STUTTGART. Die Landesregierung soll mit einem Landesradverkehrsplan, der Erstellung eines Landesradwegenetzes sowie weiteren Maßnahmen daran arbeiten, den Anteil des Fahrradverkehrs im Land auf 20 Prozent zu erhöhen. Diesem Beschlussantrag von Grünen und SPD folgte der Landtag am Mittwoch mehrheitlich mit den Stimmen der Regierungsfraktionen. Übereinstimmend hatten sich zuvor in der Aussprache Vertreter aller Fraktionen für eine Stärkung von Infrastruktur- und Sicherheitsmaßnahmen zugunsten des Verkehrsmittels Fahrrad ausgesprochen.
Für die Fraktion der Grünen verwies der Abgeordnete Thomas Marwein darauf, dass es mit der Schaffung eines eigenen Haushaltstitels für den Ausbau des Fahrradverkehrs im Land und dessen Ausstattung mit 7,5 Millionen Euro für die Haushaltsjahre 2013/14 erstmals in Baden-Württemberg möglich sei, den Ausbau von Radwegen unabhängig vom Straßenbau voranzutreiben. „Was flächendeckende und leistungsfähige Radwege anbelangt, vor allem Radwege entlang von Bundes- und Landesstraßen, haben wir noch einen hohen Nachholbedarf“, sagte Marwein.
Die Grünen wollten erreichen, dass die Verbindung von Fahrrad und öffentlichem Nahverkehr eine echte Alternative im Verkehr würde und Baden-Württemberg zum Fahrradland Nummer eins in der Bundesrepublik werde. „Es bleibt aber noch viel zu tun, bis das Ziel erreicht ist, im Jahr 2020 den Anteil des Radverkehrs am Verkehrsaufkommen auf 20 Prozent zu erhöhen.“ Dazu gehöre neben dem Infrastrukturausbau und Schaffung sicherer Abstellmöglichkeiten vor allem auch die Sicherheit auf Radwegen. So etwa müsse im Winter die Räumpflicht auf Radwegen geklärt werden. „Menschen fahren Fahrrad, wenn sie sich sicher fühlen,“ sagte Marwein, „und dafür haben wir zu sorgen.“
Auch der SPD-Abgeordnete Klaus Maier forderte für seine Fraktion Unterstützung für den Beschlussantrag ein. „Es gibt dreierlei Bedarf“, so Maier, „wir brauchen eine passende Infrastruktur, eine passende Mobilitätsstruktur und eine ausreichende Finanzierung.“ Maier verwies darauf, dass nicht entlang der Straßen für neue Radwege gesorgt werden müsse. „Es mangelt an guten Verknüpfungen“, sagte Maier. Oftmals müsse man sich als Radfahrer am Ende von sehr guten Radwegen mühsam ein Weiterkommen suchen. „Wir müssen auch die Landesbauordnung so modernisieren, dass ein gutes Radwegenetz möglich wird.“ Maier lobte ebenfalls die Schaffung eines eigenen Haushaltstitels für den Fahrradverkehr und vor allem die erfolgte Senkung des Bagatellbetrags für entsprechende Anträge von 200 000 auf 50 000 Euro.
Kritik ließ der CDU-Abgeordnete Patrick Rapp anklingen. „Das hört sich so an, als ob das Fahrrad das wichtigste Verkehrsmittel ist“, sagte Rapp, der forderte, in Zeiten knapper Mittel auf Ausgewogenheit bei der Verteilung zu achten. „Sie haben Mittel umgeschichtet, die jetzt bei Personenübergängen oder Bahnübergängen fehlen“, sagte Rapp an die Adresse des Verkehrsministeriums. Zudem geben es speziell im ländlichen Raum großen Optimierungsbedarf. „Für Regionen auf der Fläche muss man sich andere Lösungen überlegen als in der Region Stuttgart oder Tübingen und Karlsruhe“, so Rapp, der den Regierungsfraktionen vorwarf, „einseitig unterwegs“ zu sein. Statt die Bevölkerung „populistisch“ aufs Rad zu zwingen, solle die Landesregierung vielmehr für mehr „Schmierstoff“ beim öffentlichen Nahverkehr sorgen.
Für die FDP verwies der Abgeordnete Jochen Haußmann auf die Verdienste der CDU-FDP-geführten Vorgängerregierung um den Fahrradverkehr im Land. Zudem hob Haußmann die Bedeutung des Fahrradtoursimus in Baden-Württemberg hervor und sprach sich für die Verbesserung der Sicherheit des Radwegenetzes aus. Haußmann forderte die Landesregierung dazu auf, sich ein Beispiel an den Firmen zu nehmen, die am „Wettbewerb fahrradfreundlicher Unternehmen“ teilnehmen. „Die Landesbehörden sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen“, sagte Haußmann.
Für die Landesregierung bekräftigte Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne) die Absicht, den Fahrradanteil an den Verkehrsstraßen von acht Prozent (Stand 2008) mindestens zu verdoppeln. „Mit geringem finanziellen Einsatz können hier große Effekte erzielt werden“, sagte Splett und verwies auf ihre Heimatsstadt Karlsruhe, wo es gelungen sei, mit relativ wenig Mitteln den Anteil von 16 Prozent im Jahr 2002 auf 25 Prozent im vergangenen Jahr zu erhöhen.„Es ist eine Herausforderung, dies auf das gesamte Land, auch auf den ländlichen Raum zu übertragen.“ Das Land setze dabei auf die drei Säulen Infrastrukturausbau, Schaffung eines positiven Klimas für den Ausbau und verstärkte Sicherheit.
„Baden-Württemberg hat großen Nachholbedarf“, so Splett. Bisher habe ein klar definiertes Radwegenetz und ein langfristig ausgerichtete Landesradverkehrsplan gefehlt. Auch die Kommunen würden künftig besser unterstützt. „Der Radwegebau war bisher immer ein Nebenprodukt des Straßenbaus. Wir ändern das“, so Splett.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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