Stuttgart. Die Fraktionen der Regierungsparteien CDU und FDP haben heute im Stuttgarter Landtag die von der SPD beantragte Volksabstimmung über das Bahnprojekt Stuttgart 21 abgelehnt. Innenminister Heribert Rech (CDU) sprach in der hitzigen und teilweise mit verbaler Aggresivität geführten Debatte von einem „gesetzwidrigen Irrweg“, auf den sich die SPD mit ihrem Antrag begeben habe.
„Weder das Verfahren, noch das vorgeschlagene Ausstiegsgesetz sind zulässig“, erklärte Rech. Das Land würde unglaubwürdig, wenn es sich nicht an demokratisch legitimierte Beschlüsse halte. Die Grünen enthielten sich in der Abstimmung, weil die von der SPD vorgeschlagene Fragestellung auf die Akzeptanz des milliardenschweren Umbaus des Hauptbahnhofs und der neuen Schnellbahnstrecke nach Ulm ausgerichtet sei. Die Grünen seien aber für eine ergebnisoffene Volksabstimmung, sagte die Vize-Fraktionschefin Theresia Bauer. CDU und FDP erklärten, ein Volksentscheid zu dem Projekt würde der Verfassung widersprechen.
Bei der Einbringung des Antrags hatte Nils Schmid (SPD) die Landesregierung und die Stadt Stuttgart angegriffen. „Stuttgart 21 ist zum Symbol geworden für die Hilflosigkeit eines Ministerpräsidenten“, sagte der SPD-Landeschef. Trauriger Höhepunkt sei der massive Polizeieinsatz vom 30. September gewesen. „Dieser Polizeieinsatz hat nicht nur dem Projekt, sondern dem demokratischen Miteinander in unserem Land massiv geschadet.“ Auch Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU), die der Stadt gespalten habe, und die Landesregierung insgesamt hätten es nicht geschafft, Menschen zu verdeutlichen, wie wichtig dieses Schienenverkehrs-Vorhaben für Baden-Württemberg ist.
Mit dem Antrag auf einen Volksentscheid weise die SPD als Befürworter des Projekts einen Weg aus der Sackgasse und einen Weg der Vernunft, der Brücken baue. CDU und FDP hätten es nun in der Hand, die Menschen neu zu überzeugen. „Sie müssen heute politisch entscheiden, ob Sie den Menschen das letzte Wort geben oder ob Sie weiterhin mit der Brechstange, mit Wasserwerfern und Pfefferspray dieses Großprojekt durchhauen wollen“, sagte Schmid. Wer gute Argumente habe, brauche sich nicht vor dem Volk zu fürchten. Die SPD baue der Regierung ein Aktionsbündnis für mehr Demokratie und für eine gute Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg an. «Aus der Ablehnung spricht die nackte Angst vor dem Bürger», warf Schmid der CDU vor. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel sagte, die SPD wolle mit ihrem Antrag dem Projekt Stuttgart 21 mehr Rückendeckung verleihen.
Klaus Herrmann (CDU) wies den Antrag zurück. Stuttgart 21 spalte nicht die Gesellschaft, sondern die SPD. Der Vorschlag sei verfassungsrechtlich strittig und ein Aufruf zum Rechtsmissbrauch. Die laufende Schlichtung mit Heiner Geißler (CDU) sei der richtige Weg. Den Grünen warf der CDU-Abgeordnete vor, jetzt „die Straße zu mobilisieren“, nachdem sie in allen Wahlen mit dem Thema Stuttgart 21 gescheitert seien. „Wir dürfen nicht aus dem Tagesaktuellen heraus unsere Verfassung verbiegen“, sagte Herrmann.
Dagegen glaubt Winfried Kretschmann (Grüne), dass eine Volksabstimmung die Spaltung der Gesellschaft wegen Stuttgart 21 überwinden könnte. „Der Souverän muss jetzt sprechen“, sagte der Grünen-Fraktionschef zum möglichen „Moment der Befriedung“. Der CDU warf er vor, die Quoren in Baden-Württemberg so hoch zu setzen, dass Volksbegehren, anders als in anderen Bundesländern, nicht möglich seien. „Das fällt auf die CDU zurück“, glaubt Kretschmann.
Massiv attackierte Hagen Kluck (FDP) die Opposition. Den größten Schaden hätten die Grünen mit ihrem Populismus ausgelöst. Der SPD-Antrag sei Ausdruck des fehlenden Rückgrats der Sozialdemokratie. „Wer sich aus Angst vor der Landtagswahl in populistische Vorschläge flüchtet, ist nicht regierungsfähig“, kritisierte Kluck. Die Wähler würden am 27. März 2011 der SPD die Quittung für ihre Beliebigkeit beim Thema Stuttgart 21 servieren.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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