Walddorfhäslach. Die Grund- und Hauptschule in Walddorfhäslach wird ab dem kommenden Schuljahr Gemeinschaftsschule. Für Rektor Ralf Michael Röckel wird damit auch, dass die Konzeption der Schule erfolgreich ist und dass nun die Früchte jahrelanger Arbeit geernetet werden. Den ersten Teil des Interviews lesen Sie an diesem Freitag in der Printausgabe des Staatsanzeigers.
Staatsanzeiger: Die meisten Erwachsenen haben ein dreigliedriges Schulsystem durchlaufen. Wie müssen die sich denn eine Unterrichtsstunde künftig an einer Gemeinschaftsschule vorstellen?
Ralf Michael Röckel: Wir müssen Schule völlig neu denken. Die klassische Lehrerrolle, bei der der Lehrer vorne an der Tafel steht, seinen Unterricht macht und anschließend Übungsblätter verteilt, wird es künftig nicht mehr geben. Der Lehrer ist Lernbegleiter. Er gibt zu Beginn des Tages einen Input, und die Schüler suchen sich dann anhand der vorhin genannten Lernjobs ihre Aufgabe heraus und bearbeiten die. Dann gehen sie zum Lehrer und sagen: Dieser Lernjob wurde erarbeitet. Kontrolliert wird dies anhand einer Checkliste. Die Schüler können so nach ihrem Lerntempo fortschreiten. Der Lehrer ist Berater. Die Einteilung, dass alle Schüler einer Klasse ständig auf dem gleichen Level sind, wird es in der Gemeinschaftsschule nicht mehr geben.
Wie muss man sich das mit den Lernjobs genau vorstellen?
Wir sind ja alle geprägt von Jahrgangsklassen, das heißt, dass alle Schüler zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Thema arbeiten. Die Gemeinschaftsschule geht hin und sagt, dass jedes Kind nach seinen individuellen Voraussetzungen an dem Punkt weiterarbeiten soll, wo es gerade steht. Schüler verlassen durchaus auch das Klassenzimmer und ziehen sich in kleine Lerngruppen zurück. Wer zum Beispiel noch Probleme mit den Grundrechenarten hat, bekommt haptische Hilfsmittel mit und einfachere Aufgaben gestellt. Wenn er Probleme hat, kann er sich an den Lehrer als Lernbegleiter oder auch an einen anderen Schüler wenden und sich die Aufgabe noch mal erklären lassen. Ziel ist, jeder Schüler muss am Ende der Schullaufbahn die bestmögliche Förderung genossen haben, so dass er auch zum bestmöglichen Ziel kommt.
Wie gestaltet der Lehrer dann den Unterricht?
Es gibt etwa Phasen, die sind bestimmt durch einen ganz hohen Anteil an individuellem Lernen. Das heißt, der Lehrer plant im Prinzip einen gemeinsamen Input, der das Thema dann für unterschiedliche Fragestellungen und Wege eröffnet. Dann kann der Schüler weiterarbeiten. Zu Beginn des Schuljahres wird es eine Eingangsdiagnose geben, wo wir feststellen, wo der Schüler steht, was er von der Grundschule mitbringt. Dann geht es in die Kompetenzraster, wo die Schüler dann ganz individuell ihre Lernaufgaben bekommen. Der Lehrer wird mit Schülern und Eltern eine Zielvereinbarung aufstellen, in der festgelegt ist, welches Ziel, welche Aufgaben zum Beispiel im Fach Mathematik gemacht werden müssen. Das wird dann Wochenweise mit dem Schüler besprochen. Der Lehrer weiß am Ende der Woche genau, wie ist der Lernstand des Schülers, wo hat er noch Probleme. Und dann kann er da am Beginn der kommenden Woche mit dem Schüler weiterarbeiten.
Welche Voraussetzungen hat Ihre Schule bereits mitgebracht, um nun Gemeinschaftsschule zu werden?
Die Schulen, die zu Starterschulen wurden mussten vieles mitbringen. Sie mussten zum Beispiel Umgang haben mit Inklusion. Sie mussten nachweisen, wie sie mit Berufswahlkonzeption umgehen. Auch musste gezeigt werden wie die Lernentwicklung von Schülern dokumentiert wird. Starke Verankerung im Ort und Einbeziehung der Eltern war eine weitere Voraussetzung. Im Prinzip sind das die Kriterien für den Deutschen Schulpreis.
Wie haben Sie entschieden, dass Sie Gemeinschaftsschule werden wollen?
Zunächst wurde die Gesamtlehrerkonferenz gefragt, ob wir eine neue Schulart wollen. Dann wurde dies in der Schulkonferenz beraten. Wir haben auch in der Elternbeiratssitzung, also mit allen Elternvertretern aller Jahrgangsstufen beraten. Dann musste natürlich der Schulträger zustimmen, das heißt, der Gemeinderat hat ebenfalls eine positive Entscheidung getroffen.
Seit wieviel Jahren arbeiten Sie nun schon auf die Gemeinschaftsschule hin?
Wir hatten schon seit zehn Jahren immer wieder versucht, Kinder mit Lernbeeinträchtigungen in die Klassen zu integrieren.
Auch körperbehinderte Kinder?
Körperbehinderte hatten wir bisher eine. Aber das sind Kinder, die man wunderbar mit eingliedern kann. Darüber hinaus haben wir auch schon jahrelang an unserem Berufswahlkonzept gearbeitet. Wir hatten jahrelang versucht, die Schule als Gemeinschaft zu leben. Wir haben auch ganz stark außerschulische Partner mit eingebunden.
Gerade auch im Bereich der Berufsorientierung?
Genau. Wir haben über 80 Bildungspartnerschaften vor Ort und in der Umgebung. Auch haben wir über Evaluation langfristig begonnen unser Qualitätsmanagement zu verbessern.
Sie haben jetzt 36 Anmeldungen für die Gemeinschaftsschule und starten mit zwei fünften Klassen, wobei die Gruppen unter dem Klassenteiler bleiben.
Wir werden mit zweimal 18 Schülern starten. Das ermöglicht dann auch die individuelle Förderung.
Die Maximalgröße für die Klassen an Gemeinschaftsschulen liegt bei 28 Schülern. Ist bei der Größe noch eine individuelle Förderung möglich?
Sagen wir mal so: Wenn ich einen Wunsch gehabt hätte, dann müsste meiner Meinung nach der Klassenteiler niedriger sein. Ich würde mir 20 wünschen. Und wenn man dann noch viele Inklusionskinder dabei hat, dann ist 20 schon hart an der Grenze. Dann bräuchte man auch zusätzlich im Prinzip noch einen Sonderpädagogen in der Klasse.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
Wissenswertes zu kommunalpolitischen Themen für Sie als Gemeinderat/Gemeinderätin mit einem wöchentlichen Newsletter direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Abonnieren Sie jetzt den
Kommunal-Newsletter.