Stuttgart. Noch nie in seiner Geschichte hat der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg das Vorgehen einer Landesregierung ähnlich scharf gerügt. Der frühere Finanzminister Willi Stächele und die CDU/FDP-Koalition insgesamt hätten „die Landesverfassung verletzt“, heißt es in dem Urteil über den EnBW-Deal. Allein: Der Spruch bleibt womöglich ohne unmittelbare Folgen, denn Ex-Regierungschef Stefan Mappus hat sich aus der Politik verabschiedet und die CDU-Fraktion will Stächele, der inzwischen Landtagspräsident ist, nicht fallen lassen.
Grüne und SPD erregten den Zorn von CDU und FDP, als sie am 16. Dezember 2010 aus dem Plenarsaal auszogen. Mit dem Eklat wollten sie gegen ein Geschäft protestieren, das die Landesregierung am Landtag vorbei unter Dach und Fach gebracht hatte. Zehn Monate später bekommt die damalige Opposition recht. Stächele gab eine Zustimmung zur Landesgarantie von 5,9 Milliarden Euro und damit dem Rückkauf der EnBW-Aktien auf Basis des Artikels 81 der Landesverfassung. Mappus drängte de Parteifreund, „ eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses“ wegen über die außerplanmäßige Ausgabe allein zu entscheiden.
Was der Finanzminister nicht hätte tun dürfen. Unter anderem weil, wie der Vorsitzende Richter Eberhard Stilz ausführte, der für das sogenannte Notbewilligungsrecht der Verfassung notwendige Zeitdruck gar nicht bestanden habe. Für die Zukunft - ausdrücklich nicht zur Beurteilung der Vergangenheit - zeigte das Gericht einen Ausweg auf: Ein kleines Gremium könnte künftig statt des gesamten Parlaments eingebunden werden, wenn beispielsweise aus aktienrechtlichen Gründen Geheimhaltung angesagt sei. Mit diesem dringenden Geheimhaltungsbedürfnis hatte die Regierung ihr Verhalten seinerzeit begründet. Darüber entscheiden kann aber nach Ansicht des Staatsgerichtshofs nicht er selbst, sondern allein das Parlament.
Pikant ist, dass die Dinge einen ganz anderen Verlauf genommen hätten, wäre Mappus bereit gewesen, einen kleinen Kreis zu informieren, etwa die damaligen Vorsitzenden der vier Parlamentsfraktionen. Denn der heutige Ministerpräsident Winfried Kretschmann („Ich bin sehr erfreut über das Urteil“) und sein Finanzminister Nils Schmid hatten den Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW in einer ersten Reaktion gelobt und hätten in einer kleinen Runde vermutlich zugestimmt. Einigermaßen durchsichtig verwies CDU-Fraktionschef Peter Hauk in einer ersten Stellungnahme genau auf diesen Umstand. Zugleich bot er allen anderen Fraktionen an, gemeinsam über eine entsprechende Änderung der Landesverfassung nachzudenken.
Nicht nur Grüne und SPD, sondern sogar Teile der FDP sehen vordringlich allerdings einen ganz anderen Handlungsbedarf. Ihrer Meinung nach kann der Ex-Finanzminister nicht mehr Landtagspräsident sein, weil er es jetzt schwarz auf weiß hat, dass die Rechte des Parlaments durch ihn verletzt wurden. „Wir erwarten, dass Herr Stächele von seinem Amt zurücktritt", verlangte Grünen-Fraktonsvize Hans-Ulrich Sckerl noch im Gerichtssaal. Es sei klipp und klar festgestellt worden, „dass diese Nacht-und-Nebel-Aktion der alten Regierung Mappus einen Verfassungsbruch" darstellt. Andreas Stoch, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, nannte den früher einflussreichen südbadischen CDU-Mann „als Hüter von Parlamentsrechten nicht mehr glaubwürdig“. Die Regierungsfraktionen hatten den Gepflogenheiten entsprechend Stächele zwar gewählt – aber ausdrücklich unter Vorbehalt der Gerichtsentscheidung. Die rief sogar die FDP auf den Plan: Jens Brandenburg, Landeschef der Jungen Liberalen, forderte Stächele auf, „das Handtuch zu werfen“. Vielleicht auch seiner Uneinsichtigkeit wegen. „Zu keiner Sekunde ging es um eine Missachtung von Parlamentsrechten, sondern um eine schnelle Entscheidung im Interesse und zum Wohle des Landes“, ließ der Präsident selber schriftlich mitteilen. Und dass der Landtag – siehe oben – die Entscheidung ja anschließend gebilligt habe.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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