Kretschmann will das Land verlässlich, nachhaltig und innovativ gestalten

01.06.2016 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 
Regierungserklärung
Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Staatsministerium

Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Staatsministerium

Stuttgart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann setzt mit seiner grün-schwarzen Landesregierung auf Innovation, auf die Chancen der Digitalisierung und auf den Mut der Bürger, neue Wege zu gehen. Dies sagte der Regierungschef an diesem Mittwoch im Landtag in seiner Regierungserklärung „Baden-Württemberg gestalten: Verlässlich. Nachhaltig. Innovativ.“

Um den Wohlstand hochzuhalten, setze er auf Energiewende, Naturschutz und die Konsolidierung des Haushalts. In der Bildung werde seine Regierung auf Qualität, Verlässlichkeit und individuelle Förderung setzen. Damit die Bürger im Südwesten frei und sicher leben können, werde Grün-Schwarz „entschlossen den Feinden der Demokratie“ entgegen treten und die Polizei stärken. Er wünsche sich „zivilisierten Streit auf der Basis unseres Grundgesetzes, Neugier und Tatkraft, aber auch die nötige Bereitschaft zum Kompromiss“, erklärte Kretschmann. Seine Regierung wolle ihren Beitrag leisten, „damit die besten Tage unseres Landes noch vor uns liegen“, sagte der 68-Jährige unter dem Beifall der Regierungsfraktionen von Grünen und CDU.

Eine bürgerliche Koalition

Als Chef der ersten grün-schwarzen Landesregierung in Deutschland räumte Kretschmann in seiner einstündigen Regierungserklärung ein, dass diese Koalition „nicht unser erklärtes Ziel“ gewesen ist. Man habe den Wählerauftrag jedoch „mit Demut und Respekt angenommen“. Dieses Novum passe aber so gut zu Baden-Württemberg, denn die Menschen im Südwesten seien traditionsbewusst und bodenständig sowie auch neugierig und innovativ. Der grün-schwarze Koalitionsvertrag sei ein „demokratisches Reifezeugnis“.   Grüne und CDU stünden für die gesellschaftliche Mitte Baden-Württembergs. „Wir sind also im besten Sinne eine bürgerliche Koalition“, sagte Kretschmann. Dies sei eine gute Voraussetzung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Als Schwerpunkte seiner Regierung nannte er die Themen Innovation und Digitalisierung, Nachhaltigkeit in Ökologie und Finanzpolitik, ein leistungsstarkes und gerechtes Bildungssystem, die Stärkung der sozialen und innere Sicherheit sowie die Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Als große Herausforderungen der neuen Regierung nannte der Ministerpräsident auch die Integration der Flüchtlinge, die auf Dauer in Deutschland blieben.

Verlässlichkeit und Planbarkeit in der Bildungspolitik

Im Bildungsbereich soll der Fokus auf die pädagogische Qualität gelegt werden. „In den kommenden Jahren werden wir unsere Kitas, Schulen und Hochschulen mit ruhiger Hand gestalten. Wir werden uns auf die Weiterentwicklung und Optimierung des Begonnenen konzentrieren“, kündigte Kretschmann an. Er wolle nicht gleich „von einem Schulkonsens reden“, aber die Koalitionspartner Grüne und CDU hatten sich gut verständigt und alte Strukturdebatten überwunden. Den Schülern, Eltern und Lehrern versprach er für die kommenden Jahre Verlässlichkeit und Planbarkeit. Er garantierte den Fortbestand von Gymnasien und Realschulen, den Ausbau der Ganztagesschulen sowie die Stärkung von Lesen, Schreiben und Rechnen in den Grundschulen. Die Grundschulempfehlung werde nicht wieder verbindlich. Auch Gemeinschaftsschulen könnten weiter – sogar mit Oberstufen - eingerichtet werden, vorausgesetzt es gebe die erforderliche Schülerzahl dafür. Die berufliche Bildung soll in der Fläche erhalten bleiben.

Da Freiheit ohne Sicherheit nicht denkbar sei, würde jede Form der Kriminalität konsequent bekämpft – auch durch massive Investitionen und 1500 neue Stellen bei der Polizei. Auch der Verfassungsschutz solle gestärkt werden. Um die gute Verbindung zur Polizei zu stärken, will Kretschmann einen Bürgerbeauftragten ernennen. Durch ein modernes, flächendeckendes Glasfasernetz will Baden-Württemberg die Basis für eine digitale Revolution schaffen. Schnelle und stabile Datenverbindungen seien heute noch wichtiger als gute Straßen, erklärte der Ministerpräsident.

Baden-Württemberg werde weiterhin Flüchtlingen Schutz gewähren. „Im Gegenzug erwarten wir allerdings Leistungsbereitschaft, Anstrengung und Integrationswillen“, sagte Kretschmann. Die Leitlinie laute: Integration fördern und Integration fordern. Niemand müsse sich assimilieren, aber jeder müsse sich integrieren. Mit den Kommunen werde er einen „Pakt für Integration“ schließen. Außerdem sprach sich der Regierungschef für die europäische Integration und gegen eine nationale, autoritäre und rückwärtsgewandte Politik aus.

Opposition enttäuscht von Regierungserklärung

Enttäuscht zeigte sich die Opposition von der Regierungserklärung. Obwohl die Aussprache darüber erst in einer Woche im Landtag erfolgen wird, erkannte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke darin „ein Sammelsurium an Gemeinplätzen“. Kretschmann fühle sich als Sieger der Koalitionsverhandlungen, die CDU sitze nur im Beiboot, das hätten die Ausführungen gezeigt.

„Worthülsen, Phrasen und wenig Konkretes“, hörte auch SPD-Fraktionschef Andreas Stoch in der für ihn „enttäuschenden“ Regierungserklärung. Die geniale Idee habe gefehlt. Begeisterung sehe für ihn anders als die „schweren Hände der CDU-Abgeordneten“ beim Applaudieren, konstatierte Stoch süffisant. Kretschmann habe kein einziges Mal die Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte erwähnt, auch sozialpolitisch, etwa beim bezahlbaren Wohnraum, sei seine Erklärung schwach geblieben. Der frühere Kultusminister war Kretschmann zudem „Etikettenschwindel“ vor; viele von ihm aufgeführten Punkte hätten die früheren SPD-Minister bereits erledigt.

Kretschmanns Rede sei „sehr, sehr allgemein, inhaltsleer und teilweise blumig wie der Koalitionsvertrag selbst“ gewesen, kommentierte AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen die Ausführungen. Er habe viel geredet, aber wenig gesagt und sich vor dem Koalitionspartner CDU verneigt. Kretschmanns Kritik an rechtsnationalen Parteien bezog Meuthen nicht auf seine AfD. Auch sie sei gegen Gewalt. Und der Regierungschef habe viele Ziele vertreten, „die wir mittragen könnten“.


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