Kritik an Vergabe von Drittmitteln zurückgewiesen

24.01.2014 
Redaktion
 
Hochschulfinanzierung
Foto: dpa

Stuttgart. Forschung ohne Drittmittel, das ist für die meisten Wissenschaftler undenkbar. Denn Hochschulen sind zunehmend auf Drittmittelgelder angewiesen. Das wird auch daran deutlich, dass zunehmend Gelder von den Hochschulen eingeworben werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft schlägt Alarm. Sie sieht sich zunehmend in die Rolle des Grundfinanziers von Forschung gedrängt. Nun hat ein Soziologe der Universität Bielefeld kritisiert, dass bei Drittmittelanträgen nicht mehr Forschungsleistungen, sondern deren bloße Ankündigung, im Vordergrund stünden.

„Mehr forschen statt dichten“ titelte Stefan Kühl, Soziologe an der Universität Bielefeld, kürzlich in einem Gastbeitrag in der Taz. „Schaut man sich an, wie Landesministerien und Hochschulleitungen ihre Leistungszulagen verteilen, dann werden Forscher nicht etwa für hervorragende wissenschaftliche Forschungsleistungen belohnt, sondern für die Ankündigung hervorragender wissenschaftlicher Leistungen“, schreibt er. Die Ursache dafür sieht er in der Umstellung der Hochschulfinanzierung auf eine sogenannte leistungsorientierte Mittelvergabe.  

Im Wissenschaftsministerium interpretiert man Kühl so, dass eingeworbene Drittmittel nicht notwendigerweise zu hervorragenden Wissenschaftsergebnissen führen. „Das ist zwar richtig“, sagt ein Sprecher, „dennoch ist die positive Bewertung eines Drittmittelprojekts durchaus ein Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit eines guten Forschungsergebnisses“.   

Die meisten Drittmittel vergibt die DFG

Im Ministerium fragt man sich, wie man sonst gute Wissenschaft messen könnte. Ex post an Zitationszahlen? Auch eine vielzitierte Studie ist nicht notwendigerweise gut oder interessant, sagt der Ministeriumssprecher. Durch eine öffentliche Abstimmung? Durch die Parlamente? Da die meisten Drittmittel durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vergeben werden und die DFG wissenschaftsintern Entscheidungen über Förderungen trifft, „ist das Kriterium Drittmittel wohl doch nicht das allerschlechteste“, ist man sich im Ministerium sicher.   

Auch bei der Landesrektorenkonferenz (LRK) ist man nicht Kühls Meinung. Bei der Begutachtung eines Forschungsantrags spielen laut Karl Joachim Ebeling, Präsident der LRK und Rektor der Universität Ulm, viele Aspekte eine Rolle: Originalität und Realisierungsmöglichkeit des Projekts, spezifische Vorleistungen, sächliche Voraussetzungen wie Ausstattung und Infrastruktur, einschlägige Erfahrung der Antragsteller, vor allem auch wissenschaftliche Qualifikation, dokumentiert etwa durch Publikationen, Patente oder andere Nachweise.

Die Gefahr des Scheiterns besteht immer

„Natürlich bedarf es hier eines Vertrauensvorschusses, gerade was innovative Forschung angeht, bei der immer die Gefahr des Scheiterns eines Projektes besteht“, räumt Ebeling ein. Mit einer Leistungsbilanz von erfolgreichen Projekten, die in entsprechende Publikationen gemündet haben, seien die Chancen auf Erfolg – sowohl der Begutachtung als auch des Projekts selbst – höher, als wenn dies nicht der Fall ist, erklärt er. 

Auch weist er auf den Förderatlas 2012 der DFG hin. Diese hat die nationalen und internationalen Kooperationsaktivitäten der Chemie anhand bibliometrischer Daten untersucht. Gemeinsam mit dem Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Bielefeld. Bei der Auswertung der Publikationen internationaler Fachzeitschriften hat die DFG festgestellt, dass es eine hohe Korrelation zwischen dem DFG-Bewilligungsvolumen im Fachgebiet Chemie und der Zahl der Chemie-Publikationen eines Standorts gibt. „Dort, wo viele erfolgreiche Projektanträge gestellt wurden, findet sich also auch hervorragende Forschung“, erläutert Ebeling. Anhand dieses Beispiels werde deutlich, dass publizierte Forschungsergebnisse und erfolgreiche Drittmittelanträge zusammenhängen und es sich nicht, wie Kühl behaupte, um folgenlose Antragslyrik handele.

Leistungsorientierte Mittelvergabe als ergänzendes Finanzierungsinstrument

Die Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) kann nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) „als ergänzendes Finanzierungsinstrument zur Qualitätsentwicklung beitragen, wenn die dafür vorgesehenen Mittel nicht durch Abzug von der Grundfinanzierung gebildet werden“. Wie alle bisherigen Erfahrungen zeigten, würden gerade durch die LOM ungleiche Ausgangsbedingungen eher noch verstärkt – „damit wird ein echter Wettbewerb gerade verhindert“, sagt Sprecher Matthias Schneider.

„Wir fordern daher, dass Leistungsparameter in partizipatorischen Prozessen ausgehandelt werden müssen, sich an einer Verbesserung von Prozessabläufen orientieren und daher beispielsweise auch Erfolge in der Studienreform, Förderung der Studieneingangsphase oder Gleichstellung belohnen.“ Die Forderung von Professor Stefan Kühl "nachweislich interessante Forschungsergebnisse" zu honorieren, geht der GEW nicht weit genug. Des Weiteren lehnt der Verband eine „ausschließliche Steuerung über betriebswirtschaftlich bestimmte quantitative Leistungsindikatoren“ ab.

Land will mehr Transparenz bei Drittmitteln schaffen

Das Land möchte nun im Rahmen der Überarbeitung des Landeshochschulgesetzes mehr Transparenz in Sachen Drittmittel schaffen. Der Entwurf für das neue Landeshochschulgesetz sehe verbindliche Regeln für die Herstellung von Transparenz vor, die einen Diskurs über die Drittmittelforschung ermöglicht, sagt der Ministeriumssprecher. Dabei erhalte der Senat eine zentrale Rolle. Er könne künftig beim Rektorat Auskunft über Drittmittelforschungsprojekte verlangen und werde so als „Ort der akademischen Selbstbestimmung“ gestärkt. Das Rektorat soll außerdem regelmäßig über die Entwicklung der Drittmittelforschung berichten müssen.

Damit werde laut GEW ein „erster wichtiger Schritt in Bezug auf Transparenz gegangen“. Auskunftsverweigerungsrechte für Drittmittelgeber bezüglich ihrer Geschäftsgeheimnisse blieben jedoch bestehen und würden die Transparenzforderung schwierig machen, sagt Sprecher Schneider. „Allein das US-Militär finanzierte, wie jetzt öffentlich wurde, Forschungsprojekte an mehreren Universitäten, darunter Heidelberg, Karlsruhe, Ulm und Freiburg. Auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik in Freiburg und baden-württembergische Max-Planck-Institute bekamen Drittmittel. Auftraggeber: das amerikanische Militär“, sagt er. Die GEW schließt daraus: „Die Hochschulen müssten transparenter werden.“

Dass der Senat im Hochschulrechtsänderungsgesetz gestärkt wird und nun auch Auskünfte über Drittmittelforschungsprojekte erhält, sei ein richtiger Schritt. „Auskunftsverweigerungsrechte für Drittmittelgeber bezüglich ihrer Geschäftsgeheimnisse bleiben jedoch bestehen und werden die Transparenzforderung schwierig machen“, befürchtet man bei der GEW.  


Kontakt

Ihre Ansprechpartnerin in der Redaktion

Redaktionsassistentin Staatsanzeiger
Doris Kugel
Telefon: 07 11.6 66 01-290
E-Mail senden

Unser Team

Ihr Kontakt zu unseren Redakteurinnen und Redakteuren

Zum Team

Praktikums-Tagebuch

Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger. 

Zum aktuellen Tagebuch

Der Kommunal-Newsletter

Wissenswertes zu kommunalpolitischen Themen für Sie als Gemeinderat/Gemeinderätin mit einem wöchentlichen Newsletter direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Abonnieren Sie jetzt den 
Kommunal-Newsletter.

Newsletter abonnieren