Heidenheim/Karlsruhe. Bloß wenige Tage nach dem Wahlsieg von Grün-Rot in Baden-Württemberg beginnt das Stühlerücken im Aufsichtsrat des Atomstromers EnBW. Der vom scheidenden Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) in das Gremium gebrachte Wirtschaftsweise Wolfgang Franz wird sein Mandat niederlegen. Voith-Chef Hubert Lienhard und Südwestmetall-Chef Rainer Dulger, die ebenfalls von Schwarz-Gelb bestellt sind, wollen dagegen Aufseher beim drittgrößten deutschen Stromkonzern bleiben.
Mappus hatte nach dem Kauf von 45 Prozent der EnBW-Anteile außerdem noch Staatsminister Helmut Rau (CDU) und Justizminister Ulrich Goll (FDP) in das Kontrollgremium geschickt — die Zukunft ihrer Mandate ist ungewiss. Goll sagte am Mittwoch lediglich: „Ich bin gesprächsbereit.“ Den Wechsel der politischen Verhältnisse nehme er natürlich „zur Kenntnis“. „Auf der anderen Seite sind wir aber auch den Belangen des Unternehmens verpflichtet“, ergänzte der scheidende Minister, ohne konkreter zu werden.
Am Mittwoch forderte der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) für sich einen Sitz ein. Er erwarte eine Neuausrichtung des Aufsichtsrats, sagte Handwerkspräsident Joachim Möhrle. Das Handwerk müsse dabei einbezogen werden.
Der mögliche neue Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) hat bereits angekündigt, er werde verhindern, dass Mappus die Aufsichtsräte der EnBW dauerhaft bestellt. Sie müssen zwar von der EnBW-Hauptversammlung am 19. April erst noch bestätigt werden, dieser Termin ist allerdings noch vor der Wahl des neuen Ministerpräsidenten.
Die Mappus-Vertrauten könnten also ganz legal ihre Sitze für die kommenden fünf Jahre einnehmen. Sie wären auch kaum abwählbar, weil das Land dafür einen Teil der Stimmen des zweiten großen Anteilseigners, der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW), bräuchte. Dieser Zweckverband, der ebenfalls 45 Prozent hält, wird von CDU-Landräten dominiert. „Wenn die Eigentümer der EnBW weiterhin der Meinung sind, dass Dr. Lienhard einen Beitrag zur Entwicklung des Unternehmens leisten kann, dann steht er selbstverständlich zur Verfügung“, sagte ein Sprecher des Voith-Konzerns in Heidenheim am Mittwoch. Für das Unternehmen seien stabile Regierungsverhältnisse wichtig, sagte er weiter. „Wir setzen auf eine zügige Regierungsbildung und eine konstruktive Zusammenarbeit.“
Auch Dulger steht weiterhin zur Verfügung, teilte der Geschäftsführer der Firma Prominent Dosiertechnik am Mittwoch mit. „Wichtig ist, dass der Aufsichtsrat von EnBW wirtschaftspolitischen und betriebswirtschaftlichen Sachverstand erhält“, sagte Dulger.
Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz hatte hingegen angekündigt, sein Aufsichtsratsmandat bei EnBW am 19. April niederzulegen. „Ich habe heute der Landesregierung mitgeteilt, dass ich für eine Position im Aufsichtsrat von EnBW nicht mehr zu Verfügung stehe“, hatte der Vorsitzender des Sachverständigenrates der Bundesregierung dem „Handelsblatt“ gesagt.
Neben dem Tauziehen um die Posten der Aufsichtsräten ist einem Zeitungsbericht zufolge hinter den Kulissen auch ein Machtkampf entbrannt. Die OEW wollen demnach ihren Anteil von derzeit 45 Prozent auf künftig 50,1 Prozent aufstocken, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Donnerstag. Der Zweckverband wolle sich dadurch den Einfluss auf den Energiekonzern und dessen Atompolitik sichern.
Ziel sei es, die Macht nicht der künftigen grün-roten Landesregierung zu überlassen. Entsprechende Beschlüsse sollen dem Blatt zufolge in einer Verbandsversammlung der OEW in den kommenden Tagen gefasst werden.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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