MANNHEIM. Das Prunkschlafzimmer von Kurfürst Carl-Philipp im Mannheimer Schloss lässt sich virtuell erfahren. Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie des Landes haben die Staatlichen Schlösser und Gärten (SSG) sich zum Ziel gesetzt, Monumente über 3-D-Modelle erlebbar zu machen. Über die Erfahrungen und Vorteile dieser virtuellen Rekonstruktion spricht der Leiter der SSG Michael Hörrmann.
Staatsanzeiger: Für die Virtuelle Rekonstruktion des Prachtschlafzimmers mussten sicher einige Vorarbeiten geleistet werden.
Michael Hörrmann: Der erste Schritt war in Mannheim, dass wir alle Archivfetzelchen, die es zum Mannheimer Schloss und zu diesem Prunkschlafzimmer gab, ausgewertet haben. Da kommt man dann, wenn man das sehr sorgfältig macht, auf interessante Entdeckungen. Zum Beispiel, dass in einem Inventar, in einer Auflistung sämtlicher Einrichtungsgegenstände und Möbel, die aus dem Jahr 1777 stammt und die dreißig Jahre nach dem Umbau des Schlafzimmers erstellt wurde, sich eine Notiz findet: „Die grünen Vorhänge im Konferenzzimmer stammen ursprünglich aus dem Schlafzimmer“. Und plötzlich wissen Sie, die Farbe der Vorhänge war grün, Sie können dann sogar den Wert der grünen Farbe nachvollziehen, und wenn Sie wissen, welche Farbigkeit die Vorhänge haben dann wissen Sie auch, welche Farbigkeit die Wandbehänge und damit die Stoffbezüge der Sessel haben, weil ein barocker Raum, das ist nun ein gesicherter Analogieschluss, immer mit einer einheitlichen Farbe konstruiert ist. Die Wandbespannung gibt die Farbe für die Möbelbezüge vor.
Wie komme ich von diesem Detailbefund zur Raumrekonstruktion?
Für einem anderen Raum hatten wir etwa die Angaben: Es gab drei große Gobelins, es gab einen Baldachin, unter dem der Thronsessel stand, und Sie wissen, dass der Raum drei Türen und vier Fenster hatte. Mit dem 3-D-Modell können Sie nun historisch valide Inneneinrichter spielen, indem Sie schauen, wie bekomme ich denn diese Mengen überhaupt unter. Am Anfang haben wir gedacht, das gibt’s doch nicht, wir kriegen die Tapisserien gar nicht an die Wände, aber es funktioniert, wenn alle Informationen zusammengeführt werden. Da spielen auch Fotografien eine Rolle. Im Zweiten Weltkrieg gegen 1943/44 wurden unheimlich viele historische Räume - teilweise Farbfotografisch - aufgenommen, weil man schon ahnte, dass sie zerstört werden könnten. Das Mannheimer Schloss war ja bereits vor dem Ersten Weltkrieg, aber dann direkt nach dem Ersten Weltkrieg schon stark durchmusealisiert, als Museumsschloss oder Schlossmuseum. Fotografien sind also da, aber nicht verzerrungsfrei, nicht vollständig und natürlich fehlt immer das, was sie eigentlich brauchen.
Man kann ein ganz neues Besucherpotenzial erschließen und die Denkmale ganz anders präsentieren – und andere in den Mittelpunkt rücken?
Ich möchte den Bogen mal ganz weit spannen, dann erkennt man einen weiteren Vorteil und welche Möglichkeiten VR hat, auch wenn man momentan nicht daran denkt. Wir werden zunehmend in eine Diskussion kommen, ob der Tourismus in seiner heutigen Form für die Erde überhaupt noch erträglich ist. Insbesondere der transkontinentale Tourismus. Der CO2-Fußabdruck, den der interessierte Kulturtourist hinterlässt, wenn er mal schnell auf den anderen Kontinent jettet, ist einfach wahnsinnig. Der Hunger nach kulturellem Erbe ist aber ungeheuer, weltweit. Warum dem Interessierten das Monument mithilfe der virtuellen Rekonstruktion also nicht am Ort anbieten? Warum müssen Besucher aus China kommen, wenn ich dieses vielleicht auch virtuell vermitteln kann? Es gibt erste Überlegungen, da auch mit kostenpflichtigen Modellen zu arbeiten, es gibt da noch ungeheure Möglichkeiten.
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Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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