Handlungsempfehlungen zu Aus- und Weiterbildung zugestimmt

15.12.2010 
Redaktion
 
Landtagsdebatte
Opposition fordert Rechtsanspruch auf berufliche Bildung

Stuttgart. Die Parlamentarier im Landtag haben den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ am Mittwoch einstimmig zugestimmt. Zu 90 Prozent stimmten die Kommissionsmitglieder bei der Erstellung der Empfehlungenüberein. Der Opposition fehlt jedoch vor allem eines: ein Rechtsanspruch auf berufliche Bildung.

Als der Landtag im Oktober 2009 die Enquete-Kommission einsetzte, sollte es um die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg gehen, darum, dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen und eine Bilanz über die beruflichen Schulen und die Aus- und Weiterbildung im Land zu ziehen. Erarbeitet wurden innerhalb eines Jahres rund 50 Handlungsempfehlungen mit 160 Einzelvorschlägen. Doch Fachwissen allein reiche nicht aus, betonte die Vorsitzende der Enqeute-Kommission, Andrea Krueger (CDU), „Betriebe brauche auch Menschen“.

Schwerpunkte bei den Empfehlungen sind etwa, Abschlüsse an beruflichen und allgemeinbildenden Schulen künftig als gleichwertig anzusehen, Weiterbildungsangebote in der Fläche zu sichern und entsprechend stärker zu fördern, berufliche Schulen und die duale Ausbildung auszubauen und zu stärken.

„Chancengleichheit von Anfang an“ nicht aufgenommen

Für die beruflichen Schulen soll das etwa bedeuten, dass sie künftig bei der Ressourcenverteilung der Lehrkräfte gleichgestellt sind mit den allgemeinbildenden Schulen. In der dualen Ausbildung soll es verstärkt möglich sein, neben der Ausbildung auch eine Fachhochschulreife zu erlangen. „Damit wollen wir vor allem die leistungsstärkeren Jugendlichen fördern“, so Krueger.

Für die Leistungsschwächeren sollen zum Beispiel die Übergangsangebote wie das Berufsvorbereitende Jahr, das Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf und das Berufeinstiegsjahr ausgebaut werden. Hier sollen mindestens zwei Tage pro Woche im Betrieb verbracht werden, um den Berufsalltag besser kennenzulernen und sich mehr Sozialkompetenz anzueignen. „Wir müssen dafür sorgen, dass jeder die bestmögliche Bildung erhält, denn jeder einzelne wird in Zukunft gebraucht“, sagte Stefan Teufel (CDU) mit Hinblick auf den Fachkräftemangel. Deswegen müsste auch noch stärker auf die bildungsfernen Schichten zugegangen werden, beispielsweise mit einer aufsuchenden Bildungsberatung.

Christoph Bayer, der für die SPD in der Kommission vertreten war, bemängelte, dass das Programm „Chancengleichheit von Anfang an“ nicht in die Handlungsempfehlungen aufgenommen wurde, obwohl Studien belegten, dass gerade Baden-Württemberg einen großen Reformbedarf in diesem Bereich habe. Zusätzlich münde das sogenannte Übergangssystem zu selten tatsächlich in einen Ausbildungsberuf. „Allein im Jahr 2009 waren 60 000 Jugendliche im Übergangssystem. Hinzu kommen 26 000 Altbewerber“, ergänzte der Grünen-Abgeordnete Siegfried Lehmann. Um allen Jugendlichen die Chance auf eine Ausbildung zu geben fordern sowohl SPD als auch Grüne, einen Rechtsanspruch auf berufliche Bildung im Gesetz zu verankern. „Unser Ziel muss es sein, die Jugendlichen nach der allgemeinbildenden Schule direkt in einen Ausbildung zu führen“, betonte Lehmann.

Schick verspricht erste Beratung noch vor Weihnachten

Heiderose Berroth (FDP) forderte deshalb, das Thema Berufsorientierung in die Lehrerausbildung mit aufzunehmen. Eine Empfehlung der Enquete gehe in die gleiche Richtung: Bildungsbotschafter sollen zukünftig in die Schulklassen gehen und von ihrer Ausbildung berichten, „damit die Schüler eine genauere Vorstellung von den Berufen bekommen“, so Berroth.

Doch gerade an Lehrkräften für die beruflichen Schulen mangelt es. „Das Vorgriffstundenmodell, dass die Landesregierung jetzt plant“, sagte Lehmann, „ist in dieser Hinsicht eine Katastrophe.“ Es schrecke junge Lehrer und Quereinsteiger ab, diesen Beruf zu ergreifen.

Insgesamt betonten SPD und Grüne, dass die Handlungsempfehlungen in weiten Teilen deutlich prägnanter, konkreter und detaillierter hätten formuliert werden sollen. Auch die Ausrichtung bis in das Jahr 2030 hinein lenke zu stark von den nächsten beiden Legislaturperioden ab, in denen die Handlungsempfehlungen zügig umgesetzt werden müssten.

Kultusministerin Marion Schick (CDU) versprach, dass rund 1000 Seiten umfassende Papier mit den Handlungsempfehlungen schnellstmöglich zu prüfen. Die erste Besprechung zur Umsetzung der Empfehlungen solle noch vor Weihnachten stattfinden. Insgesamt sind im Nachtragshaushalt für das Jahr 2011 bereits zehn Millionen Euro vorgesehen, um die Vorschläge der Enquete-Kommission umzusetzen.


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