Der digitale Graben wird größer

22.11.2010 
Redaktion
 

Karlsruhe. Der Protest gegen Stuttgart 21 hat es gezeigt: Moderne Kommunikationsmedien verändern die Gesellschaft. Der massenhafte Widerstand gegen den Polizeieinsatz am 30. September in in Stuttgart wäre ohne sie kaum möglich gewesen. Politiker müssen sich darauf einstellen, dass ihre Deutungshoheit durch moderne Kommunikationswege wie Web 2.0 infragegestellt wird. Dies wurde  beim Demokratiekongress 2010 der Konrad-Adenauer-Stiftung am Freitag im Landesmedienzentrum Karlsruhe deutlich.

In einem Punkt waren sich Befürworter und Skeptiker in Karlsruhe einig: Die feste Verankerung und noch stärkere Einbindung sozialer Netzwerke ins Leben der Menschen führt zu einer noch tieferen Spaltung der Gesellschaft: Der digitale Graben wird größer. Zwischen denjenigen, die Zugang haben, damit umgehen können und soziale Netzwerke nutzen – und den anderen.

 „Ich habe heute nicht mehr die Autorität, ob etwas stattfindet oder nicht, ich muss das ganze sortieren.“ So sieht der Arbeitsalltag von Felix Neubüser aus. Der Redaktionsleiter einer Karlsruher Online-Zeitung ist weniger Journalist denn Moderator. Moderieren muss er vor allem Leser, die im Leserforum bisweilen über die Stränge schlagen und sich verbal austoben. Den neuen Umgang mit dem Leser hat er als Online-Redakteur akzeptiert: „Beim Web 2.0 stellt sich nicht die Frage, ob ich das will oder nicht. Der Journalismus wird verlieren, wenn er sich dem verweigert.“

Der Landrat des Zollernalbkreises, Günther-Martin Pauli (CDU), als Landtagsabgeordneter gleichzeitig medienpolitischer Sprecher seiner Fraktion, setzt auf die persönliche Begegnung. „Auf lokaler Ebene wollen die Menschen zurückfragen können, das persönliche Erleben ist da immer noch die Nummer eins“. Das Web 2.0 zeichne sich noch eher durch Wildwuchs aus. „Da besteht noch nicht allzu viel Kultur

Redakteur Neubüser bestätigt den Wildwuchs: Bei den Kommentaren im Leserforum „ist auch viel Unkraut dabei“. Würden jene gelöscht, die beleidigend seien und damit einen Straftatbestand erfüllten, setze er sich sofort dem Zensurvorwurf aus. Noch schlimmer wäre für ihn aber, wenn Meinungen existierten, die nicht geschrieben werden. Allerdings beförderten soziale Netzwerke extreme Meinungsäußerungen, weil die Nutzer in vielen Fällen anonym bleiben könnten.

Großes Defizit bei der Medienkompetenz

Ekkehard Fulda, Geschäftsführer des Karlsruher Forums für Kultur, Recht und Technik, gehört zur Optimisten-Fraktion. „Es kommt etwas Neues hinzu“, sagt er und stellt die Frage, ob die Gesellschaft mit den sozialen Netzwerken auf dem Weg zu einer neuen Schriftkultur sei. Klar ist aber für ihn ebenso: Das rasante Tempo, mit dem sich soziale Netzwerke ausbreiteten, führe zu einer Beschleunigung derjenigen, die ohnehin bereits im Internet aktiv seien. Bei der Medienkompetenz gebe es das größte Defizit in diesem Land. „Da müssen Ressourcen locker gemacht werden“. Erst dieses würde seiner Ansicht nach zu mehr Fairness in der Gesellschaft führen.

Der Stuttgarter Philosoph und Physiker Sandro Gayken sieht mit Blick auf die Technikgeschichte der vergangenen Jahrhunderte gelassen auf den „Hype“, der gegenwärtig um die Web 2.0-Gesellschaft gemacht wird. „Es gibt es eine erste Phase, in der solche neuen Entwicklungen euphorisch angenommen werden“, weiß er, „es gibt dann aber auch einen soliden Abfall.“ In einer zweiten Phase zeigten sich dann auch die Nebenwirkungen und viele Leute seien „einfach genervt davon“. Gayken warnt davor, soziale Netzwerke als bloße „technische Entwicklung“ abzutun.

Zusätzlich verbinde sich damit nämlich auch die politische Utopie der Netzgemeinde, die politische Kultur zu verändern. Das sei Unsinn. Vielmehr passe sich die politische Kultur in unterschiedlichen Ländern den Gegebenheiten an. Als Beispiel wählt er China: Dort würden das Internet zensiert und die sozialen Netzwerke gesperrt, „weil es zuvor auch schon Zensur gegeben hat“. Zudem sei es ein Irrglaube zu denken, in sozialen Netzwerken seien alle frei, gleich und jeder könne daran teilnehmen. Vielmehr gelte die Maxime: „Der stärkere gewinnt und zwar der, der am besten technisch ausgestattet ist“.


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