Stuttgart. Die Vergabe der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg an den freien Träger „Neustart gGmbH“ hat seit 2007 zu spürbaren Verbesserungen in der Betreuung von Straftätern geführt: Erstmals ist die Bewährungs- und Gerichtshilfe im Land klar strukturiert und flächendeckend, zudem müssen einzelne Bewährungshelfer deutlich weniger Fälle betreuen als zuvor. Dieses Ergebnis einer umfassenden Evaluation stellte Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) am Freitag in Stuttgart vor. „Allerdings besteht immer noch erheblicher Verbesserungsbedarf“, sagte der Justizminister.
Völlig offen ist derzeit, in welcher Organisationsstruktur die Bewährungs- und Gerichtshilfe nach dem Auslaufen des zehnjährigen Vertrages mit „Neustart“ von 2017 an erfolgt. „Eine Weiterführung mit Neustart ist nur eine von vielen Möglichkeiten“, so Stickelberger. Auf Basis des Evaluationsberichtes sollen diese verschiedenen Möglichkeiten nun gemeinsam mit dem Finanzministerium geprüft und durchgerechnet werden. In Frage kommen neben der Weiterführung durch private Trägerschaft – die allerdings europaweit neu ausgeschrieben werden müsste –auch die Gründung eines Landesbetriebs, einer Körperschaft öffentlichen Rechts oder die Organisation durch eine Behörde. Die Bewährungs- und Gerichtshilfe kostet das Land jährlich rund 25 Millionen Euro.
Präferenzen zeigte Stickelberger dabei für keine Lösung. „Uns kommt es darauf an, den erreichten Qualitätsstandard zu halten und weiter zu verbessern. Eine Rückkehr zum Stand vor 2007 wird es nicht geben, weil das gar kein System war“, so Stickelberger. Während es zuvor an Qualitätskontrolle und fachlicher Anleitung der Sozialarbeiter und ehrenamtlichen Bewährungshelfer gefehlt habe, seien mit der Reform 2007 zentrale Struktur, Qualitätsstandards, eine klare Organisation der Arbeitsabläufe und die notwendige technische Ausstattung eingeführt worden. Der Bericht formuliert allerdings auch Defizite, etwa beim Berichtswesen oder der Falldokumentation der Sozialarbeit. „Für Gerichte und Staatsanwaltschaften sind diese Angabe sehr wichtig, weil sie anhand der Berichte im Einzelfall über die Bewährung entscheiden“, so Stickelberger.
Die wichtigste Verbesserung hat sich aber für die aktuell 438 hauptamtlichen und derzeit 613 ehrenamtlichen Mitarbeiter ergeben: Während pro Kopf vor zehn Jahren noch durchschnittlich 95 Personen zu betreuen waren, ist die Zahl inzwischen auf 68 gesunken. Damit nimmt Baden-Württemberg einen Spitzenlatz unter den Bundesländern ein. Auch der Erfolg der Bewährungshelfer, der daran gemessen wird, ob die Bewährung für einen Straftäter widerrufen wird, kann sich sehen lassen: Bei rund 20000 betreuten Personen im Jahr liegt diese Quote konstant unter 20 Prozent, während es im Bundesschnitt zwischen 25 und 30 Prozent sind.
Abgesehen von dem sozialen Aspekt – einem Straftäter Haft zu ersparen – rechnet sich erfolgreiche Bewährungshilfe für das Land auch ganz praktisch: „Haft ist teuer“, so Stickelberger – pro Tag und Person kosten Häftlinge das Land rund 110 Euro. Ausdrücklich lobte er das Engagement der vielen ehrenamtlichen Bewährungshelfer – darunter etwa der ehemalige Landtagsdirektor Ulrich Lochmann -, deren Zahl durch „Neustart“ deutlich erhöht wurde. „Auf die setzen wir auch in Zukunft, ich bin froh, dass wir so viele haben.“
Neben den Landtagsfraktionen sollen sich nun auch die Bewährungshelfer selbst mit dem Evaluationsbericht beschäftigen und Rückmeldungen geben. Diese Impulse aus der Praxis sollen dann – ebenso wie die Ergebnisse der Beratung mit dem Finanzministerium - in eine Kabinettsvorlage zur Zukunft der Bewährungshilfe einfließen, die Stickelberger im September vorlegen will.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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