitionsvertrag steht. Die Landesebene ist sicher die richtige Ebene für die Planung. Das muss so bleiben. Inwieweit in der Krankenhausplanung das Thema „erreichbarkeitsorientiert“ eine Rolle spielt  und was sich hinter diesem Begriff genau verbirgt, darüber  müsste man sich zunächst verständigen.

Dass Vieles im Koalitionsvertrag unklar bleibt, ist aus meiner Sicht auch der Kernpunkt, der uns Sorge bereitet. Es reicht nicht, dass die Probleme erkannt sind. Das ist der Fall. Es geht darum, dass belastbare, nachvollziehbare und  vor allem verlässliche und nachhaltig wirkende Lösungen für die Probleme auf den Tisch kommen. Daran wird sich der Koalitionsvertrag messen lassen müssen. Deshalb ist nach dem Koalitionsvertrag vor der Koalition.

Und deshalb haben wir als BWKG klar gesagt, welche Erwartungen wir hegen: Ein Krankenhaus, das bedarfsgerecht ist und wirtschaftlich arbeitet, muss ohne zusätzliche Fälle in der Lage sein, die Betriebskosten zu decken. Außerdem muss der Mechanismus, dass bei steigenden Patientenzahlen im Land der Erlös je Fall für alle Krankenhäuser sinkt, ein für alle Mal gestrichen werden. Die Investitionskosten der Krankenhäuser müssen finanziert werden,  dafür muss sich auch die Bundesregierung einsetzen. Denn bei den dringlichen Bauprojekten besteht in Baden-Württemberg ein Investitionsstau im Umfang eines hohen dreistelligen Millionenbetrags. Das Land hat bereits erste Schritte zur Aufstockung der Investitionsfinanzierung gemacht, denen aber weitere mutige Schritte folgen müssen, um den bestehenden Investitionsstau abzubauen. Im Übrigen geben unsere Krankenhäuser der Politik einen großen Vertrauensvorschuss. Das ist aus dem BWKG-Indikator klar zu erkennen. Waren es Ende vergangenen Jahres noch 60 Prozent der Häuser, die erwartet haben, dass sich die Situation verschlechtert oder deutlich verschlechtert, so sind es heute nur noch 30 Prozent. Es herrscht also die Erwartung, dass die Probleme tatsächlich angegangen werden.

Was ist ihrer Meinung nach das Kerndefizit des Koalitionsvertrags?

Beim Thema Krankenhausfinanzierung ist kein Durchbruch erkennbar. Die Probleme werden erkannt und benannt, aber es ist kein konkreter Lösungsansatz dazu enthalten - in  anderen Bereichen ist das dagegen durchaus der Fall. Das ist ein Warnzeichen. Erforderlich ist nun der Mut, aber auch die politische Kraft, einen Konsens zu finden. Der Handlungsdruck ist groß, wie unser BWKG-Indikator zeigt. Bis Ende 2014 soll die Bund-Länder-Arbeitsgruppe die Krankenhaus-Finanzierung regeln. Dann ist es aber auch höchste Zeit. Wird zum 1. Januar 2015 keine Lösung gefunden, werden die Häuser wiederum vor erheblichen finanziellen Problemen stehen.


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