Geteiltes Echo auf Überlegungen zu kostenlosem öffentlichem Nahverkehr

15.02.2018 
Von: sta/schl
 
Redaktion
 
Verkehrsminister Winfried Hermann versteht nicht, warum der Bund sich weiterhin der Einführung einer blauen Plakette verweigert. Foto: Verkehrsministerium Baden-Württemberg

Stuttgart/Berlin. Die Bundesregierung erwägt, zeitweise einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in Modellkommunen einzuführen. Das Ziel ist, dass möglichst viele Menschen statt des Autos Bus und Bahn nutzen und so die Stickstoffdioxidwerte in den Kommunen unter den EU-Grenzwert gesenkt werden können.

Denn Deutschland überschreitet in vielen Kommunen und Regionen, darunter auch zahlreichen in Baden-Württemberg, seit Jahren die EU-Grenzwerte (siehe Staatsanzeiger vom 9. Februar). Ohne neue überzeugende Vorschläge wie die Grenzwerte künftig eingehalten werden können, will die EU-Kommission nun Klage gegen Deutschland erheben.

Bei den Modellkommunen für einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, die der Bund nun einzurichten erwägt, sind auch drei Städte aus Baden-Württemberg im Gespräch: Mannheim, Reutlingen und Herrenberg. Im Südwesten sei man offen für „zweckdienliche Modellversuche sowie auch für unkonventionelle Leuchtturmprojekte“, sagte der Verkehrsminister von Baden-Württemberg, Winfried Hermann (Grüne). Er hoffe jedoch, „dass der Berliner Vorschlag keine Nebelkerze zur Abwehr der angedrohten Klage der EU-Kommission vor dem europäischen Gerichtshof“ sei.

Zugleich machte Hermann deutlich, dass die Kommunen einen ÖPNV zum Nulltarif nur mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung durch den Bund anbieten könnten. Ähnlich äußerten sich auch Kommunalvertreter. Die Oberbürgermeisterin von Reutlingen, Barbara Bosch, begrüßte ein solches Vorhaben grundsätzlich. "Allerdings gilt eine Bedingung: Wer bestellt, bezahlt. Der Bund muss die Finanzierung übernehmen", so Bosch. In Reutlingen, einer der Kommunen im Südwesten, die mit zu hohen Stickstoffdioxidwerten zu kämpfen haben, hat man nach Angaben Boschs bereits Überlegungen angestellt, dass Autobesitzer eine Jahreskarte für den öffentlichen Nahverkehr erhalten können, wenn sie ihre alten Diesel-Fahrzeuge stilllegen.

Kritisch sieht der Verband deutscher Verkehrsunternehmen den Vorstoß. Bislang gibt es nach Angaben des Verbans in Deutschland keinen kostenlosen Nahverkehr. "Wir sehen das auch sehr kritisch", so eine VDV-Sprecherin. Der Verband verwies auch darauf, dass bei einem kostenlosen Angebot mit einem enormen Fahrgastzuwachs zu rechnen sei. Bereits heute sind vor allem morgens und abends in vielen Kommunen Busse und Bahnen überfüllt. Auch die Infrastruktur könnte so an ihre Grenzen stoßen. Die Städte bräuchten dirngend mehr Kapazität im Nahverkehr, sagte der Grünen-Verkehrspolitiker im Bund, Stephan Kühn. Dafür müsse in neue S-Bahn- und Stadtbahnstrecken, mehr Fahrzeuge und Personal in den Verkehrsbetrieben investiert werden. Auch der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sagte, dass ein möglicher kostenloser Nahverkehr zwar ein richtiger Schritt sei, nur müsse dazu auch "die über Jahre kaputtgesparte Infrastruktur" passen.

Für Landesverkehrsminister Winfried Hermann ist unverständlich, warum der Bund weiterhin die Einführung einer blauen Plakette verweigert. Dies sei „die einfachste und wirkungsvollste Maßnahme zur Luftreinhaltung“.


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