Stuttgart. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) soll nach dem Willen der Opposition vor dem Staatsgerichtshof als Zeuge zum umstrittenen Rückkauf der Landesanteile an der EnBW aussagen. Dies geht aus der Klageschrift hervor, die Grüne und SPD am Mittwoch in Stuttgart vorlegten und anschließend beim Gericht einreichten. Auch Finanzminister Willi Stächele und Landtagspräsident Peter Straub (beide CDU) sollen vor dem höchsten für Verfassungsfragen zuständigen Landesgericht Auskunft geben über die Abläufe bei dem Aktiendeal im Umfang von bis zu sechs Milliarden Euro. Mappus hatte das Geschäft abgeschlossen, ohne den Landtag zuvor zu informieren, der aber anschließend mit den Stimmen der Koalition eine Bürgschaft dafür bewilligte.
Dazu sagte der Verfassungsrechtler Professor Joachim Wieland von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer: „Das ist ein klarer Fall der Missachtung des Parlaments und der Verfassung.“ Wieland, der auch dem Staatsgerichtshof in Nordrhein-Westfalen angehört, betonte, die Regierung habe kein Recht, bestimmte Vorgänge vor dem Parlament geheim zu halten. Auch sei es sehr eigenartig, dass zu einem Geschäft mit diesem Umfang nicht zuvor ein schriftliches Gutachten eingeholt wird. Wieland, der selbst bereits Gutachten zu schwierigen Fragen für die Bundesregierung verfasst hat, verweist auf die auf die Bedeutung schriftlicher Gutachten: „Es hat seinen Grund, warum das Beratungswesen seit Jahrzehnten verschriftlicht ist.“ In derart schwierigen Rechtsfragen mit einem großen finanziellen Volumen sei es die Regel, Gutachten auch aus Haftungsgründen schriftlich vorzulegen. Bei einer mündlichen Beratung stelle sich im Zweifel stets die Frage, wer wen beraten habe und wer was wie weitergeleitet habe. „Das läuft auf stille Post hinaus“, so Wieland.
Mappus hatte anfangs erklärt, es habe ein Gutachten dazu gegeben, ob der Finanzminister grünes Licht für den Aktiendeal auf Grundlage seines sogenannten Notbewilligungsrechts geben kann. Anschließend stellte sich heraus, dass die Regierung zunächst mündlich von Anwälten beraten wurde und erst nach Vertragsabschluss eine schriftliche Stellungnahme dazu erhielt. Eine Stellungnahme, die Wieland als nicht ausreichend bewertet. In ihr habe man sich in keiner Weise mit den einschlägigen Urteilen, etwa dem des Bundesverfassungsgerichts und dem des Staatsgerichtshofs Baden-Württemberg, zum Notbewilligungsrecht des Finanzministers auseinandergesetzt. Hätte ein Student ihm so eine Stellungnahme als Seminararbeit abgegeben, „wäre das klar ein nicht genügend gewesen“, so Wieland, der auch Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer ist.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Winfried Kretschmann, sagte: „Das ist ein klarer Fall von Machtmissbrauch.“ Auch die sensible wirtschaftliche Seite des Geschäfts sei kein Grund, das Parlament zu umgehen. So habe auch der Vor-Vorgänger von Mappus, Erwin Teufel (CDU) vorab die Fraktionsvorsitzenden über den damaligen Verkauf der Aktien an den französischen Energiekonzern EDF informiert. Mappus hätte am Tag vor der öffentlichen Bekanntgabe des Geschäfts - und damit an einem börsenhandelsfreien Sonntag - den Landtag in Kenntnis setzen können.
Eine weitere offene Frage, um deren Beantwortung Ministerpräsident Mappus sich tags zuvor vor Journalisten gedrückt hatte, ist die Frage, wann Finanzminister Stächele eigentlich in den Aktiendeal eingeweiht wurde. Denn das Notbewilligungsrecht ist ein Recht des Finanzministers und bloß er kann in begründeten Einzelfällen und nach gründlicher Prüfung die verfassungsmäßigen Rechte des Parlaments dadurch kurzfristig aushebeln.
SPD-Vize-Fraktionschef Nils Schmid sagte: „Es kann nicht sein, dass ein Ministerpräsident eine gute Idee hat und nach dem Motto "Der Zweck heiligt die Mittel" diese Idee verfolgt.“ Mit dem EnBW-Deal habe Mappus ein weiteres Mal gezeigt, welchen „skrupellosen“ Regierungsstil er pflege. Mappus habe Parlament und Öffentlichkeit hinsichtlich des angeblich vorab eingeholten Gutachtens belogen. „Er ist auf dem Weg in eine papierlose Regierung“, sagte Schmid und fügte hinzu: „Das ist eine ganz abschüssige Bahn.“
Der Rechtsexperte Sebastian Roßner widersprach auch der Darstellung der Chefs der beiden Regierungsfraktionen CDU und FDP, wonach der Landtag dem Geschäft hätte widersprechen können. Denn ein Parlamentsvorbehalt sei ja bewusst unterblieben. Roßner sagte, selbst wenn der Staatsgerichtshof einen Verstoß gegen die Verfassung feststellen würde, „wäre das Vertragsverhältnis nicht berührt.“
CDU-Fraktionschef Peter Hauk trat der Kritik der Opposition entgegen und erklärte, sie ändere nichts an der Tatsache, dass der Ministerpräsident mit dem Rückkauf der EnBW-Anteile die einzig richtige Entscheidung für das Wohl Baden-Württembergs getroffen habe.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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