Stuttgart. Eine wichtige Aufgabe für die grün-rote Koalition ist die Sanierung des Landeshaushalt. Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann spricht im Interview über Sparrunden, Beamte und Schulschließungen. Den ersten Teil des Interviews lesen Sie an diesem Freitag in der Print-Ausgabe des Staatsanzeigers.
Staatsanzeiger: In den vergangenen Jahren gab es bereits einige Sparrunden in den Ministerien. Sie haben vor allem die kleineren Ministerien, wie etwa Umwelt- oder Landwirtschaft getroffen. Doch gerade hier werden die Spielräume immer geringer, weil viele Aufgaben in diesen Ministerien auf EU-Vorgaben beruhen, also nicht einfach wegfallen können. Geht da noch was in punkto Sparen?
Edith Sitzmann: Man muss natürlich gerade bei den Ministerien, die Sie jetzt gerade angesprochen haben, sehen, dass es dort viele Vorgaben gibt, die umgesetzt werden müssen, zum Beispiel was Naturschutz, Artenschutz oder Gewässerschutz betrifft. Und da muss man prüfen, wo geht noch was oder wo sind wir etwa durch Vorschriften gezwungen, Aufgaben zu erfüllen. Pflichtaufgaben müssen wir als Land selbstverständlich wahrnehmen. Und für uns als Grüne ist der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ganz wichtig – und da gehören diese Bereiche mit dazu.
Das bedeutet?
Wir stehen beispielsweise vor einer Energiewende. Die ist eine Herausforderung, und kein Selbstläufer. Da müssen wir selbst Entwicklungen anstoßen, zum Beispiel wie man Energie und Ressourcensparsamer einsetzen kann. Dafür haben wir im letzten Haushalt Mittel eingestellt. Wir können da mit relativ geringem Aufwand viel erreichen. Andere Projekte können etwa über Fördergelder der L-Bank unterstützt oder über Gebühren finanziert werden. Wobei wir fragen müssen, was sind Aufgaben, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler übernehmen müssen und bei welchen Ausgaben müssen wir nach dem Verursacherprinzip gehen.
Beim Thema Sparen müssen auch die großen Ausgabenbereiche angesehen werden. Dazu gehören beispielsweise die Bildung mit den Lehrerstellen oder auch die Polizei. Diese Bereiche galten in der Vergangenheit häufig als Tabuzonen. Sie machen jedoch einen großen Teil der Haushaltsausgaben aus. Bei 2,5 Milliarden Euro, die bis 2020 strukturell eingespart werden müssen, können sie nicht außen vor bleiben. Ministerpräsident Kretschmann hat bereits gesagt, dass es bei kleinen Schulen auch zu Schließungen kommen wird. Wo liegt für Sie die kritische Größe?
Es ist ja so, dass wir im Bereich des Kultusministeriums eine so genannte demografische Rendite haben. Wir haben seit 2003 rückläufige Schülerzahlen und auf der anderen Seite immer noch die gleiche Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern, beziehungsweise sogar noch 6000 Lehrerstellen mehr. Und wir haben 2012 rund 3000 Lehrerstellen, die aufgrund dieser demografischen Rendite hätten wegfallen können, beibehalten. Wir planen jetzt, die Lehrerzahlen an die rückläufigen Schülerzahlen ein Stück weit anzupassen. Schon die ehemalige Landesregierung hatte ja 8055 Lehrerstellen als wegfallend eingeplant. Auch die Qualitätsoffensive mit 3500 Lehrerstellen ist bloß bis Ende dieses Jahres finanziert. Diese Stellen muss man aber beibehalten, wenn man nicht den Klassenteiler wieder erhöhen will, was wir nicht wollen.
Aber man wird mit Sicherheit nicht jede Schule halten können.
Es stellt sich die Frage, wo man in der Bildung Effizienzen erzielen kann. Auf der einen Seite hilft eine bessere Steuerung der vorhandenen Mittel. Im Kultusetat sind knapp neun Milliarden, das sind 25 Prozent des Landeshaushalts. Und die müssen wir möglichst zielgenau einsetzen. Hinzu kommt, dass wir durch die rückläufigen Schülerzahlen auch zunehmend kleine Schulen haben. Und da gehen wir jetzt an eine regionale Schulentwicklungsplanung. Wir werden auf unserer Fraktionsklausur nach der Sommerpause auch darüber diskutieren. Was die Mindestgröße für weiterführende Schulen betrifft, so können wir uns 40 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang vorstellen. Damit wäre eine Schule zweizügig. Größere Schuleinheiten bieten auch für Schüler größere Wahlmöglichkeiten. Wir wollen zusammen mit den Regionen dafür sorgen, dass es im ganzen Land eine gute Bildungsversorgung gibt.
Bis wann sollen die Ergebnisse vorliegen?
Aus unserer Sicht sollte das möglichst schnell gehen. Wir wollen im September dazu Beschlüsse fassen. Auch das Kultusministerium ist an der regionalen Schulentwicklungsplanung bereits dran. Und ich hoffe, dass wir da so bald als möglich vorankommen werden. Wir steigen ja nicht bei Null ein. Die staatlichen Schulämter machen vor Ort ja schon Schulentwicklungsplanung. Aber es gibt noch keine klaren Rahmenbedingungen.
Andererseits hat man sich gerade in der Bildung viel vorgenommen. Im ersten Jahre wurden die Gemeinschaftsschulen, G9-Projekte und auch höhere Zuschüsse für den Kita-Ausbau auf den Weg gebracht. Ist das alles finanziell abgedeckt?
Ganz wichtig war der Pakt mit den Kommunen. Das ist eine Win-Win-Situation für alle. Die Finanzierung haben wir über die Erhöhung der Grunderwerbssteuer sicher gestellt. Man hat dabei auch gesehen, dass sonst nicht beliebte Steuererhöhungen mit einer klaren Verteilung der Mittel, auf eine recht große Akzeptanz stoßen. Zugleich haben wir 3000 Lehrerstellen, die aufgrund des demografischen Wandels hätten wegfallen können, bewusst im System gelassen und den Schulen und Schulträgern ermöglicht, Gemeinschaftsschulen zu gründen.
Ein wieder und wieder diskutiertes Thema ist der Zustand der Straßen. Die SPD hatte noch zu Oppositionszeiten die schlechtesten Straßen im Land gesucht. Wie wollen Sie – gerade in Zeiten knapper Kassen – nun mit der Sanierung der Landesstraßen verfahren?
Tatsache ist, dass Grün-Rot im Haushalt nicht nur keine neuen Schulden gemacht hat, sondern dass wir sogar Schulden abgebaut haben - im Hinblick auf den Sanierungsstau. Wir haben eine Rücklage von 560 Millionen im Jahr 2011 gebildet um damit eben die Sanierung landeseigener Gebäude aber auch von Straßen und Schienen voranzubringen. Uns ist der Erhalt von Infrastruktur ein wichtiges Anliegen. Und da sind in den vergangenen zwei Jahren jeweils 50 Millionen mehr für die Sanierung von Straßen zur Verfügung gestellt worden. Und wir werden jetzt auch für den anstehenden Doppelhaushalt noch mal Mittel zur Verfügung stellen. Denn Straßeninfrastruktur gehört auch zum Vermögen des Landes. Das ist auf der einen Seite eine Frage der Sicherheit, und auf der anderen Seite gilt, je mehr Straßen verfallen, desto teurer wird es, sie zu sanieren. Die ehemalige Landesregierung ist jahrelang durch das Land gezogen und hat allen versprochen, sie würden eine neue Straße bekommen. Deshalb haben wir gesagt, man muss nun erstmal begonnene Projekte fertig bauen. Zum anderen haben wir eine Priorisierung vorgenommen. Nach objektiven Kriterien: Kosten –Nutzen, welche Funktion hat eine Straße im Netz, was bringt sie an Sicherheit, an Lärmschutz und so weiter. Es stößt auf positive Resonanz, dass wir transparent priorisiert haben.
Wie sieht es mit weiteren Einsparungen bei Beamten aus? Der Vorsitzende des Beamtenbunds im Land, Volker Stich scheint mit den Grünen da ja nicht so einig zu sein.
Wir sind auf fähige und fitte Beamte angewiesen. Denn die Verwaltung setzt die Politik um. Wenn wir keine guten und motivierten Leute haben, fehlt ein wichtiger Baustein. Insofern schätzen wir hoch ein, was die Beamten und auch die Angestellten im öffentlichen Dienst leisten. Wir hatten für die Haushaltberatungen 2012 jetzt ein paar Einsparvorschläge. Der Hauptteil davon war die zeitliche Verschiebung der Besoldungserhöhung. Das haben wir auch sozial gestaffelt. Bei niedrigen Besoldungsgruppen war es eine Verschiebung um zwei Monate, bei höheren mehr. Ich glaube, dass das mit Augenmaß war und dass es verkraftbar ist. Wir streben auch für künftige Haushaltsberatungen an, dass wir einen Pakt mit den Vertretern der Beschäftigten hinbekommen, in dem festgelegt ist, wie wir bis 2016 verfahren können und welchen Beitrag die Beamtenschaft leisten kann. Die Personalkosten machen nun mal mehr als 40 Prozent des Landeshaushalts aus. Wir haben hier jährliche Steigerungsraten von ungefähr jeweils einer halben Milliarde. Zuletzt waren es 650 Millionen Euro inklusive Steigerungen bei den Pensionen. Und insofern geht es eigentlich nicht um Einsparungen, sondern darum, wie man den Anstieg abflachen kann. Und da können wir einfach nur um das Verständnis der Beamtenschaft werben. Auch wenn wir natürlich wissen, dass das nicht populär ist.
Grün-Rot ist mit einer Politik des Gehörtwerdens angetreten. Gehört werden ist das eine, wer wird erhört?
Das kann man nicht pauschal sagen. Auf jeden Fall ist es so, dass wir die Politik, die wir machen, zur Diskussion stellen. Etwa als die Wissenschaftsministerin den Gesetzentwurf zur verfassten Studierendenschaft online gestellt hat und man vier Wochen lang, seine Meinung und Anregungen dazu abgeben konnte. Die Beiträge wurden geprüft und teilweise in das Gesetz übernommen. Der Umweltminister hat im Zusammenhang mit der Änderung des Landesplanungsgesetzes viele Gespräche geführt hat und war bei Regionalkonferenzen im ganzen Land unterwegs war. Uns geht es darum, zu informieren und die unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen kennenzulernen. Und diese fließen ins Verfahren ein. Aber es kann selbstverständlich bei unterschiedlichen Sichtweisen nicht sein, dass jede Position eins zu eins übernommen wird. Unsere Aufgabe ist der Blick auf das Ganze und der Versuch unterschiedliche Interessen auszutarieren. Das ist uns bislang gut gelungen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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