Stuttgart. Mehr Sicherheit für die Bürger im Lande oder Gefahr durch weniger Polizeibeamte in der Fläche — zwischen diesen beiden Extremen bewegten sich die Argumente der Redner in der Aktuellen Debatte zum Thema „Polizeireform — Chancen und Gefahren“ an diesem Donnerstag im Landtag.
Während die Abgeordneten der Opposition durch die von Innenminister Reinhold Gall (SPD) beabsichtigte Polizeistrukturreform weniger Präsenz und längere Anfahrtszeiten befürchteten, verteidigten der Innenminister und die Sprecher der regierenden Grünen und SPD die angestrebten Reform.
Kern der Umstruktierung ist die Reduzierung der 37 Polizeipräsidien und -direktionen auf zwölf Präsidien im Südwesten. Gleichzeitig will Gall die Polizei mit 650 Stellen im Vollzug und 240 bis 250 Stellen im Nichtvollzug verstärken. „Die Polizei wird für den Bürger sichtbarer, wenn wir die Präsenz verstärken“, begründete der Minister seine Pläne.
Einig waren sich alle Fraktionen darüber, dass die Polizei im Südwesten hervorragend arbeitet und Baden-Württemberg auch deshalb eines der sichersten Bundesländer ist. Ulrich Goll (FDP) hält strukturelle Fortentwicklungen für notwendig und sieht in der Reform auch Chancen. Wenn Polizisten vom Schreibtisch auf die Straße kämen, sei dies gut, lobt der frühere Justizminister.
Allerdings sparte Goll auch nicht mit Kritik. Die Reform von Gall erinnere ihn an die bayerische Reform: Dort sei allerdings der Abstand zwischen den Polizeidienststellen zu groß. Auch zwölf gleich große Polizeipräsidien hält der Liberale für unrealistisch, weil „dort die Führung immer zu weit weg ist“.
Thomas Blenke (CDU) forderte die Regierung auf, die Polizei „nicht kaputt zu machen“. Seine Fraktion sage „Nein“ zur Zerschlagung erfolgreicher Strukturen. Durch die Reform werde die Polizei „nur mickrig“ verstärkt. „Sie lösten bürgernahe Schnittstellen auf“, sagte Blenke. Außerdem reklamierte er Angaben zu Umsetzungskosten.
Für die Grünen forderte Petra Häfner, für die neuen Präsidien die bestmöglichen Standorte zu finden. „Effiziente Strukturen müssen über die Landkreis-Grenzen gedacht werden“, sagte sie. Statt dessen sollten die Ängste der Bevölkerung und der Polizeibeamten selbst „ernst genommen“ werden. Deshalb sei die Panikmache der Opposition fehl am Platz.
Der SPD-Abgeordnete Nikolas Sakellariou wies auf die Notwendigkeit der Reform aufgrund neuer Aufgabenbereiche wie Cyberkriminalität und Kinderpornografie hin. „Wir brauchen Antworten auf die neuen Herausforderungen.“ Er erinnerte Schwarz-Gelb daran, dass die Vorgängerregierung 212 von 578 Polizeiposten im Südwesten aufgelöst habe. „Durch die Reform erhalten kleinere Direktionen nun zusätzliche Kräfte“, nannte er Vorteile der bevorstehenden „effektiven“ Reform. „Im Ergebnis wird es mehr Polizeibeamte in der Fläche geben, aber weniger Präsidenten“, betonte Sakellariou.
Innenminister Gall sieht die Polizei dramatisch unterbesetzt und unterfinanziert. Dies hätten CDU und FDP zu verantworten. Mit der Reform will er das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger stärken. „Die Bevölkerung will Beamte in Uniform sehen. Deshalb sind wir mit der Polizeireform näher an den Menschen dran“, urteilte der Minister. Jedes Polizeirevier werde eine zusätzliche Streife bekommen. Ein weiterer Effekt der Reform sei die Entlastung der Polizisten, die trotz der hohen Arbeitsbelastung immer noch motiviert und leistungsfähig sei.
Auch die Polizei habe die Chance, in die Reform hineinzuwachsen. „Wir sorgen nicht nur für mehr Präsenz in der Fläche, sondern rüsten unsere Polizei auch für die zunehmenden und neuen Aufgaben der Zukunft.“ An den Revieren und Posten werde nicht gerüttelt, versprach er. Durch die Bildung von Präsidien könne es gelingen, Mindeststärken zu bilden und Kompetenzen und Spezialisten zusammenzuführen und teure Polizeitechnik zu bündeln.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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