"Wir können den Ausbau der Erneuerbaren auf immer weniger Schultern verteilen"

28.12.2012 
Redaktion
 
Umweltminister Franz Untersteller. Foto: Grüne

Umweltminister Franz Untersteller. Foto: Grüne

Stuttgart. Im ersten Teil des Interviews, das an diesem Freitag in der Printausgabe des Staatsanzeigers erschienen ist, sprach Umweltminister Franz Untersteller über seine Enttäuschung über Doha, das Klimaschutzgesetz im Land und warum das Erneuerbare-Energien-Gesetz überarbeitet werden muss. Im zweiten Teil des Interviews geht es um Ausnahmen von der EEG-Umlage für Unternehmen, Strompreise und wie der Ausbau der Windenergie im Land voran kommt.

Staatsanzeiger: Es gibt viele Ausnahmen von der EEG-Umlage. Sind solche Ausnahmen gerechtfertigt?

Franz Untersteller: Nicht alle. Ich habe kein Problem damit, dass man für energieintensive Unternehmen in Deutschland, die in ihren Produktionskosten einen hohen Energiekostenanteil haben und die im internationalen Wettbewerb stehen, Sonderregelungen trifft. In den vergangenen Jahren aber wurde der Kreis der Privilegierten immer weiter ausgeweitet von ursprünglich 400 Betrieben auf im kommenden Jahr über 2000. Und das geht beim besten Willen nicht. Es kann nicht sein, dass wir den Ausbau der Erneuerbaren auf immer weniger Schultern verteilen.

Wer soll sich beteiligen?

Letztendlich sollen sich auch diejenigen beteiligen, die am Schluss auch davon profitieren. Die energieintensiven Unternehmen in Deutschland haben in den vergangenen  Monaten vom Ausbau der Erneuerbaren bereits profitiert. Sie reden nur nicht darüber. Der Ausbau der Erneuerbaren hat mit dazu geführt, dass die Börsenpreise an der Strombörse in Leipzig sinken und von diesen gesunkenen Börsenpreisen profitiert gerade die energieintensive Industrie in Deutschland. Sprich Stahlindustrie, Aluminium, die energieintensive Grundchemie. Ich bin durchaus der Meinung, dass sich die Industrie entsprechend an der Energiewende beteiligen muss. Es kann nicht sein, dass die energieintensiven Unternehmen sowohl vom EEG, als auch von den Netzumlagekosten, als auch von der Stromsteuer befreit werden, und mittlerweile nur noch von den niedrigen Preisen an der Börse und von den niedrigen Zertifikatspreisen  profitieren und die Belastung von der Energiewende auf die privaten Haushalte, das Handwerk und den Mittelstand verteilt wird. Da bin ich entschieden dagegen.

Die erneuerbaren Energien senken den Strompreis an der Börse. Warum steigt die Stromrechnung trotzdem jedes Jahr?

Bislang profitiert der Privatverbrauchter zu wenig von den sinkenden Börsenpreisen. Die Energieversorger, die ja an der Börse einkaufen, geben aus meiner Sicht den kostengünstigeren Einkauf zu langsam an Verbraucher weiter. Ich habe immer den Eindruck, wenn die Preise an der Börse steigen, so schnell kann man gar nicht schauen, wie die Erhöhung  an die  Verbraucher weitergegeben wird.  Sinkt der Börsenpreis, hat man alle möglichen Ausreden, warum die Preissenkung  jetzt gerade noch nicht weiter gegeben werden kann, sondern erst in Zukunft. Ich kann nur dazu raten, dass die Verbraucher sich den Markt genau anschauen und überlegen, ob sie nicht zu einem günstigeren Stromanbieter wechseln. Darüber habe ich als Verbraucher eine Möglichkeit auf die Marktsituation zu reagieren.

Investitionen in konventionelle Kraftwerke lohnen sich kaum noch. Dennoch sind solche Kraftwerke notwendig zur Sicherung der Versorgungssicherheit. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen?

Was wir zur Zeit erleben, ist die Folge eines starken Wettbewerbs in einem liberalisierten Markt. Der hat dazu geführt, dass die Börsenpreise Stück um Stück gesunken sind und der Ausbau der Erneuerbaren mit dem Einspeisevorrang hat diese Entwicklung noch weiter beschleunigt. Das heißt, sie haben in der sogenannten Base gerade mal noch halb so hohe Preise wie wir sie 2007/2008 hatten und dies wiederum bedeutet, dass die Margen für die Energieerzeuger zu gering sind, um in neue Anlagen zu investieren. Der gesetzlich verankerte Einspeisevorrang für die Erneuerbaren führt dann noch dazu, dass auch Bestandsanlagen zunehmend unter Druck geraten, weil  - sobald die Sonne scheint und der Wind weht-  Anlagen reihenweise abgeschaltet werden.

Dennoch brauchen wir Backup-Kapazitäten.

Deswegen ist es notwendig, dass wir parallel zu dem sogenannten Kilowattstundenmarkt, sprich dem Börsengeschehen in Leipzig, ein Marktdesign entwickeln, dass Versorgungssicherheit gewährleistet. Einen Vorschlag dazu habe ich vor einem guten Jahr gemacht, nämlich unter dem Stichwort Kapazitätsmarkt. Es muss gelingen,  über so ein Kapazitätsmarktmodell wieder entsprechende Backup-Kapazitäten in den Markt reinzubringen, die dann für Versorgungssicherheit sorgen. Ich kenne bislang kein anderes Modell, mit dem wir neue Kapazitäten in den Markt rein bekommen, und ich habe den Eindruck, dass sich die unterschiedlichen Akteure hier zunehmend annähern, dass man auch in der EnBW einem solchen Modell zunehmend Sympathien entgegenbringt. Es geht natürlich darum hier ganz genau zu schauen, dass es nicht zu Fehlallokationen kommt, zu Überförderung etc. Nach meinem Dafürhalten brauchen wir spätestens Anfang 2015 eine Lösung. Es geht vor allem um die Frage, wie kriegen wir Kapazitäten nach dem Jahr 2019/20 in den Markt, wenn die großen Kernkraftwerkskapazitäten in Süddeutschland aus dem Markt gehen. Dafür brauchen wir eine Lösung.

Ein großes Thema in diesem Jahr waren die Änderungen der Bedingungen für die Windkraft und der Windenergieerlass. Was tut sich seit dem in diesem Bereich?

Vieles und zwar flächendeckend. Wir haben im Mai das Landesplanungsgesetz geändert und den Windenergieerlass auf den Weg gebracht. Wir haben vier Kompetenzzentren in den Regierungspräsidien eingerichtet. Wir haben ein Windenergiekompetenzzentrum an der Landesanstalt für Umwelt in Karlsruhe eingerichtet. Wir sind derzeit dabei, die ganzen artenschutzrechtlichen Grundlagen zu erarbeiten, bei denen übrigens über Jahre hinweg in Baden-Württemberg erhebliche Defizite bestanden haben, um dann überhaupt mal vernünftige Grundlagen bei der Standortplanung zu haben. Und was ich zur Zeit erlebe ist, dass landauf  landab sowohl die Regionalverbände aber auch die Gemeinden dabei sind, die planerischen Grundlagen für den Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg zu schaffen. Um mal eine konkrete Zahl zu nennen:  Ende November 2012 hatte die Regional AG - der Netzbetreiber der EnBW - insgesamt Anfragen für den Anschluss von 1100 Megawatt Leistung im Bereich der Windenergie in Baden-Württemberg. Das wird nicht alles so verwirklicht werden, aber das zeigt, dass es in den kommenden Jahren steil nach oben geht. Manches davon wird nicht schon 2013, aber dann 2014 und 2015 gebaut werden. Aber auch die Zahlen, die uns bislang vorgelegt wurden, zeigen, es tut sich was im Land und zwar flächendeckend.

Was muss als nächstes bei der Energiewende in Baden-Württemberg geschehen?

Vieles. Zum einen geht es um die Frage des Ausbaus der Netze von Nord nach Süd, für den die Bundesnetzagentur ja gerade einen endgültigen Entwurf des Netzentwicklungsplans vorgelegt hat.  Da geht es jetzt natürlich darum, dass wir in den betroffenen Regionen, im Raum Philippsburg, im Raum nördlich von Neckarwestheim, wo große Trassen künftig anlanden sollen, dass wir hier die Themen auch intensiv mit Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren. Zweitens haben wir jetzt gemeinsam mit Akteuren aus Energiewirtschaft, aus Stadtwerken, aus Wissenschaft und Forschung, aus Industrie eine neue Plattform Smart Grids aufgesetzt, wo es darum geht, wie entwickeln wir die Verteilernetze weiter in Baden-Württemberg, wo bringen wir erste Pilotprojekte voran. Und es geht natürlich für uns auch darum, das Thema Speicherung entsprechend voranzubringen. Hier haben wir eine Reihe von Forschungsprojekten auf den Weg gebracht. Ich glaube, dass Baden-Württemberg hier bundesweit eine führende Rolle hat, neue Konzepte zur Speicherung von Energie zu entwickeln und voranzubringen, allen voran natürlich das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung  hier in Stuttgart, aber auch andere Einrichtungen, die an diesen Fragen dran sind.Es gibt eine ganze Reihe von Baustellen, an denen wir in den kommenden Jahren arbeiten müssen. Es geht natürlich auch darum, dass wir unsere Förderprogramme weiterentwickeln. Beispielsweise im Bereich der kleinen Wasserkraft werden wir ab dem neuen Jahr ein neues Förderprogramm auflegen, wo wir die Modernisierung bestehender Kleinanlagen unter 100 Kilowatt Leistung auch anreizen wollen. Das ist jetzt nur der Stromsektor. Hinzu kommt dann noch der Wärmesektor, wo wir im kommenden Jahr das Thema Erneuerbares-Wärmegesetz aufrufen werden, wo wir aber auch die erfolgreichen Förderprogramm, die wir in diesem Jahr aufgelegt haben, beispielsweise im Bereich der energetischen Sanierung von Privatgebäuden,  weiterführen werden. Wir werden außerdem die im letzten Jahr begonnene Kampagne zum Austausch von Heizungspumpen auf breitere Beine stellen.


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