Foto: Leja
BERLIN/STUTTGART. Seit Herbst 2019 treibt das Bundesarbeitsministerium einen Gesetzentwurf zu Berufskrankheiten voran. Der im Dezember veröffentlichte Entwurf orientiert sich stark am 2016 erarbeiteten Weißbuch der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen hatten sich darin auf Vorschläge für ein modernes Berufskrankheitenrecht geeinigt.
Für den Bundesrat liegt der Fokus bei den neu geplanten Präventionsmaßnahmen, die den Unterlassungszwang ersetzen, zu stark auf dem Arbeitnehmer. Dabei sei der Arbeitgeber dafür zuständig, für Arbeitsbedingungen zu sorgen, bei denen Berufskrankheiten gar nicht erst entstehen.
Der Änderungsantrag des Bundesrats zum Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht daher vor, dass die Versicherungen den Arbeitgeber dazu anhalten, Mitarbeitern mit Berufskrankheiten vorbeugende Maßnahmen zu ermöglichen. Die Arbeitnehmer sollen mitbestimmen können, welche Maßnahmen vereinbart werden.
Außerdem sieht der Bundesrat vor, dass im Sinne des Arbeitnehmers entschieden wird, wenn der Nachweis, unter welchen Bedingungen er gearbeitet hat, nicht mehr möglich ist. Zum Beispiel wenn der Betrieb nicht mehr existiert.
Eine Härtefallregelung soll laut Bundesrat für Einzelfallgerechtigkeit sorgen. Dabei geht es um Krankheiten, die im Beruf entstehen, aber nicht allgemein als Berufskrankheit anerkannt werden können, da die Fallzahl zu klein ist. Auch für Arbeitnehmer mit solchen Erkrankungen soll eine Anerkennung zukünftig möglich sein.
Diesen Vorschlag unterstützt auch die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau). Auch der Wegfall des Unterlassungszwangs sei eine bedeutende Verbesserung für die Versicherten im Baugewerbe. Sie stünden damit bei einer entsprechenden Erkrankung nicht mehr vor der Frage, wie es beruflich weitergehen soll, sagt Mathias Neuser, Fachreferent der IG Bau.
Die Gewerkschaft hätte sich für das neue Berufskrankheitsrecht zudem eine Umkehr der Beweislast gewünscht. Doch sowohl der Gesetzentwurf der Bundesregierung, als auch der Änderungsantrag des Bundesrats sehen weiterhin vor, dass Arbeitnehmer der Versicherung beweisen müssen, dass sie an einer Berufskrankheit leiden.
Für den Verband Arbeitgeber Baden-Württemberg liegt der Hauptkritikpunkt bei den Kosten: Die jährlichen Mehrkosten schätzt das Bundesarbeitsministerium im Entwurf auf 4,6 Millionen Euro jährlich. Bis 2060 sollen sie auf 60 Millionen Euro jährlich ansteigen. "Das ist für die Arbeitgeber, die die alleinigen Finanziers der Unfallversicherung sind, inakzeptabel", so Karoline Bauer, Geschäftsführerin Arbeitsrecht und Soziale Sicherung beim Arbeitgeberverband.
Durch die geplanten Präventionsmaßnahmen für Arbeitnehmer mit Berufskrankheit rechnet das Bundesarbeitsministerium jedoch auch mit Minderausgaben im niedrigen einstelligen Millionenbereich. Langfristig sollen 20 bis 40 Millionen Euro jährlich eingespart werden.
Für gesundheitliche Schäden im Beruf haftet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) stellvertretend für die Arbeitgeber. Diese finanzieren die DGUV durch Beträge. Träger der Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften und die Unfallkassen. Im Fall einer Berufskrankheit übernimmt die DGUV die Kosten für die Heilbehandlung und die berufliche Wiedereingliederung. Bei bleibenden Schäden zahlt die Versicherung eine Rente, im Todesfall auch an die Hinterbliebenen.
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Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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