Vergaben im Autobahnbau: Preis allein soll nicht mehr zum Zuschlag führen

03.03.2021 
Redaktion
 
Foto: dpa/Rupert Oberhäuser

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STUTTGART. Schon im April 2020 hat die Autobahn GmbH mit Vertretern aus Wirtschaft, Verwaltung und Verbänden einen Runden Tisch ins Leben gerufen. Die Ausschreibungspraxis soll zu besseren Ergebnisse führen - vor allem Kostenexplosionen künftig verhindern.

Die Diskussion darüber währt schon lang. Auslöser waren Großprojekte wie Stuttgart 21, die Elbphilharmonie und der Berliner Flughafen mit ihren erheblichen Kostensteigerungen. Schon im Jahr 2016 hatte sich die Bundesregierung in einem Aktionsplan Großprojekte zu neuen partnerschaftlichen Vertragsmodellen und einem Zuschlag an den besten, nicht den billigsten Bieter bekannt. Denn die Billig-Bieter-Variante, so ist man sich mittlerweile vielfach einig, ist eine der maßgeblichen Ursachen für Kostensteigerungen: Der hohe Preisdruck verleitet Anbieter von Bauleistungen häufig dazu, zu niedrige Angebote abzugeben. Ist der Auftrag dann erteilt, muss das Defizit dann durch Nachträge oder Abstriche bei der Qualität wieder reingeholt werden.

Bis zum Sommer sollen greifbare und schnell umsetzbare Ergebnisse vorliegen

Das will die Autobahngesellschaft künftig vermeiden. „In enger Abstimmung mit den Verbänden sollen die Vergabeverfahren innovativer gestaltet werden“, sagt ein Sprecher dem Staatsanzeiger. Bei der Wertung der Angebote könnten damit stärker als bisher qualitäts-und leistungsorientierte Kriterien zum Zuge kommen und nicht nur der reine Angebotspreis. „Bis zum Sommer 2021 sollen erste greifbare und schnell umsetzbare Ergebnisse vorliegen“, so die Autobahn Gesellschaft.

Die mittelständische Bauwirtschaft warnt davor, neuartige vergabefremde Aspekte bei der Wertung von Angeboten zu Autobahnprojekten einzuführen. Sie befürchtet, dass bei Kriterien wie der Länge von Transportwegen von Baustoffen, der Anrechnung von Zertifizierungssystemen bis hin zu Bauzeitverkürzungen die kleinen Anbieter Nachteile im Wettbewerb haben könnten.

Mittelständische Bauunternehmen fürchten Wettbwerbsnachteile

"Das würde breit aufgestellte Großunternehmen bevorzugen", warnt Felix Pakleppa, der Chef des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe. Solche vergabefremden Aspekte würden nicht nur den Wettbewerb verzerren, sondern könnten auch zu Streit führen, gerade, wenn es etwa um Vorgaben zur Bauzeitverkürzung gehe. „Die wünschen sich viele Bauherren. Aber das Bauunternehmen sichert sich den Auftrag über kurze Bauzeiten und streitet sich hinterher mit dem Auftraggeber, wer für mögliche Bauzeitverlängerungen verantwortlich ist", sagt Pakleppa.

Die Sichtweisen in der Branche sind jedoch unterschiedlich. „Wir halten die Einführung von Wertungskriterien für sinnvoll, weil der Preis bei Vergaben bisher zu sehr im Vordergrund steht. Unsere Unternehmen können ihre Stärken oftmals gar nicht ausspielen. Der Preis als einziges Wertungskriterium ist für alle Seiten unbefriedigend“, sagt Thomas Möller, der Verbandschef der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Man müsse mit der Autobahngesellschaft gemeinsam Kriterien erarbeiten, die die Qualität der Bauleistung und mehr die Stärken von Bietern berücksichtigten. „Es ist sinnvoll, Optimierungsvorschläge der Unternehmen zu belohnen“, erklärt Möller. Das gelte etwa dann, wenn Bieter in der Ausschreibung Fehler aufdecken würden oder sie Verfahren vorschlagen, die den Bauablauf verkürzen. 


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