Wer die nötigen Formulare bei Kontrollen nicht vorweisen kann, muss mit hohen Bußgeldern rechnen. Foto: dpa
STUTTGART. Spitzenvertreter von Handwerkstag, Industrie- und Handelskammertag und Gewerkschaftsbund beklagen die zu hohen bürokratischen Hürden bei der Mitarbeiterentsendung jenseits des deutschen Grenze. Bereits eine nur wenige Stunden dauernde Dienstreise ins Ausland macht die Ausstellung der Entsendebescheinigung A1 für jeden Mitarbeiter erforderlich, heißt es seitens der Verbände. Wer die nötigen Formulare bei Kontrollen nicht vorweisen könne, der werde insbesondere in Frankreich und Österreich mit hohen finanziellen Sanktionen belegt.
Doch es gibt Hoffnung. Die Europäische Kommission prüft derzeit, die Richtlinien für die Entsendung von Mitarbeitern in EU-Mitgliedsstaaten zu überarbeiten, darunter die sogenannte A1-Bescheinigung. Rückenwind kommt auch von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Er hat sich dafür ausgesprochen, die Pflicht, die entsprechenden Dokumente vorab zu beantragen, zu streichen. Um den Druck zu verstärken, fordern die Verbände von der Landesregierung, hier über den Bundesrat aktiv zu werden.
„Gerade kleinere Handwerksbetriebe, die gelegentlich für Aufträge aus dem Ausland angefragt werden, werden durch die A1-Bescheinigung faktisch aus dem Markt ferngehalten“ sagt Rainer Reichhold, Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT). Sie könnten den bürokratischen Aufwand schlicht nicht stemmen.
Reichhold verweist auf große Schwierigkeiten in der betrieblichen Praxis. So könnten die Betriebe bei Reparaturaufträgen nicht auf A1-Bescheinigungen warten, wenn im Winter beispielsweise bei einem französischen Kunden die Heizung ausfalle. Daher sei die A1-Bescheinigung abzuschaffen.
Der Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) hat betroffene Unternehmen zum Thema befragt. Da Ergebnis ist ernüchternd. Viele Betriebe gaben an, aktuell keine Mitarbeiter mehr nach Frankreich zu entsenden. „Der bürokratische Aufwand ist im Vergleich zum Ertrag zu hoch“, erklärt Kammerpräsident Wolfgang Grenke. „Es ist schlicht nicht verständlich, warum Unternehmen für einen Notfalleinsatz beim Kunden zunächst eine SIPSI-Meldung bei den französischen Behörden vornehmen und einen französischsprachigen Vertreter vor Ort benennen müssen. Das ist weder wirtschaftlich noch effizient und führt zu viel Frust auf beiden Seiten. Wir müssen über alle Möglichkeiten nachdenken, wie wir die bürokratischen Hürden auf ein Mindestmaß senken können. Vorschläge, wie die Einführung einer A1-Langzeitbescheinigung oder einer europäischen Sozialversicherungsnummer, sollten offen diskutiert werden.“
Die Gewerkschaften wollen zwar den Schutz der Beschäftigten gewährleistet sehen. Doch müssen die zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping eingeführten Maßnahmen praxistauglich sein, sagt Martin Kunzmann, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds Baden-Württemberg. Auch die Gewerkschafter schlagen vor, auf die Ausstellung der A1-Bescheinigung bei Geschäftsreisen ins Ausland zu verzichten, „wenn dabei weder Dienstleistungen noch Warenlieferungen“ erbracht werden. „Noch besser wäre es, endlich einen europäischen Sozialversicherungsausweis einzuführen, mit dem die Entsendeten nachweisen können, dass sie sozialversichert sind“, so Kunzmann.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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