Stuttgart. Am Mittwoch haben die Abgeordneten im Landtag mehrheitlich einen Änderungsantrag der FDP-Fraktion abgelehnt, in dem diese die Landesregierung aufgefordert hatte, ein passendes schulisches Angebot für Flüchtlinge zu schaffen. Hintergrund der Debatte war eine Anfrage der CDU-Fraktion mit der Fragestellung, ob Grün-rot an dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel festhalte, den muttersprachlichen Unterricht für Migranten in das reguläre Schulangebot zu integrieren.
Dieser wird derzeit von den jeweiligen Konsulaten organisiert. Alle Fraktionen betonten die Bedeutung von muttersprachlichem Unterricht in der Schule. Die Regierungsfraktionen sowie die FDP wiesen jedoch darauf hin, dass aus finanziellen Gründen derzeit andere Prioritäten gesetzt werden müssten.
Der Abgeordnete Volker Schebesta (CDU) warf der Regierung vor, im Bereich der Bildung viele Baustellen aufgerissen zu haben, aber an manchen Punkten stehen geblieben zu sein. Das gelte auch für den muttersprachlichen Unterricht. „Als Opposition haben Sie getönt, unter Ihrer Verantwortung würde alles anders werden“, sagt Schebesta in Richtung von Kultusminister Andreas Stoch (SPD). „Nun versuchen Sie, das Thema muttersprachlicher Unterricht ad acta zu legen, weil andere Bereiche wichtiger seien.“ Zwar habe Stoch in diesem Punkt recht, „hechle“ jedoch auch in anderen Bereichen dem Bedarf hinterher, sagte Schebesta und nannte als Beispiel den Deutschunterricht für ausländische Kinder an Grundschulen.
Dass es für den Erwerb einer Fremdsprache unverzichtbar sei, die eigene Muttersprache zu beherrschen, betonte der Grünen-Abgeordnete Thomas Poreski. Ansonsten entstehe eine bei Kindern von Migranten nicht seltene Halbsprachigkeit, bei der diese sowohl ihre Muttersprache als auch die deutsche Sprache nur lückenhaft beherrschen. „Muttersprachlicher Unterricht ist die Voraussetzung, um überhaupt Deutsch zu lernen“, sagte Poreski. Derzeit sei der muttersprachliche Unterricht, der in Zeiten der Gastarbeit in Deutschland entstanden war, jedoch noch darauf ausgelegt, Ausländer auf eine spätere Rückkehr in ihr Heimatland vorzubereiten. Flüchtlinge blieben aber meist ein Leben lang in Deutschland. „Daher muss der Unterricht umgestaltet werden“, sagte Poreski. „Aber das kostet Geld.“
Auch Stefan Fulst-Blei (SPD) verwies auf die Kosten, die eine Übernahme des muttersprachlichen Unterrichts in den Schulbetrieb verursachen würde. Diese lägen bei rund 60 000 Euro. Zugleich betonte er die Bedeutung dieses Unterrichts, den derzeit – in seiner ursprünglichen Form, organisiert durch die Konsulate - 44 366 Schüler im Land in Anspruch nähmen: er stifte Identität, stärke die Persönlichkeit und trage so zur Integration bei. „Perspektivisch werden wir über die Übernahme des muttersprachlichen Unterrichts reden, aber derzeit müssen wir andere Prioritäten setzen“, sagte Fulst-Blei. Dazu gehörten etwa die 180 Stellen für die Grundschulsprachförderung, die man kürzlich im Nachtragshaushalt bereitgestellt habe.
Von der FDP gab es Lob für die Haltung der Regierungsfraktionen. Nach Meinung des Abgeordneten Timm Kern habe Stoch mit der unangenehmen, aber wichtigen Aussage, Prioritäten setzen zu müssen, Mut bewiesen. Dennoch betonte er, dass dies keine Ausrede sein dürfe und verwies auf die Forderung im Änderungsantrag seiner Partei: die Vorbereitungsklassen mit Deutschunterricht an den allgemeinbildenden Schulen sowie berufsvorbereitende Klassen an den beruflichen Schulen zügig auszubauen, so dass für jeden Flüchtling bis zu einem Alter von 25 Jahren ein passendes schulisches Angebot bereit steht. Erst wenn der Ausbaustand bei den schulischen Angeboten für junge Flüchtlinge die Nachfrage deckt, solle die Überführung des muttersprachlichen Unterrichts in regulären Unterricht an den Schulen angegangen werden.
Kultusminister Stoch zeigte sich erfreut, dass alle Fraktionen die Sprachkompetenz als zentralen Kern für Bildung und den Erwerb von Schlüsselkompetenzen sähen. Es sei richtig, dass für Menschen mit Migrationshintergrund der Erwerb der eigenen Sprache wichtig sei, um sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. „Das steht aber nicht im Gegensatz dazu, wie wichtig der Erwerb der deutschen Sprache ist“, sagte Stoch. Auch er verwies auf die Ursprünge des muttersprachlichen Unterrichts und die veränderte Situtation der heute in Deutschland lebenden Migranten, die darauf vorbereitet werden müssten, für immer in Deutschland zu leben. „Die Landesregierung reagiert auf diese Veränderungen, indem sie den Erwerb der deutschen Sprache priorisiert und fördert“, sagte Stoch. Langfristig habe man aber weiterhin den Anspruch, den muttersprachlichen Unterricht in das Schulangebot zu integrieren. Bis dahin solle das Konsulatsmodell bestehen bleiben.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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