Stuttgart. Die Opposition im Landtag hat die zweite Lesung des Staatshaushalts für 2013 und 2014 erwartungsgemäß zum Generalangriff auf die grün-rote Landesregierung genutzt. CDU-Fraktionschef Peter Hauk warf Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seinem Kabinett vor, mit der Neuverschuldung in Höhe von 3,3 Milliarden Euro und der Aufhebung der Schuldenbremse in der Haushaltsordnung den "Pfad der Nachhaltigkeit" verlassen zu haben. Die Bildungspolitik beruhe auf reiner Ideologie, sie baue Parallelwelten auf und folge keiner Logik.
Noch bissiger und teilweise persönlich verletzend argumentierte Hans-Ulrich Rülke. „Winfridos Kretschmannakis treibt das Land in den Ruin“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende und verglich den Regierungschef, seinen Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) sowie seine Kollegen Claus Schmiedel (SPD) und Edith Sitzmann (Grüne) mit den vier apokalyptischen Reiter aus der Offenbarung des Johannes, „die Baden-Württemberg dem Weltuntergang zuführen“.
Hauk forderte von der Landesregierung, dem Steuerabkommen mit der Schweiz zuzustimmen. Das Abkommen sorge für Steuergerechtigkeit in der Vergangenheit und in der Zukunft und bringe dem Land eine Milliarde Euro sowie künftig weitere 100 Millionen Euro pro Jahr. Der Chef der größten Landtagsfraktion kritisierte ferner, die Haltung der Landesregierung zur Forschung sei zukunftsfeindlich. Mängel sieht er auch in der Infrastruktur. „Nur mit Fahrrädern werden Sie die Menschen auf der Schwäbischen Alb nicht beglücken können“, sagte er und bilanzierte: „Die Regierung kündigt viel an, aber sie liefert nicht.“
Baden-Württemberg müsse zum Wohle Aller geführt werden und nicht bloß zu dem von grünen und roten Parteifreunden. Die Zahlen zum Haushalt bezeichnete Hauk als „Drama“. Mit der künftigen Pro-Kopf-Neuverschuldung von 165 Euro pro Einwohner rangiere das Land bundesweit künftig bloß noch auf Platz neun. Er warf Kretschmann vor, Baden-Württemberg von der Champions League in die Kreisliga zu führen. „Stoppen Sie die neuen Schulden, regieren Sie nicht zu Lasten des Landes“, forderte er den Ministerpräsidenten auf.
Von persönlichen Angriffen war Rülkes Rede geprägt. Der Windbeutel sei Kretschmanns politischer Kompass. Außerdem verglich er den Regierungschef mit einem Kuhhändler. Beim Thema Stuttgart 21 sei bei ihm die Maske des Biedermanns verrutscht und das wahre Gesicht zum Vorschein gekommen. Seit 1952 sei das Land nie so schlecht regiert worden. Baden-Württemberg habe weder diese Regierung, noch diesen Ministerpräsident verdient, kritisierte Rülke.
Kretschmann reagierte kühl. Ihr ganzer Radikalverbalismus nützt Ihnen nichts.“ Seine Regierung sei auf einem guten Wege. Er glaube nicht, dass die OB-Wahlen in Stuttgart und Karlsruhe von Grün-Rot gewonnen worden wären, „wenn ein Windbeutel diese Regierung führt“ hätte und die Regierung aus apokalyptischen Reitern bestehe. „Wir machen eine klare, nachvollziehbare Politik“, sagte der Ministerpräsident. Grün-Rot entwickle die soziale Marktwirtschaft in Richtung Ökologie weiter. Dazu gehören für ihn auch Tariftreue- und Mindestlohngesetz sowie eine Willkommens-Kultur gegenüber Fachkräften aus dem Ausland.
Die Kritik der Opposition wies er zurück. Bei schwieriger Haushaltslage hätten die Ausgaben für Forschung mit 4,4 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreicht. Bildung sei das Top-Thema seiner Regierung und Kretschmann nannte als Beispiele die Kleinkindbetreuung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Ganztagessschulen. Der Opposition warf er vor, sich „stur der Entwicklung zur Schulreform, die absolut richtig und notwendig ist, zu verweigern“. Angesicht sinkender Schülerzahlen - 25 000 weniger pro Jahr und 190 000 bis 2020 - sei ein Wandel der Schullandschaft unumgänglich. Gleichwohl will er für ein hochwertiges, qualitatives Bildungssystem auch im ländlichen Raum sorgen.
Kretschmann forderte CDU und FDP auf, ihre Fundamentalopposition aufzugeben und bot erneut Gespräche an. Er warf beiden Fraktionen vor, keine nachvollziehbaren Sparvorschläge gemacht zu haben. Trotz der Steuermehreinnahmen könne angesichts der „dramatischen Lage“ der Landeshaushalt nicht ausgeglichen werden. Zur Bürgerbeteiligung sagte der Regierungschef, die Bürger würden ernsthaft einbezogen, wie beim geplanten Nationalpark im Nordschwarzwald, über den bis Ostern 2013 Klarheit herrschen soll. Kretschmann sagte, es müssten schon gewichtige Argumente kommen, die ihm aber bisher nicht bekannt seien, damit der Nationalpark nicht komme.
In seiner eigenen Art konterte der Ministerpräsident die persönlichen Angriffe. „Ich mach's mit Humor, Sie mit Zynismus“, sagte der in Richtung Rülke. Den Humor werde er sich auch nicht nehmen lassen, denn „ich will die Politik nicht als rundgeschliffener Kiesel verlassen“.
Auch Sitzmann und Schmiedel verteidigten sich. Die Deckungslücke von 2,5 Milliarden Euro habe Grün-Rot von der CDU geerbt, die sei die „bittere Wahrheit“ und die Regierung müsse jetzt die Rechnung bezahlen, erklärte Sitzmann. 1,9 Milliarden Euro für Zinsen habe die Vorgängerregierung zu verantworten. Den Doppelhaushalt bezeichnete die Grüne als wegweisend und ziele in eine Zukunft ohne Schulden.
Schmiedel bezifferte die Schulden aus der Vergangenheit auf 139,4 Milliarden Euro, wobei die damalige Regierung auch verdeckte Schulden gemacht habe. „Ich habe ein Feuerwerk an konkreten Sparvorschlägen von Ihnen erwartet“, sagte der SPD-Fraktionschef. Gekommen sei nichts, die CDU liefere lediglich „Luftnummern“. Im Doppelhaushalt hätten Grün-Rot 1,2 Milliarden Euro in Bildung, Sicherheit, Verbraucher- und Hochwasserschutz, Sanierung, Verkehrsinfrastruktur, Wissenschaft und Kunst sowie Umwelt und Klimaschutz umgeschichtet.
Mit den Stimmen von Grünen und SPD verabschiedete der Landtag den Etat des Staatsministeriums im Umfang von 48,8 Millionen Euro. Der Personalbestand steigt in den kommenden beiden Jahren auf 351,5 Stellen (bisher 337,5). Der Einzelplan 02 umfasst die Bereiche Staatsministerium, die Landesvertretungen in Berlin und Brüssel, die Landeszentrale für politische Bildung, die Führungsakademie und den Staatsgerichtshof.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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