"Wer drei Jahre Oppositionschef war, der ist gestählt"

29.08.2014 
Redaktion
 
Interview CDU-Fraktionschef Peter Hauk
Fotos: dpa

Stuttgart. Im zweiten Teil des Interviews spricht CDU-Fraktionschef Peter Hauk darüber, was er in der Bildungspolitik und überhaupt wieder rückgängig machen, wie er mit den Beamten umgehen würde und  warum er die CDU wieder so gut aufgestellt sieht. Den ersten Teil des Interviews lesen Sie an diesem Freitag in der Print-Ausgabe des Staatsanzeigers.

Staatsanzeiger: Auf welches Konzept, das Sie in der Opposition entwickelt haben, sind Sie besonders stolz?

Peter Hauk: Wir haben einiges erreicht.  Erstens: Die CDU diskutiert wieder. Es gibt nicht nur einen starken Mann vorne oder eine starke Frau, nach der sich  alles ausrichtet. Sondern wir haben eine breite, intensive Beteiligungs- und Diskussionskultur in der Partei entwickelt.  Zweitens haben wir  uns in wesentlichen Fragen neu justiert, nachjustiert  oder auch alte Positionen - nicht unreflektiert, sondern nachdem wir sie hinterfragt und breit diskutiert haben - aufrechterhalten.

Ich bin zufrieden, weil wir in allen Fragen einschließlich der Schulpolitik bis zum Jahresende Antworten liefern können. Das ist mein Anspruch an Opposition. Und wir haben echte Alternativkonzepte: zur  Energiepolitik, Inklusion, zur Gemeinschaftsschule, zum Thema Frauenförderung und zum Leitbild unserer Gesellschaft, zum Thema Werteentwicklung – also zu einer Vielzahl von Themen, bei denen wir im beginnenden Wahlkampf ab 2015 nicht das Problem haben werden, dass wir erst Positionen finden müssten. Die Diskussion darum würde man uns zu der Zeit als als Streit auslegen. So sind die Positionen vielmehr schon da und auf ihnen können wir  ein Regierungsprogramm aufbauen.

Apropos Gemeinschaftsschule. Wie wollen Sie den von Ihnen vorgesehenen Rückbau der Gemeinschaftschule den Eltern und Kommunen erklären, die auf diese Schulform setzen?

Wir wollen keinen radikalen Rückbau. Den Schuss im Jahr 2011 haben wir gehört. Dieses Thema war mit wahlentscheidend für Grün-Rot: Schulpolitik von unten nach oben, das war deren Versprechen und deren Anspruch. Allerdings haben sie diesen Anspruch  dann selbst nicht umgesetzt.  Die Regierung hat  nur gesagt: Wer eine Gemeinschaftsschule will, den erhören wir. Und danach wurde alles ausgerichtet. Die Finanzen und die Lehrerversorgung wurden  ausschließlich in den Gemeinschaftsschulen entsprechend verbessert. Damit gab es einen Anreiz, ,Gemeinschaftsschulen einzurichten, obwohl viele Kommunen sagen: Wir machen das nur zur Standortsicherung.

Was würden Sie denn in der Schulpolitik konkret ändern, wenn die CDU wieder an die Regierung kommt?

Wir würden die Privilegien der Gemeinschaftsschule sofort abschaffen. Und klar ist auch: mit uns gibt kein Abitur an einer Gemeinschaftsschule. Diese zwei Punkte wären Sofortmaßnahmen einer neuen, CDU-geführten Landesregierung.

Wir würden unser Konzept zur Schulentwicklung von unten nach oben anbieten. Und zwar nicht zwangsweise, sondern als Möglichkeit. Die Schulgemeinschaften und der Schulträger  vor Ort werden entscheiden, ob ihnen unser Angebot besser liegt oder nicht.

Unsere Alternative liegt vor: Im Mittelpunkt dabei steht die Realschule. Es gibt eine gemeinsame Orientierungsstufe in der fünften und sechsten Klasse für die Kinder, die den Hauptschulabschluss oder die Mittlere Reife anstreben. Und es gibt ein klares, eigenständiges Gymnasium ab Klasse fünf. Wer nicht das Gymnasium besucht, hat  die Möglichkeit, nach einer gemeinsamen Orientierungsstufe einen Hauptschulabschluss ab Klasse sieben bis neun oder einen Mittlere-Reife-Abschluss ab Klasse sieben bis zehn zu erwerben.  Und die Schulen haben dann die Chance, sich darauf einzustellen. Es gibt keine Mindestschülerzahlen mehr wie -heute  mit 40 Kindern an der Gemeinschaftsschule, sondern dann wird man mit einer normalen Klassenstärke durchkommen.

Außerdem schaffen wir die Möglichkeit von Verbünden, das heißt ein Höchstmaß an Flexibilität, auch an räumlicher Flexibilität. Das ist, glaube ich, ein Angebot für eine Schulentwicklung von unten, die diesen Namen auch wirklich verdient.

Sehen Sie die CDU als eine Allerwelts-, Arbeiter- oder Mittelstandspartei?

Die CDU ist eine Wettbewerbs-, vielleicht auch eine mittelstandsorientierte Partei, aber jedenfalls eine Volkspartei. Und das muss sie auch bleiben. Denn nur so ist gewährleistet, dass die CDU politische Lösungen anbietet, die die gesamte Gesellschaft als Ansprechpartner haben. Das ist das Geheimnis der Volkspartei: Wir haben den Anspruch, dass die politische Lösung, die wir anbieten, für das ganze Volk echte Lösungen sind. Mit der Kompromissfähigkeit und der Lösung innerhalb einer Volkspartei hat man schon einen Teil der gesamtgesellschaftlichen Diskussion geleistet und bestanden. Das ist auch der Grund, warum die SPD keine Volkspartei mehr ist: Weil Sie diese Lösung für das ganze Volk heute nicht mehr anbietet.

Seit Jahrzehnten galt die Regel: Der CDU-Fraktionschef wird auch Ministerpräsidentenkandidat. Diese Regel wird nun ja verletzt - um die Spitzenkandidatur 2016 wird sich ein anderer bewerben. Verletzt Sie das?

An solchen Regeln irgendwelche Ansprüche festmachen zu wollen, ist vollkommen verquer. Es war doch vollkommen klar im Jahr 2011: Wir haben in der CDU unmittelbar nach der verlorenen Landtagswahl den Beschluss gefasst, dass der nächste Spitzenkandidat durch Urwahl nominiert wird. Damit war klar: Das Rennen ist vollkommen offen.

Nun gibt es in der Partei eine wettbewerbsorientierte Phase, die  vier Monate lang läuft, danach ist das Thema abgeschlossen. Wir werden einen Kandidaten haben, der hoffentlich mit einem breiten Rückhalt in der Mitgliederschaft rechnen kann. Zumindest müssen wir dafür sorgen – und darin sehe ich auch einen Teil meiner Aufgabe als Fraktionschef -, dass wir keine Gräben entstehen lassen, sondern mit dem dann gewählten Kandidaten möglichst schlagkräftig in den Wahlkampf ziehen.

Wo sehen Sie ihre Rolle, wenn die CDU den nächsten Ministerpräsidenten  stellt?

Zunächst  einmal habe ich mir Gedanken zu machen über meine augenblickliche Rolle. Und die besteh darin, dass wir bis zur Landtagswahl konzeptionell gut aufgestellt sein müssen. Da gibt es noch ein paar wenige offene Baustellen. Zum anderen müssen wir alles daransetzen, dass wir tatsächlich reüssieren bei der Landtagswahl. Da haben wir noch genug zu tun. Über alles Nachfolgende habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.

Das hängt von so vielen Unwägbarkeiten und derzeit unvorhersehbaren  Konstellationen ab: Welche Ministerposten stehen in einer Koalition zur Auswahl, wie ist die Verteilung der Sitze und so weiter und so fort. Dem sehe ich gelassen entgegen. Wer drei, bis 2016 dann fünf Jahre Oppositionschef war, der ist gestählt.

Würden Sie denn in der Regierung alles rückgängig machen, was Grün-Rot verändert hat? Nachdem die Gesellschaft  sich verändert hat und nachdem die derzeitige Regierung ein paar Pflöcke - Bildungspolitik, Polizeireform und anderswo -, eingeschlagen hat, kann man nach einem Regierungswechsel nicht einfach sagen: Wir gehen wieder zurück auf Anfang. Dass die Antworten des Jahres 2016 nicht die gleichen sein können wie die 2011, das ist auch klar:  Ich freue mich, dass wir uns da innerhalb der Fraktion und der Partei einig sind. Wir wollen natürlich an unsere erfolgreiche Regierungszeit vor 2011 anknüpfen, aber unsere Antworten müssen sich immer weiter den Verhältnissen und den Veränderungen in der Gesellschaft anpassen.

Diese Woche hat das schlechte Verhältnis zwischen Ministerpräsident Kretschmann und Beamtenbundchef Volker Stich Schlagzeilen gemacht. Wäre die CDU wieder an der Regierung, müssten Sie den Beamten nicht auch Einiges zumuten?

Entscheidend ist doch nicht die Frage, welche Forderungen in der Gegenüberstellung akzeptiert werden und welche nicht. Sondern das Entscheidende ist, wie mit den Beamten gesprochen, wie mit ihnen umgegangen wird. Das eigentliche Problem ist, dass unter dieser Landesregierung ex cathedra entschieden und nicht mit den Betroffenen gesprochen wird.

Auch wir sind  früher mit den Beamten nicht immer zimperlich umgegangen. Aber das Verhältnis hat sich unter Günther Oettinger deutlich entkrampft. Er hat - mit Unterstützung der CDU-Fraktion - im Wege des Kompromisses und der Gesprächsbereitschaft mit den Beamten Zielvereinbarungen getroffen. Wir haben vor 2011, in der letzten Legislaturperiode unter unserer Regierung,  immerhin strukturelle Einsparerfolge von einer halben Milliarde Euro verbucht. Dafür haben wir aber auch in manchem nachgegeben: Wir haben das Beamtengesetz verändert, strukturelle Veränderungen hereingebracht, beim Polizeidienst und in anderen Bereichen Stellenhebungen und dergleichen. Das hat auch etwas gekostet. Am Ende war es aber ein fairer Kompromiss, der mit den Beamten verhandelt wurde.

Und das ist das Entscheidende. Wir werden nicht versprechen können, dass wir die Beamten verschonen und dass sie keine Einsparleistungen erbringen müssen. Das wäre vermessen.  Aber wir können zusichern: Wir werden alles daransetzen, nötige Einsparungen im Benehmen und, wenn möglich,  sogar im Einvernehmen mit den Beamten hinzubekommen.

Denn ohne funktionierende Verwaltung, und das erlebt man fast überall auf der Welt, gibt es auch keine prosperierende wirtschaftliche Entwicklung. Das kann ich ihnen als Beamter im einstweiligen Ruhestand nur bestätigen: die Verwaltung ist systemrelevant.


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