Zwischen Donau und Iller: Rohstoffreich und mit starker Industrie

27.04.2012 
Redaktion
 
Interview mit Verbandsdirektor Markus Riethe

Ulm. 1973 wurde der Regionalverband Donau-Iller als deutschlandweit erster Bundesländerüberschreitender Regionalverband gegründet. Was den Verband heute einzigartig macht, warum er sich am Schwabenbund beteiligt, und welche Projekte er derzeit sonst gerade vorantreibt, das erläutert sein Direktor Markus Riethe im Gespräch mit Christoph Müller.

Was unterscheidet den Regionalverband Donau-Iller von anderen in Baden-Württemberg?

Ländergrenzen übergreifend ist das Stichwort. Unsere Aufgaben sind in einem eigenen Staatsvertrag zwischen Baden-Württemberg und Bayern geregelt. Das unterscheidet uns in Einigem von einem typischen Regionalverband und schlägt sich aktuell etwa bei der Windenergieplanung nieder. Von der geplanten Änderung des Landesplanungsgesetzes werden wir nicht direkt erfasst.

Als grenzüberschreitender Regionalverband sind sie Vorreiter und Modell: Doch verglichen mit dem Regionalverband Rhein-Neckar haben sie geringere Kompetenzen. Wo behindert sie das am stärksten - und wird sich das ändern?

Der Verband Rhein-Neckar ist ein ganz anderes Konstrukt. In der Metropolregion Rhein-Neckar gibt es unterschiedliche Institutionen, die die Aufgabe der Planung und Entwicklung wahrnehmen.  In denen ist der Regionalverband Rhein-Neckar zwar  überall Mitglied, hat aber nicht immer die Führungsrolle. Wir sind von Anfang an, seit Gründung der Regionalverbände 1973, grenzüberschreitend. Und unsere Aufgabe ist neben der Regionalplanung verstärkt auch die Regionalentwicklung, über die Grenzen hinweg. Das heißt, unsere Fragestellungen sind manchmal andere, weil wir aus der Region heraus den Raum betrachten, mit dem Oberzentrum Ulm Neu-Ulm und dem zweiten Oberzentrum Memmingen. Wir sind also nicht aus Landessicht Grenzräume. Besonders der Ländergrenzen überschreitende Verkehr auf Straße und Schiene war in den vergangenen 20 Jahren Aufgabe des Regionalverbands.

Was ist Ihr dringlichstes Anliegen?

Ein großes Projekt ist die geplante Regio-S-Bahn Donau-Iller: das Konzept einer regionalen S-Bahn. Bei uns ist meist ein 30-Minuten-Takt ausreichend – aber dann durchgängig auf das Zentrum Ulm Neu-Ulm ausgerichtet. Wir erarbeiten ein Stufenkonzept, das man gemeinsam mit dem Bund und den Ländern angehen kann.

Und was das wichtigste?

Der Schwabenbund. Eine Studie zur Zukunftsfähigkeit hat uns 2010 empfohlen: Schaut über die Grenzen hinaus. Wir haben also mit anderen Regionen Kontakt aufgenommen, die ebenfalls zwischen den Metropolregionen Stuttgart und München liegen. Nach Workshops mit der Wirtschaft und der kommunalen Seite wurde im März der Schwabenbund gegründet. Davon erhoffen wir uns mehr Gehör. Im Verbund liegt die Region bundesweit ganz vorn und prosperiert im Bereich Wirtschaft, Bevölkerungsentwicklung und vielem mehr. Unser Beispiel zeigt: Nicht nur Metropolregionen sind prosperierende Räume.

Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Windenergie. Wir wollen relativ bald weitere Flächen zur Verfügung stellen. Dies ist nicht so in unserer Region, weil es viele Interessenskonflikte gibt, ob das jetzt den Artenschutz betrifft oder den militärischen Bereich.

Das große Ziel ist die Gesamtfortschreibung des Regionalplans. Die Grundlagen dafür erarbeiten wir derzeit. Dies haben wir in eine Reihe von Veröffentlichungen eingebettet. Fachliche Einzelthemen haben wir aufbereitet: Zwei, drei Bände sind schon erschienen. Drei, vier stehen jetzt noch an und werden maßgeblich dieses Jahr veröffentlicht werden.

Sie sind die rohstoffreichste Region Baden-Württembergs, noch vor dem Südlichen Oberrhein mit seinen reichen  Sand- und Kiesvorkommens …

Der Kiesabbau ist bei uns auch bedeutsam, an Donau, Iller und Riss. Aber bei uns spielt auch, auf der Schwäbische Alb, der Natursteinabbau eine große Rolle. Dort gibt es hochwertigste Kalke, Calcite, die teilweise weltweit verschifft werden. Was das betrifft, sind wir ein besonderer Standort, von dem auch eine große Industrie lebt.

Das Projekt TRANSITECTS  soll ein „Katalysator für die verladende Wirtschaft und Schienengüterverkehrsbetreiber“ sein.  Wie sieht ein konkretes Konzept aus und wann wird es umgesetzt?

TRANSITECTS ist ein Interreg-Projekt, an dem wir beteiligt sind, mit Partnern vor allem aus Norditalien und Österreich. Wir arbeiten zusammen, um eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu erreichen. Der Regionalverband betrachtet dabei den begleitenden und  den unbegleiteten Verkehr. Das heißt sowohl dort, wo der ganze LKW mit Fahrer auf die Schiene verladen wird, mit Fahrer, als auch für reine  Containerverladung suchen wir neue und umweltverträgliche Transportwege. Wir haben einen sehr starken Güteraustausch zwischen der Region Donau-Iller – aber auch im gesamten Raum bis Stuttgart bzw. Augsburg und München – und dem norditalienischen Raum, Großraum Mailand, aber auch an die Häfen: La Spezia, Genua und weitere mehr.Heute werden die meisten Transporte nach Norden – Richtung Hamburg oder Rotterdam - transportiert und dann steuern die Containerschiffe von dort aus, einmal um die iberische Halbinsel herum, Indien und China an. Wir sagen: Es gibt einen kürzeren Weg. Da wollen wir eine Pilotverbindung einrichten. Kurzfristig bestand eine solche Verbindung auch schon einmal. Aber weil der Betreiber insolvent ging, wurde sie wieder eingestellt.  Wir konnten jetzt aber nachweisen, dass sich eine tägliche Güterzug-Verbindung rechnet. Wir könnten dann jährlich 10 000 LKWs von der Straße auf die Schiene verlagern. Unser Ziel ist eine regelmäßige Verbindung.  In Dornstadt haben wir ein großes Terminal. Von dort dann in den Raum Mailand und weiter an die Häfen auf der Schiene Güter zu transportieren -  das ist das Ziel.

Der Anteil Hochqualifizierter ist eher gering in der Region, ebenso ist die Beschäftigtendichte im Bereich Forschung-und-Entwicklung unterdurchschnittlich. Aber da kann ein Regionalverband wohl nicht viel machen?

Das ist nicht unbedingt seine originäre Aufgabe, aber auch in dem Bereich sind wir tätig. Über den Schwabenbund beispielsweise wollen wir die Hochschulen und die Universität Ulm besser vernetzen. An der Planung der Wissenschaftsstadt Ulm beispielsweise war der Regionalverband beteiligt. Das ist der Standort in Ulm und Umgebung für Forschung und Entwicklung in Verbund  mit der Universität. Da ist ein prosperierender Gewerbe- und Forschungspark entstanden, einer der bedeutendsten Standorte der Region.Insgesamt freilich sind wir – abgesehen vom Oberzentrum Ulm-Neu-Ulm – eher  ländlich strukturiert. Das muss aber nicht immer ein Nachteil sein. Wenn man in die Studie 2030 von Prognos und der Universität Ulm hineinschaut wird klar, dass wir uns nicht verstecken müssen hinter der Metropolregion Rhein-Neckar, Stuttgart oder auch München.

 


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