Foto: dpa/ Tom Weller
STUTTGART. Nach Schätzungen der Landesregierung haben rund 665 000 Menschen in Baden-Württemberg keinen Hausarzt an ihrem Wohnort, besonders ländliche Regionen sind davon betroffen. Mit einem flexibleren Medizinstudium soll sich das Gefälle zwischen Stadt und Land in Baden-Württemberg bald verringern. Eine zehnseitige Kabinettsvorlage hält fest, was sich ändern soll.
Von den Fraktionsspitzen nach längerem Streit mit einem Kompromiss gebilligt, wird laut Kabinettsentwurf die Zahl der Studienplätze um 150 ausgebaut, im Studienjahr 2021/22 soll es 1699 Plätze geben. Alle fünf medizinischen Fakultäten in Tübingen, Ulm, Freiburg, Heidelberg und Mannheim werden ihre Kapazitäten um 30 Studienanfängerplätze erhöhen.
Die Landarztquote ist zumindest als Kompromiss mit dabei: Laut Vorlage werden 75 der neuen Studienplätze an Studienanfänger in der Humanmedizin vergeben, die Landarzt werden möchten, aber nach dem herkömmlichen Verfahren keinen Studienplatz bekommen haben. Diese Studierenden verpflichten sich, nach ihrem Abschluss in einem Gebiet zu arbeiten, in dem es einen Ärztemangel gibt.
Für die CDU war diese Quote eine Bedingung, um den Plänen von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) zuzustimmen. Die Ministerin ist allerdings nach wie vor nicht begeistert von der Quote: „Es ist ein langsames und unsicheres Mittel. Wir brauchen aber etwas Schnelles und Wirksames“, sagt sie.
Die Studenten können in jedem Semester spezielle Ausbildungsmodule wählen, die sie auf eine Karriere in der Primärversorgung vorbereiten sollen, heißt es in dem Papier. In den Kursen sollen sie auch mit regionalen Akteuren wie Hausärzten, Versorgungszentren, aber auch Bürgermeistern und Landräten zusammengebracht werden. Ziel sei es, die angehenden Ärzte früh für eine Region zu interessieren, erläutert Bauer.
Nach den Vorstellungen Bauers können die ersten Studenten im ersten Quartal des kommenden Jahres für das dann folgende Wintersemester ausgewählt werden. Billige das Kabinett den Entwurf, werde das Sozialministerium das entsprechende Gesetz entwerfen.
Stephen Brauer, wissenschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, sieht den Kompromiss der grün-schwarzen Koalition zur Verbesserung der Landarztquote und der Schaffung von zusätzlichen Studienplätzen mit dem Profil „Landärztliche Hausarztmedizin“ kritisch.
„Nebenwirkungen werden unter anderem Abgrenzungsprobleme sein, was in Baden-Württemberg überhaupt der Ländliche Raum ist. Mit diesem Vorgehen drückt sich die Landesregierung vor der eigentlichen Lösung des Problems, nämlich die Aufwertung des Ärzteberufes und des Medizinstudiums.“ Zudem sei es vermessen, jungen Menschen bei Ausbildungsbeginn eine Lebensplanung für zehn Jahre abzuverlangen, so Brauer.
Die Kassenärztliche Vereinigung geht von 616 unbesetzten Stellen für Hausärzte aus (Stand 12. Februar 2020). Und gibt es einen Hausarzt am Ort, dann ist dieser häufig schon älter: Das Durchschnittsalter Mediziner liegt bei 56,1 Jahren (Stand 1. April 2020), 37 Prozent sind sogar 60 Jahre und älter.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
Wissenswertes zu kommunalpolitischen Themen für Sie als Gemeinderat/Gemeinderätin mit einem wöchentlichen Newsletter direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Abonnieren Sie jetzt den
Kommunal-Newsletter.