Landesparteitag der SPD: Breymaier will Partei neu aufstellen

17.11.2017 
Redaktion
 
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Donaueschingen. Nach den Wahlniederlagen in Land und Bund nimmt sich die SPD ein Jahr Zeit, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Alle müssten sich „ehrlich machen“, sagte die Landesvorsitzende Leni Breymaier beim Landesparteitag am Samstag in Donaueschingen. Breymaier plant eine Strukturreform. Im November 2018 sollen die Änderungen beschlossen werden. In ihren Wahlanalysen kritisierten Breymaier und der schleswig-holsteinische Parteichef Ralf Stegner die Agenda-Politik von Gerhard Schröder.

Das erste Strukturproblem für Breymaier: In vielen Regionen im Land sei die Partei kaum mehr präsent. Mancherorts habe der Kandidat mit Frau und Kind allein den Bundestagswahlkampf organisiert. Mancherorts würde keine Jubilare mehr geehrt. Bei 16 Sozialdemokraten im Bundestag und 19 im Landtag sei das Land in der Fläche kaum noch abzudecken.

„In Zement gegossene“ Kandidatenlisten

Ein anderes Problem sei die „in Zement gegossenen“ Kandidatenlisten für die Bundestagswahl. Bislang, so Breymaier, ist es nicht nur tabu, gegen einen Bundestagsabgeordneten zu kandidieren. Badener würden nicht gegen Badener kandidieren, jeder Listenplatz werde vorab einem Regierungsbezirk versprochen. Beim vergangenen Listenparteitag habe sie in viele frustrierte Gesichter gesehen: „Ab morgens entgleitet der Hälfte die Gesichtszüge.“ In Zukunft soll das anders sein, wenn es nach Breymaier geht.

Bei den Problemen drei und vier geht es um das Verhältnis zu anderen Parteien: Von den Grünen müsse man sich stärker abgrenzen und darauf verweisen, dass dort, wo Grüne regierten, soziale Angebote gestrichen würden. Und was die AfD angehe, dürfe man nicht nur über, sondern vor allem mit den Wählern reden. „Wir haben uns einer Sprache zu befleißigen, die jeder versteht. Das wünsche ich mir von meiner SPD.“ Und man müsse die Ängste der Menschen ernst nehmen. Dass die SPD nicht nur Kümmerer, sondern auch Könner in ihren Reihen habe, das trauten ihr 80 Prozent der Bürger nicht mehr zu.

Landesgeschäftsführerin Luisa Boos hat ein mehrstufiges Verfahren erarbeitet. Zunächst geht es um eine Bestandsaufnahme, genannt Inventur. Bei einer Open-Space-Veranstaltung am 27. Januar – die Parteispitze trifft sich mit der Basis im Internet – werden Arbeitsgruppen eingesetzt, die bis Juni Vorschläge erarbeiten, die anschließend in den Orts- und Kreisverbänden diskutiert werden. Ende September begibt sich der Landesvorstand in Klausur und erarbeitet Anträge, die auf dem Landesparteitag beraten und beschlossen werden.

In ihrer Rede ging Breymaier auch auf die Gründe der Wahlniederlage am 24. September ein. Sie habe zeitweise befürchtet, in Baden-Württemberg nicht einmal den zweiten Platz zu halten. Der Tiefpunkt sei für die SPD möglicherweise noch nicht erreicht, nachdem es seit 2005 im Land stets bergab gegangen sei. „Wir haben gekämpft wie die Löwen“, sagte Breymaier; sie möchte nicht wissen, wie die Wahl ausgegangen wäre, wenn die SPD keinen „Turbowahlkampf“ gemacht hätte.

Demokratie „ein Stück weit anfassbarer“ machen

Ein Problem der SPD sei und bleibe die Wahlbeteiligung. „Wir machen Politik für Menschen, die anschließend nicht zur Wahl gehen“, sagte die Parteivorsitzende. Die Beteiligung könnte zum Beispiel erhöht werden, wenn jeder, der zur Wahl geht, gleichzeitig an einer Lotterie teilnehme – und der Sieger ein Projekt seiner Wahl umsetzen dürfe. So werde Demokratie „ein Stück weit anfassbarer“.

Freilich: Neu erfinden müsse sich die Sozialdemokratie nicht. Dieser Auffassung teilt Breymaier mit einem SPD-Linken, dem schleswig-holsteinische Parteivorsitzenden und Gastredner Ralf Stegner. Beide Landesparteichefs zitierten in Donaueschingen Willy Brandt. Helmut Schmidt wurde nicht erwähnt, Gerhard Schröder nur indirekt - durch Kritik an dessen Agenda 2010.

Für Stegner sind Trudeau, Sanders, Corbyn und - was das Thema Europa angeht - Macron Vorbilder, denen die SPD nacheifern soll. Die SPD sei „die Wohlstands- und Friedenspartei". Er rief die Genossen dazu auf, stolz auf sich zu sein: „Wir loben uns zu wenig."

 

 

 


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