Tübingen. Im Solidarpakt III soll die Grundfinanzierung zwischen Hochschulen und Land bis 2020 festgelegt werden. Ingo Autenrieth ist Vorsitzender der Konferenz der Dekane der Medizinischen Fakultäten und fordert, dass deren Sonderrolle dabei ausreichend berücksichtigt wird. Als Vorbild in Sachen Hochschulfinanzierung nennt er die Niederlande. Dort werde die Sonderrolle schon lange anerkannt.
Staatsanzeiger.de: Sollte man sich hinsichtlich der Hochschulfinanzierung an den Niederlanden orientieren?
Ingo Autenrieth: Die Niederlande sind ein wunderbares Beispiel, denn dort wird seit langem die Sonderrolle der Universitätsmedizin anerkannt. Die großen Universitätsmedizinischen Einrichtungen bekommen für die Krankenversorgung einen Systemzuschlag in einem attraktiven zweistelligen Millionenbereich pro Jahr. Eine Einrichtung wie Tübingen könnte dort 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr als Zusatzfinanzierung erwarten. Das ist genau der Betrag, den wir intern ermittelt haben und der auch von der Deutschen Hochschulmedizin e.V. beziffert wurde.
Siegen sich die Universitäten zu Tode? Schließlich sind Medizinische Hochschulen beim Einwerben von Drittmitteln sehr erfolgreich. Allerdings müssen diese Forschungsprojekte aus der Grundfinanzierung auch gegenfinanziert werden.
Das ist ein vortrefflicher Begriff. Denn die Universitätsmedizineinrichtungen in Baden-Württemberg und insbesondere Tübingen sind die erfolgreichsten Drittmitteleinwerber in Deutschland. Allerdings kostet uns jedes Drittmittel-Projekt auch Infrastruktur. Und tatsächlich: Je stärker die Schere zwischen Grund- und Drittmittelfinanzierung aufgeht, desto prekärer wird das für die Einrichtung. Wir müssten, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht bessern, eigentlich sagen: Wissenschaftler, seid nicht mehr so kreativ, verzichtet auf das Einwerben von Drittmitteln. Wir können das nicht mehr mitfinanzieren.
Was für das Innovationsland Baden-Württemberg fatal wäre.
Wir vergleichen uns ja weltweit mit führenden Einrichtungen wie Harvard. Wir haben den Impetus, den Willen und ich glaube auch die Fähigkeiten, weiterhin ganz vorne international mit dabei zu sein. Das ist unser Selbstverständnis. Dann muss aber auch das Land, unser Träger, die Rahmenbedingungen schaffen, damit wir in diesem internationalen Wettbewerb weiter erfolgreich sein können.
Viele Gebäude der Uniklinika sind in die Jahre gekommen. Grün-Rot hat im Koalitionsvertrag Sanierungen zugesagt. Glauben Sie, dass das Versprechen eingelöst wird?
Glauben ist das Eine. Ich möchte gerne im Solidarpakt III geregelt haben, dass hier eine eindeutig nachvollziehbare, erfüllbare Finanzierung dieses Sanierungsstaus dargelegt wird, damit wir endlich Zug um Zug die notwendigen Sanierungen umsetzen können. Denn auch sonst können wir unsere erfolgreiche Arbeit nicht fortsetzen. Ein zweiter ganz wichtiger Punkt: Während für die Forschung gelegentlich noch durch Artikel 91b finanzierte Neubauten möglich sind, sehen wir im Bereich der Lehre riesige Probleme. Denn für Hörsäle, Seminarräume und Lehreinrichtungen gibt es keine „91b“-analoge Regelung und das Land stellt keine ausreichenden Mittel bereit. Die Einrichtungen für die Lehre sind gerade in den vergangenen Jahren besonders wenig gefördert worden. Da sehe ich, neben der Forschung, einen großen Nachholbedarf.
Die Finanzierung der Drittmittelprojekte geht also zu Lasten der Lehre.
Richtig. Und insofern kann man auch sagen, die Lehre ist manchmal das ungeliebte dritte Kind. Zuerst kommt die Krankenversorgung, dann die Forschung, dann lange nichts und irgendwann die Lehre. Wenn wir interessierte und talentierte junge Menschen für die Universitätsmedizin gewinnen wollen und zu sehr guten Ärztinnen und Ärzten und Wissenschaftlern ausbilden wollen, dann müssen wir auch die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie gerne in unseren Einrichtungen arbeiten wollen. Das heißt wir brauchen gute Lehrräume. Und: Die Lehre hat sich auch verändert. Heute sind E-Learning und innovative Lehrformate gefragt. Das haben wir auch vielfach umgesetzt. Aber auch das kostet Geld und muss finanziert werden.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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