Stuttgart. Auf Antrag der SPD-Fraktion debattierten die Politiker am Mittwoch über die umfangreichen Straftaten und das Gefahrenpotential der vier großen kriminellen Motorradbanden in Baden-Württemberg. Mit Vereins-, Waffen- und Führerscheinverboten werde man nun verschärft gegen die Rockerbanden vorgehen. Die aktuelle Debatte streifte dabei ebenfalls die Polizeireform unter Grün-Rot.
Nikolaos Sakellariou (SPD) äußerte sich kritisch über die mediale und oftmals romantisch verklärte Berichterstattung im Südwesten und im ganzen Bundesgebiet. Zu unkritisch und überladen sei die mediale Aufmerksamkeit, die Rockerbanden geschenkt werde. Mit aktuellen Beispielen machte Sakellariou deutlich, dass es sich bei Hells Angels, Bandidos, Outlaws und Gremium um einen „Ausbund organisierter Kriminalität“ handele. Mit der Debatte will seine Partei Öffentlichkeit herstellen und deutlich machen, dass diese Gruppierungen kriminell sind. Zu oft lasse sich die Gesellschaft durch die Inszenierungen der Rockerbanden wie Hochzeiten und angebliche Friedensgipfel blenden. Es sei positiv, dass durch die umfassenden Polizeiaktionen gegen die Motorradbahnen das Bild des romantischen Rockers revidiert werde. Nun erkenne die Gesellschaft die „Fratze hinter dem Gesicht der Rockerbanden“.
Die Politiker waren sich einig, dass die Polizei und die übrigen Behörden gegen den Versuch der Banden vorgehen müssten, sich einen eigenen Rechtskreis aufzubauen, der von den Strukturen und Hierarchien der Rocker geprägt sei. „Wir werden rechtsfreie Räume nicht dulden“, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD). Das staatliche Gewaltmonopol muss gewahrt bleiben, sagte Thomas Blenke (CDU). Dabei leisteten die vier Landespolizeidirektionen gute Arbeit. Die vorhandenen Strukturen dürften durch die Polizeireform der grün-roten Koalition nicht angetastet oder gar zerschlagen werden, so Blenke. Innenminister Gall sagte dazu, dass die bisherigen Kompetenzen bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität durch die Reform erhalten blieben oder sogar ausgebaut würden.
Parteiübergreifend lobten die Parlamentarier das zurückliegende und aktuelle Vorgehen gegen die kriminellen Rockerbanden. Reinhold Gall zeigte sich bei zurückliegenden, aktuellen und künftigen Verbotsverfahren optimistisch. Ein bundesweiten Vorgehen sei wünschenswert.
Die Politiker gingen in ihren Ausführungen auf die staatlichen Möglichkeiten ein, gegen die Rockerbanden vorzugehen. Diese reichten von kleinen Nadelstichen bei der Verfolgung verkehrsrechtlicher Verstöße bis hin zu Vereinsverboten. Wichtig seien präventive Maßnahmen wie der Verbot der Waffenerlaubnis. Mit dem Entzug der bestehenden Waffen- oder der Fahrerlaubnis nannte Gall weitere Maßnahmen. Den größten Erfolg verspricht das „scharfe Schwert“ eines Vereinsverbots (Gall). Dabei sei es wichtig, Einzeltaten künftig den gesamten Vereinen anlasten zu können und diese in Gänze strafrechtlich zu verfolgen. Wenn der Charakter eines Rockervereins von straffälligem Verhalten geprägt sei, erklärte Ulrich Goll (FDP), sei ein Verbot des Vereins möglich. Dies nachzuweisen sei jedoch schwierig, da die Vereine kaum mit den Behörden kooperierten. Die Polizeiarbeit werde gleichfalls durch das hohe Gewaltpotential der Banden erschwert.
Thomas Blenke zeigte sich besorgt über den bedenklichen Anstieg der Rockerkriminalität, die Polizei und Justiz zunehmenden belasten. Dabei entspreche das Bedrohungspotential besagter Rockerbanden in Baden-Württemberg dem deutschen Durchschnitt, so Gall. In den vier großen Gruppierungen und ihren 43 Unterstützergruppen operierten rund 800 Personen. Jedoch gebe es weitere rockerähnliche Banden mit rund 1000 Mitgliedern wie die Black Jackets, die oft als Fahrer oder Stadtteilkontrolleure fungierten. Laut Sakellariou geht jede fünfte Straftat im Bereich der organisierten Kriminalität auf das Konto der Rockerbanden. Darunter fallen Tötungsdelikte, Menschen-, Waffen- und Drogenhandel, Prostitution und schwerste Gewalttaten. Der bestehende Ermittlungsdruck und die zurückliegenden Erfolge der Polizei hätten die Szene jedoch verunsichert. Unterstützung fand das Anliegen der SPD von allen übrigen Fraktionen. Grüne und FDP warnten jedoch vor einer Pauschalisierung. Nicht jeder Motorradfahrer sei automatisch kriminell, das Gegenteil sei der Fall.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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