Stuttgart. Die Mitglieder des Nachhaltigkeitsbeirats Baden-Württemberg warnen vor drastischen Wohlstandsverlusten, wenn der Klimaschutz bloß zögerlich vorangetrieben wird. Dies geht aus dem jüngsten Gutachten der Fachleute hervor, dass der Vorsitzende des Beirats, Ortwin Renn, an diesem Dienstag an den Ministerialdirigenten Martin Eggstein vom Umweltministerium übergab.
Unter dem Titel „Weiterentwicklung der baden-württembergischen Klimadoppelstrategie: Neue Konzepte für einen global wirksamen Klimaschutz“ weist das Gutachten zu Beginn des Weltklimagipfels im mexikanischen Cancún auf die Dringlichkeit des Themas hin. „Die Zeit läuft ab“, sagte Renn bei der Übergabe des Gutachtens. Insbesondere mit Blick auf die begrenzten Ergebnisse der Weltklimakonferenz vergangenes Jahr in Kopenhagen forderte er die Landesregierung dazu auf, „durch vorbildliche Klimapolitik im Land mit gutem Beispiel voranzugehen und parallel dazu global wirksame Klimaschutzkonzepte auf nationaler und internationaler Ebene in die politische Diskussion einzubringen“.
Der Nachhaltigkeitsbeirat Baden-Württemberg ist ein unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium der Landesregierung und besteht aus zwölf Mitgliedern. Sie haben die Aufgabe, das Land auf dem Weg in eine nachhaltige und dauerhaft umweltgerechte Entwicklung zu beraten. www.nachhaltigkeitsbeirat-bw.de
Dazu soll die Landesregierung, so die Wissenschafter, einerseits die Landesaktivitäten im Klimaschutz weiterführen und wenn möglich ausbauen. Der Nachhaltigkeitsbeirat begrüßt die Landesmaßnahmen im Rahmen des Klimaschutzkonzepts 2020plus – das derzeit noch in der Abstimmung ist und bis Jahresbeginn der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Sie dienten der effizienten Energienutzung im land, setzten Zeichen für die Bedeutung des Klimaschutzes und erhöhten die Glaubwürdigkeit der Landesregierung, wenn sie politische Initiativen in Richtung Bund und Europa in die Wege leite. Der Nachhaltigkeitsbeirat empfiehlt, sich vor allem auf wirtschafts- und energiepolitisch effiziente Klimaschutzmaßnahmen zu konzentrieren.
Zugleich soll sich das Land stärker als bisher in die Weiterentwicklung des Weltklimaschutzsystems einbringen, sagen die Gutachter. Der Nachhaltigkeitsbeirat hat der Landesregierung deshalb zwei Alternativen für ein neues Klimaschutzsystem vorgeschlagen. Beide verfolgen dasselbe Ziel: Die globalen Kohlendioxid-Emissionen in ihrer Gesamtmenge so zu begrenzen, dass die globale Erwärmung um nicht mehr als zwei Grad Celsius steigt.
Bei beiden Alternaiven erhalten die Nationen nach einem noch zu bestimmenden Zuteilungsmechanismus Emissionsrechte, sogenannte Zertifikate. Fehlende Zertifikate können durch den Handel mit anderen Nationen ausgeglichen werden. Die erste Option, „Global Cap and Trade“, geht von einer prinzipiellen Pro-Kopf-Verteilung auf Basis der Bevölkerungszahlen aus. Dadurch erheilten Entwicklungs- und Schwellenländer mehr Zertifikate als die Industrieländer und könnten durch den Verkauf der Rechte Erlöse erzielen. Erlöse die allein zur klimafreundlichen Entwicklung und zur Bekämpfung der Armut eingesetzt werden sollen, so die Idee der Wissenschaftler.
Die zweite Option, „Nation-based Cap and Trade“ genannt, betont die Souveränität der einzelnen Staaten. Bei diesem System können sich die Staaten selbst Rechte zuordnen. Durch Anreize aus Fördertöpfen und Sanktionen, etwa durch die Welthandelsorganisation WTO, sollen die Staaten dazu gebracht werden, ihre Rechte mit einem klimaverträglichen Rahmen zu vereinbaren. Aufgrund der höheren Effektivität und Gerechtigkeit spricht sich der Nachhaltigkeitsbeirat allerdings für den ersten Vorschlag aus. Sollte dieser Plan politisch nicht realisierbar sein, hätte die Landesregierung mit dem zweiten Modell eine Alternative, so die Wissenschaftler.
Die Fachleute des Nachhaltigkeitsbeirats empfehlen der Landesregierung, ihren politischen Einfluss im Bund, in Europa und in anderen internationalen Gremien zu nutzen, um das angestrebte globale Reduktionsziel international zu verankern und politisch umzusetzen. Dies könne beispielsweise über die Umweltministerkonferenz, den Umweltausschuss des Städtetags und des Gemeindetags geschehen. Auch sollte die Möglichkeit zur Direktansprache von EU-Kommissaren in den Bereichen Energie und Klima genutzt werden.
Darüber hinaus, so die Wissenschaftler, sollte die Landesregierung ihre Bürger informieren, dass landesspezifische und landesübergreifende Maßnahmen notwendig sind, damit der Klimaschutz vorankommt. Sie sollte kritische Debatten anstoßen und sich zugleich auch – für den Fall dass die Bemühungen um einen weltweit wirksamen Klimaschutz scheitern sollten – schon jetzt auf die Folgen des Klimawandels einstellen.
Denn nach den umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen, die die Landesregierung bereits seit einigen Jahren in Auftrag gibt, wird das Land vom Klimawandel stärker betroffen sein, als andere Bundesländer. Extremwetterereignisse sind ebenso die Folge wie ein überdurchschnittlicher Temperaturanstieg.
Die Landesregierung hat bereits eine Reihe von Maßnahmen initiiert, um im Land die Kohlendioxid-Emissionen zu senken und zu einer nachhaltigen Energieversorgung beizutragen. Bereits vor einigen Jahren wurde dazu das Klimaschutzkonzept 2010 beschlossen. Dennoch stellt der Nachhaltigkeitsbeirat fest, dass die Kohlendioxid-Emissionen im Land seit rund sechs Jahren weitgehend konstant geblieben sind. Auch die politischen Impulse für eine globale Klimapolitik hätten noch nicht gegriffen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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