Experten uneins über Einsatz von synthetischen Kraftstoffen

27.01.2020 
Redaktion
 
Synthetisch erzeugter Kraftstoff. Foto: dpa/Marijan Murat

Stuttgart. Wo können synthetische Kraftstoffe, auch reFuels genannt, am effizientesten und wirksamsten eingesetzt werden? Dieser Frage gehen die Grünen im Landtag derzeit nach. Auftakt dafür war ein Fachgespräch. Fraktionschef Andreas Schwarz machte zu Beginn bereits klar: „Wer ja sagt zu Batterie, Brennstoffzelle und reFuels, muss auch ja sagen zu erneuerbaren Energien.“ Er sprach damit den notwendigen verstärkten Ausbau bei Wind- und Sonnenenergie an. Denn keine der neuen Techniken ist umweltfreundlich oder reduziert die Kohlendioxidemissionen deutlich, wenn nicht auch der dafür benötigte Strom aus erneuerbaren Energien stammt.

Und der Handlungsdruck ist groß, wie Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Verkehrsministerium, deutlich machte. Denn im Verkehr ist es trotz aller Effizienzsteigerungen bislang nicht gelungen, die CO2-Emissionen zu senken. Im Gegenteil, sie sind seit 1990 durch immer größere Autos mit höherer Leistung sogar gestiegen. Allein in Baden-Württemberg um 13 Prozent. Und nun sollen sie innerhalb der nächsten zehn Jahre verglichen mit 1990 um 40 bis 42 Prozent gesenkt werden, so die Vorgaben des Bundes, die auf Zusagen gegenüber der EU und dem Pariser Klimaschutzabkommen beruhen. Bis zum Jahr 2050 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden. Lahl hält synthetische Kraftstoffe vor allem im Luft- und Schiffsverkehr für notwendig.

Verschiedene Lösungen für Mobilität der Zukunft

Das Verkehrsministerium hat unterschiedliche Szenarien durchgespielt, wie die Emissionssenkung im Verkehrsbereich bis 2030 erreicht werden kann. Das Ergebnis: Es ist nicht zu schaffen, ohne die Hauptemissionsquelle, den Kraftstoff in den Blick zu nehmen. Denn selbst wenn bis 2030 rund 10 Millionen Elektro-PKW auf den Straßen fahren sollten, steht dem gegenüber nach wie vor die fast fünffache Menge an Fahrzeugen mit fossilem Antrieb.

 Bei synthetischem Kraftstoff wird Öl als Grundlage ersetzt. Um den CO2-Ausstoss zu reduzieren sollten synthetische Kraftstoffe vor allem aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Grundlage für reFuels ist deshalb Strom aus erneuerbaren Energien. Über Elektrolyse wird daraus Wasserstoff hergestellt. Mit chemischen Verfahren werden dann flüssige synthetische Kraftstoffe gewonnen.

Für Thomas Koch, Professor am Karlsruher Institut für Technologie und Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen, ist der Verbrennungsmotor langfristig überall dort gefragt, wo hohe Leistungen oder große Reichweiten benötigt werden, aber auch dort, wo keine elektrische Energie zur Verfügung steht. Außerdem sieht er auch in 10 Jahren noch einen hohen Anteil an Verbrennungsmotoren in der Bestandsflotte. Auch hier müssten Lösungen geschaffen werden. „Wir brauchen den Beitrag der reFuels“, so Koch. Es gebe nicht eine Lösung, sondern verschiedene für die Mobilität der Zukunft. Es wäre fatal, ausschließlich auf E-Mobilität zu setzen.

Gefahr, dass Deutschland Vorsprung bei Verbrennungsmotor verliert

Er sieht zudem die Gefahr, dass Deutschland seinen Vorsprung im Bereich des Verbrennungsmotors verlieren könnte. Denn in China und Japan etwa werde genau in diesem Bereich ebenfalls geforscht. Beide Länder setzten auch künftig noch neben Hybrid-Fahrzeugen, Brennstoffzelle und Elektromobilität auf den Verbrennungsmotor. Mit Verbrennungsmotoren in Kombination mit regenerativen Kraftstoffen wäre Deutschland zudem deutlich unabhängiger von der Erdöllieferanten der OPEC als heute.

Kerstin Meyer, Projektleiterin Personenverkehr von Agora Verkehrswende in Berlin, hingegen sieht strombasierte synthetische Kraftstoffe als Ergänzung zu direkt genutztem Strom in Elektrofahrzeugen. Sie seien jedoch keine Alternative. reFuels sieht sie im Verkehr vor allem im Luft- und Seeverkehr. Ein Grund dafür ist die schlechtere Effizienz. Während in einer Batterie etwa 69 Prozent des Stroms ankämen, seien es bei einer Brennstoffzelle nur noch 26 Prozent und bei einem Verbrennungsmotor mit Flüssigkraftstoff auf Basis erneuerbarer Energien 13 Prozent.

Strom muss zusätzlich erzeugt werden

Zudem machte Meyer deutlich, dass der erneuerbare Strom für den Verkehrssektor zusätzlich erzeugt werden muss. Denn das Ziel 65 Prozent erneuerbarer Strom bis 2030 der Bundesregierung hat bislang die Elektrifizierung von Industrie, Verkehr oder Wärmesektor noch gar nicht im Blick.

Peter Kasten vom Öko-Institut in Freiburg rechnet vor, dass rund 6000 Windkraftanlagen, etwa an guten Standorten in Marokko, notwendig wären, um sechs bis acht Prozent des Autoverkehrs auf reFuels umzustellen. Für 30 Prozent seien rund 30 000 Windkrafträder zusätzlich notwendig. Denn dass der zusätzlich notwendige Strom nicht allein in Deutschland, sondern zu einem großen Teil im Ausland erzeugt werden muss, darüber waren sich die Experten beim Fachgespräch der Grünen einig. Für eine effiziente Nutzung von Strom, sollte dieser stets wo möglich direkt genutzt werden, so Kasten. Nur wo das nicht möglich sei, müssten andere Wege wie etwa die synthetischen Kraftstoffe genutzt werden.

Thomas Hentschel, Sprecher für E-Mobilität der Grünen-Landtagsfraktion, zieht ein erstes Fazit: Klar sei, dass synthetische Kraftstoffe notwendig seien. Allerdings sieht er noch nicht, dass diese schnell in großem Umfang auf dem Markt sein werden. Doch die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen müssten schnell geschaffen werden. Auch spricht er das Thema der Konkurrenz an: Wo soll der synthetische Kraftstoff eingesetzt werden, wenn in den kommenden Jahren maximal bis zu sieben Prozent des Gesamtkraftstoffverbrauchs damit gedekct werden können? In den kommenden zwei Monaten will er nun ein Papier entwickeln mit Leitlinien für die Erforschung der E-Fuels und wie diese zur Marktreife gebracht werden können. Nach Diskussion mit Landtags- und Bundestagsfraktion will er das Gespräch dazu mit Ministerien, Industrie und Umweltverbänden suchen.

Mehr zu synthetischen Kraftstoffen und deren Bedeutung für die Wirtschaft lesen Sie an diesem Freitag im Staatsanzeiger.


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