Die Mehrzahl der 2100 ausreisepflichtigen Afghanen wird geduldet

28.02.2017 
Von: sta/wg
 
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Stuttgart. In Baden-Württemberg gibt es nur wenige Asylbewerber aus Afghanistan, die unmittelbar vor einer Abschiebung stehen. Zwar halten sich nach Angaben des Innenministeriums in Stuttgart rund 24.000 Asylbewerber aus Afghanistan im Südwesten auf. Davon befindet sich der Großteil aber noch im Asylverfahren. Nur rund 2100 Afghanen sind ausreisepflichtig. Diese 2100 Menschen werden aber in der Regel geduldet, weil etwa fehlende Papiere oder eine Krankheit der Abschiebung entgegenstehen. Erst wenn der Duldungsgrund wegfällt, können die Menschen zurückgeschickt werden. Wie viele nun unmittelbar von einer Abschiebung bedroht sind, konnte ein Sprecher nicht sagen.

Er verwies aber darauf, dass in der vergangenen Woche vier Afghanen aus Baden-Württemberg zwangsweise zurückgebracht wurden. In zwei weiteren Fällen stoppten Gerichte die Abschiebungen. Diese insgesamt sechs Fälle seien vom Regierungspräsidium in Karlsruhe als die Fälle gemeldet worden, in denen es eine Abschiebung nach Afghanistan derzeit überhaupt für vollziehbar hielt. Insgesamt sollten mit der Maschine rund 50 abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland ausgeflogen werden. Da aber offensichtlich auch andere Bundesländer Probleme hatten, dafür geeignete Kandidaten zu finden, belief sich die Zahl der nach Kabul abgeschobenen Menschen letztlich auf 18.

1250 Klagen gegen Abschiebung von Asylbewerbern aus Afghanistan

Nach Angaben des Justizministeriums sind derzeit 1250 Klageverfahren von Asylbewerbern aus Afghanistan, die sich gegen ihre Abschiebung wenden, vor den vier Verwaltungsgerichten im Südwesten anhängig. Zudem ist eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht möglich, wenn der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten ausgeschöpft ist.

In der grün-schwarzen Landesregierung sorgt das Thema für Streit. Der Landesvorstand der Grünen droht damit, sich für einen Abschiebestopp einzusetzen, falls die Bundesregierung die Sicherheitslage in Afghanistan nicht neu bewertet. Für die CDU und Innenminister Thomas Strobl (CDU) ist ein Abschiebestopp kein Thema. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist dagegen, die Abschiebungen auszusetzen, wie es etwa Schleswig-Holstein macht. 

Strobl: Jede einzelne Abschiebung werde geprüft

Die Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan obliege dem Bund, sagen sowohl Strobl als auch Kretschmann. „Dort ist die nötige Expertise vorhanden. Das ist für uns leitend und maßgebend“, so Strobl. Darüber herrsche in der grün-schwarzen Koalition Einigkeit. Angesichts der klaren Rechtslage äußerte Strobl Unverständnis für die Haltung von Berlin und Schleswig-Holstein, keine abgelehnten Asylbewerber zurückzuschicken. Dies sei „ein klarer Rechtsbruch“. Er wies auf die Praxis in den skandinavischen Ländern hin, wo deutlich mehr Menschen abgeschoben würden.

Der Innenminister wies auch Vorwürfe zurück, sein Ministerium prüfe nicht sorgfältig die Einzelfälle. Jede einzelne Abschiebung werde vom Ministerium, vom Verwaltungsgericht, manchmal vom Verwaltungsgerichthof und sogar vom Bundesverfassungsgericht, oft von Ausschüssen und Kirchen geprüft. „Wir schauen uns jeden Einzelfall genau an“, erklärte Strobl.

Kommunen wollen in Entscheidung über Abschiebung eingebunden werden

Unterdessen fordern Städte und Kreise in Baden-Württemberg, in die Entscheidung über Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber besser eingebunden zu werden. „Wir wissen mehr über die Leute und man sollte uns fragen. Das erspart auch Niederlagen vor den Gerichten“, sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) der „Schwäbischen Zeitung“. Er würde sich grundsätzlich wünschen, dass Altfälle erst gar nicht betroffen wären. Solange aber gut integrierte Menschen abgeschoben werden sollen, müsse das Land örtlichen Vertretern Gelegenheit geben, zu den Fällen Stellung zu nehmen.

Auch der Landrat des Ostalbkreises, Klaus Pavel (CDU), sagte: „Ich nehme immer wieder wahr, dass diejenigen Menschen abgeschoben werden, die rechtschaffen und bemüht sind, sich zu integrieren. Die
anderen kriegt man scheinbar nicht.“ Das Innenministerium entgegnete, wenn die Entscheidung zur Abschiebung erst einmal rechtskräftig sei, habe das Land kein Ermessen darüber mehr, wen es abschiebe.

Innenminister Thomas Strobl wandte sich gegen die Bitte aus Kreisen und Kommunen, stärker in konkrete Abschiebefälle eingebunden zu werden, um zu verhindern, dass gut integrierte Asylbewerber das Land verlassen müssen. „Ich verstehe die Kommunen emotional, aber das wird in der Praxis nicht funktionieren“, sagte er. 

 

 


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