Stuttgart. Die Landesregierung will alles tun, um das trotz steigender Kosten das Angebot im Schienenpersonenverkehr im Südwesten zu erhalten. „Ich werde alles tun, damit wir keine Züge abbestellen müssen“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in der heutigen aktuellen Debatte des Landtags. Gleichzeitig warf er der Vorgängerregierung von CDU und FDP vor, mit der Deutschen Bahn im Jahr 2003 einen langfristigen Vertrag ohne jeden Wettbewerb abgeschlossen zu haben: „Der Vertrag ist viel zu teuer, denn wir zahlen im Schnitt 30 Prozent mehr als durch eine Direktvergabe.“ Das Land sei in diesem unkündbaren Vertrag gefangen. Den Nutzen dieses Vertrags hätten ausschließlich die Bahn und der Bundesfinanzminister, er gehe zu Lasten der Nutzer.
Hermann wies damit die Kritik der CDU zurück, die diese Debatte beantragt hatte. Grün-Rot scheitere bei einem Kernthema, dem Personennahverkehr, sagte die Abgeordnete Nicole Razavi (CDU). Sie warf der Regierung vor, den Personennahverkehr „an die Wand zu fahren“. Angesichts von 20 Millionen Euro, die in diesem Jahr zur Deckung der Kosten fehlen, warf Razavi dem Verkehrsminister vor, den Landtag getäuscht zu haben: Hermann habe es versäumt, rechtzeitig bei der Aufstellung des Haushalts diese Mittel zu beantragen. Sollte Grün-Rot im nächsten Jahr tatsächlich neun Millionen Zug-Kilometer einsparen, sei dies eine „Katastrophe fürs Land» und eine «Bankrotterklärung der grünen Verkehrspolitik“.
Auch Jochen Haußmann (FDP) kritisierte, dass die gestiegenen Kosten bei Stations-, Trassen- und Energiepreisen nicht im Haushalt berücksichtigt worden seien. Zur Not müsse ein gegenfinanzierter Nachtragshaushalt vorgelegt werden.
Grüne und SPD wiesen die Vorwürfe zurück. Andreas Schwarz (Grüne) bezeichnete Zugabbestellungen als „falsches Signal“; seine Fraktion werde alles tun, dass dieser Fall nicht eintrete. Er bezeichnete den von Schwarz-Gelb mit der Bahn geschlossenen Vertrag als „verantwortungslos schlecht“; allein in den vergangenen zehn Jahren seien die Kosten daraus um 40 Prozent gestiegen. Schwarz forderte ein transparentes Preissystem, denn für den reinen Betrieb des Verkehrs bleibe immer weniger übrig. Er warf der Bahn vor, zur Gewinnmaximierung die Preise für Stationen und Trassen zu erhöhen.
Aus Sicht von Hans-Martin Haller (SPD) hat sich der Schienenpersonenverkehr im Land erfolgreich entwickelt. Es sei jedoch eine Umverlagerung der Mittel notwendig. Schon zu Zeiten der Vorgängerregierung seien aufgrund des Vertrags die Kosten gestiegen. Als unverständlich bezeichnete es Haller, dass das Land mit Regionalisierungsmittel die Aufgaben der Bahn (Bahnhöfe und Strecken) finanziere. Trotzdem könnten sich die Bürger auf den Personenverkehr verlassen. Die Regierung werde in den Haushalten bis 2016 Antworten finden.
Auch dem Verkehrsminister ist die bisherige Handhabe des Personenverkehrs ein Dorn im Auge. In goldenen Zeiten hätten CDU und FDP die Zugbestellungen aus Regionalisierungsmittel co-finanziert. Hermann bezeichnete es als Skandal, dass mehr als 700 Millionen Euro der Gewinne der Bahn aus Stations- und Trassengebühren kommen. Er kündigte an, sich in der Verkehrsminister-Konferenz für eine höhere Mittelzuweisung an Baden-Württemberg einzusetzen, denn „wir haben einen Nachholbedarf, andere Länder aber nicht“. Im Land kündigte er für künftige Verträge einen Ausschreibungswettbewerb an. Bessere Verträge seien jedoch aufgrund der langen Laufzeit erst von 2016 an möglich. „Wir sind gefangen in einem schlechten Vertrag.“ Andere Länder hätten es besser gemacht und Verträge geschlossen, die gestaffelt auslaufen. So aber müssen 2016 rund 40 Millionen Schienen-Kilometer auf einen Schlag vergeben werden.
„Angesichts unserer gut ausgelasteten Zuglinien zahlen wir mit einem Zuschuss von mehr als 10 Euro je Zugkilometer deutlich zu viel für die bestellte Leistung“, erläuterte Hermann. Vergleichbare Leistungen würden andere Bundesländer nach Ausschreibungen teilweise für zwei Drittel oder gar die Hälfte einkaufen. Der Engpass bei der Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs wird nach den Worten des Ministers noch dadurch verschärft, dass ein beträchtlicher Teil der Regionalisierungsmittel in das Milliardenprojekt Stuttgart 21 fließt. Die Finanzierung aus insgesamt 286 Millionen Euro Regionalisierungsmittel sei aus heutiger Sicht ein Fehler. Die Mittel würden am Ende im Budget für Zugbestellungen fehlen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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