Pforzheim. Zu einem machtvollen Signal der Geschlossenheit und Entschlossenheit im Hinblick auf die Landtagswahl 2016 geriet der Landesparteitag der Grünen an diesem Samstag in Pforzheim. Mit 96,8 Prozent der Stimmen wählten die Delegierten erwartungsgemäß Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der als einziger Kandidat angetreten war, zum grünen Spitzenkandidaten für 2016. Zuvor hatten die Partei den 67-jährigen Kretschmann nach dessen knapp einstündiger Bewerbungsrede mit minutenlangem Jubel und Beifall gefeiert.
Kretschmann hatte den Umgang mit der aktuellen Flüchtlingssituation ins Zentrum seiner zwar selbstbewussten, aber immer wieder nachdenklichen und reflektierenden Rede gesetzt, die sich zentral um den Begriff „Verantwortung“ drehte und damit das Parteitagsmotto „Grün aus Verantwortung“ aufnahm. Keinen Zweifel ließ Kretschmann dabei daran, dass sowohl Grüne als auch das Land Baden-Württemberg unter grün-roter Regierung eine klare Position in Sachen Flüchtlingen haben: „Am Grundrecht für Asyl wird nicht gerüttelt“, sagte Kretschmann unter dem großen Beifall der Delegierten. In dieser Frage seien Werte und Grundüberzeugungen wichtiger als Programme. Kretschmann verglich die Herausforderungen bei der Bewältigung der Flüchtlingszustroms mit den Anstrengungen bei der deutschen Einheit.
„Die Herausforderung ist gewaltig und führt uns immer wieder an unsere Grenzen“, so Kretschmann. „Aber das starke Deutschland und das noch stärkere Baden-Württemberg werden nicht vor dieser Aufgabe kapitulieren.“
Zugleich räumte Kretschmann ein, dass die Politik frühzeitige Regelungen versäumt habe. „Länder und Kommunen sind die letzten in dieser Kette der Versäumnisse, und die letzten beißen die Hunde“, so der Grünen-Politiker. „Wir sehen das an der Situation in den Unterkünften, die teilweise sehr dramatisch ist. Wir fahren derzeit auf Sicht, aber das heißt nicht, dass wir im Nebel stochern“, sagte Kretschmann. „Wir haben einen klaren Kompass, und die Nadel zeigt auf das Asylrecht und die Genfer Konvention.“
Kretschmann lobte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) führ ihr klares Bekenntnis zur Aufnahme der Flüchtlinge und warnte davor, den Balkan von Europa abzuhängen. Von den Menschen, die hier Aufnahme verlangen, forderte Kretschmann aber auch, sich an geltende Gesetze zu halten und eigene Anstrengungen zu ihrer Integration zu unternehmen. „Es ist unsere größte und wichtigste Aufgabe, diesen Menschen auf Dauer ein anständiges Dach über den Kopf zu geben“, so Kretschmann, der sich in diesem Zusammenhang auch zur aktuellen Diskussion um das Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum äußerte: „Wenn man das Zweckentfremdungsverbot anwendet, ist es kein Angriff auf das Eigentum. Da hilft ein Blick ins Grundgesetz“, so Kretschmann. „Ich kann mir echt schlimmere Eingriffe ins Eigentum vorstellen, als zu sagen: Jetzt vermietet mal bitte eure leer stehenden Wohnungen und verdient damit Geld.“
Nach der deutlichen Positionierung bei der Flüchtlingsproblematik unternahm Kretschmann zudem eine Tour d'Horizon durch die viereinhalb zurückliegenden Regierungsjahre und die von den Grünen auf den Weg gebrachten Projekte und erreichten Ziele. Als wichtigste Neuerung neben den programmatischen Themen - Energiewende, nachhaltige Mobilität, Bildung, Wirtschaft oder Wissenschaft - bezeichnete Kretschmann einen neuen Politikstil in Baden-Württemberg. „Wir machen nicht nur andere Politik, sondern wir machen auch anders Politik“, sagte er und nannte direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung als Meilensteine.
Der Ministerpräsident lobte zudem neben der Zusammenarbeit mit der grünen Landtags-Fraktion und der Arbeit der grünen Minister auch die SPD und deren Minister als Regierungspartner sowie seinen Stellvertreter als Ministerpräsident, Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD). „Alles, was wir erreicht haben, konnten wir nur mit der SPD erreichen“, so Kretschmann, der sich für eine Fortsetzung dieser Regierungskoalition aussprach.
Mit minutenlangem Applaus feierten die Delegierten, die Kretschmanns Rede mehrmals durch lauten Beifall unterbrochen hatten, anschließend ihren alten und neuen Spitzenmann, dem sie ein Traumergebnis von 96,8 Prozent Zustimmung mit auf den Weg in die kommende Landtagswahl gaben. Am Ende bekam der 67-Jährige auch noch eine ganz besonderen Zuneigungsäußerung: „Jedes Mal, wenn ich eine seiner Reden höre, verliebe ich mich aufs Neue“, sagte seine Ehefrau Gerlinde.
Bei den anschließenden Landesvorstandwahlen wurde die grüne Doppelspitze mit den Landesvorsitzenden Thekla Walker (87,3 Prozent) und Oliver Hildebrand (92,6 Prozent) im Amt bestätigt.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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