Stuttgart 21: Schulterschluss gegen die Bahn

25.09.2011 
Redaktion
 
Foto: Kilgus

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Stuttgart. Neun Wochen vor der geplanten Volksabstimmung steht das Projekt Stuttgart 21 an einem Scheideweg. Die Bahn will noch in diesem Jahr eine neue Finanzierungsvereinbarung über 80 Millionen Euro mit den Projektpartnern abschließen. Aber: Nicht nur das Land, auch die Stadt Stuttgart und Region sind strikt dagegen. Außerdem lebt ein Expertenarbeitskreis wieder auf, der jene Kostentransparenz herstellen soll, den Grün-rot seit dem Amtsantritt fordert.

Das hat es noch nie gegeben: Nicht Verkehrsminister Winne Hermann stellt sich im Namen der Landesregierung gegen die Bahn, sondern die Direktorin der Region Stuttgart Jeanette Wopperer. Das Regionalparlament habe die Ausgaben gedeckelt, die Beschlusslage sei da „völlig klar“. Noch klarer ist die Position der Stadt Stuttgart, die OB Wolfgang Schuster auf der Pressekonferenz nach der Lenkungskreissitzung nicht vertreten konnte, weil er zum Fassanstich auf den Cannstatter Wasen musste. Stuttgart gibt nichts, vor allem weil es sonst zu jenem Bürgerentscheid kommen würde, den Schuster schon vor Jahren der Bevölkerung und seinem grünen OB-Gegenkandidaten Boris Palmer versprochen hatte, ehe der seine Bewerbung aufgab. Und Grün-Rot ist ohnehin festgelegt. „Das steht im Koalitionsvertrag“, sagt SPD-Finanzstaatssekretär Ingo Rust, „mit uns wird es keine Finanzierungvereinbarung geben.“

Muss es auch nicht unbedingt, weil die Bahn die 80 Millionen, die sie als Resultat der Geißlerschen Schlichtung bezeichnet, in die allgemeinen Projektkosten einfließen lassen könnte. Dann würden alle Partner mit zahlen. Dann würde aber der vielbemühte Risikofonds noch mehr strapaziert, als er ohnehin schon  ist. Bei der Sitzung am Freitag räumte Bahn-Vorstand Volker Kefer 30 Millionen Euro an Mehrkosten ein, die bereits angefallen sind, und weitere 340 Millionen, die als Risiken in der Zukunft absehbar sind. „Der Puffer war für zusätzliche Risiken, die während des Baus auftreten“, erinnerte Hermann noch einmal. Und jetzt sei er schon fast aufgebraucht. Was die Bahn bestreitet, nicht zuletzt, weil sie ihn neu aufgefüllt hat. Kosten, die bisher vor allem zum Inflationsausgleich dem Gesamtbetrag zugerechnet wurden, sind neuerdings herausgelöst und werden zu der Summe addiert, die für Risiken bereitgestellt wird.

Ein Etappenerfolg für all jene, die der DB genauer auf die Finger schauen wollen, ist aber vor allem das Wiederaufleben eines Expertenkreises. Den hatten die Projektträger schon vor längerer Zeit eingerichtet. Er ist aber nach und nach eingeschlafen, weil die CDU/FDP-Koalition kein Interesse  hatte. In der neuen Landesregierung haben sich bekanntlich aber sogar die Projektbefürworter von  der SPD der Kostentransparenz verschrieben. Schon in der kommenden Woche werden sich deshalb Fachleute, entsandt von allen Beteiligten, an einen Tisch setzen, um die von der Bahn vorgelegten Zahlen auf ihrer Belastbarkeit abzuklopfen. Und um eine nächste Lenkungskreissitzung zu besprechen, die ohne Termin schon vereinbart ist. Alle Seiten – ein seltener Konsens - meinen, dass die Beratungen intensiver  vorbereitet werden müssen.

Und noch ein Konsens: Bahnvorstand Kefer, der die Lage so ernst wie noch beschrieb und an das Land appellierte, seiner  Projektförderpflicht nachzukommen, trennt  zwischen der Vertretung der Bahn-Interessen und dem Umgang mit dem Verkehrsminister. Mit dem könne er jederzeit „ein Bier trinken“ gehen. Hermann betonte, keine persönlichen Differenzen mit dem Widerpart zu haben. „Wir sind doch keine Kampfhähne“, sagte er und Kefer nickte.


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