Polizei: „Dem Wasserwerfer gehört die Zukunft“

01.12.2017 
Redaktion
 
Foto: Reich

BRUCHSAL. „Achtung, Achtung!“, tönt es aus den Lautsprechern des 3,75 Meter hohen Wasserwerfers„WaWe10“. „An die Personengruppe vor der Polizeikette: Das ist die letztmalige Aufforderung, den Bereich zu verlassen. Ihre Versammlung wurde aufgelöst. Ende der Durchsage; 11:36 Uhr“. Dann folgt:„Polizeikette öffnen“ und die Beamten formieren sich rechts und links des 31 Tonnen schweren, blauen Einsatzfahrzeugs.

An diesem grauen und nassen Dienstagmorgen ist das nur eine Übung auf dem Gelände der Bereitschaftspolizeidirektion Bruchsal. Aber auch bei Einsätzen – vor allem bei Demos und Fußballspielen, bei denen mit gewaltbereiten „Störern“ gerechnet wird – dauert es eine Weile, bis der WaWe10 Wasser abgibt. Davor werden viele andere Maßnahmen ergriffen – nach einem Einsatzkonzept mit neun Stufen.

Einen Einsatz wie den am 30. September 2010 im Schlossgarten in Stuttgart – der schwarze Donnerstag– wird und darf es laut dem stellvertretenden Leiter der Bereitschaftspolizeidirektion Bruchsal,Polizeidirektor Peter Kremer, nicht noch einmal geben. „Das hat die Polizei diskreditiert“, sagt er. Seither hat sich ihm zufolge allerdings viel getan. Mit dem neuen Modell habe man zum einen technisch weit mehr Möglichkeiten als mit dem Vorgängermodell. Auch habe man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, man habe Konzepte überarbeitet sowie ein Sanitätskonzept erstellt. Das Vertrauen in den Wasserwerfer müsse wiederhergestellt werden, so Kremer. Denn für ihn gehört diesem – als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt – klar die Zukunft.

Denn: Die Zahl der verletzten Einsatzkräfte steigt. Im Jahr 2016 waren es rund 150, allein aus Bruchsal. Für Kremer wie auch für seinen Kollegen Hartmut Hubbuch dient der Wasserwerfer vor allem als Distanzmittel. Hubbuch, Erster Polizeihauptkommissar und Leiter der Technischen Einsatzeinheit, sieht den Wasserwerfer als Einsatzmittel, mit dem körperliche Auseinandersetzungen– bei denen das Verletzungsrisiko generell hoch ist – vermieden werden können.

Allein die „Show of force“ bringt manchen Störer zum Nachdenken

Die Bereitschaftspolizisten üben einen klassischen Räumablauf, wie Polizeihauptkommissar Sven Van Roon erklärt. Er hat als Staffelführer schon viele Einsätze miterlebt. Auch den beim G20-Gipfel im Juli in Hamburg, wo gewaltbereite Demonstranten nicht nur Steine und Flaschen auf die Beamten geworfen haben. 15 Einsatztage hat die Wasserwerferstaffel in diesem Jahr bereits gehabt.

Zunächst geht es laut Van Roon im Einsatz darum, den Wasserwerfer zu zeigen. „Show of force“ nennt er das. Der zweite Schritt heißt „frontales Zeigen“, gefolgt vom „einsatzbereiten Zeigen“. Erst dann werden die Werfermonitore und die Scheinwerfer ausgefahren und das Blaulicht angeschaltet. „Das zeigt den Störern, dass der Wasserwerfer einsatzbereit ist“, sagt Van Roon. Es folgen Lautsprecherdurchsagen des Kommandanten, die Androhung des Einsatzes. Zunächst steht also die Kommunikation an oberster Stelle. Laut Van Roonreicht das meist schon aus, damit es sich der ein oder andere nochmal anders überlegt.

Zeigt alles keine Wirkung, heißt es „Wasser Marsch“. So wie an diesem Morgen zu Übungszwecken. Die Polizeikette ist aufgelöst und die Einsatzkräfte begleiten den langsam fahrenden Wasserwerfer. Nach einer weiteren Vorwarnung per Lautsprecher folgt die „Wasserwand“. Wer den Platz immer noch nicht verlassen hat, wird nass. Bei der Wand wird das Wasser in großer Auffächerung abgegeben, was den Werferbereich vernebelt. So können sich Polizeikräfte verdeckt annähern und Störer zum Verlassen des Platzes bewegt werden. Auch der Überraschungseffekt spielt dabei eine Rolle.

Die Stufe 6 ist der Wasserregen, gefolgt von Stufe 7, der Wassersperre: Die Strahlen sind parallel auf den Boden gerichtet. Das hindert Demonstranten daran, weiterzugehen. Die Polizei spricht von einer Sperrlinie. Stufe 8 ist die Wasserglocke. Dabei wird eine große Menge Wasser auf kleine Fläche abgegeben. Dadurch werden Personen durchnässt, eine Art Wasserfall, der den Drang erzeuge, wegzulaufen. Stufe 9 ist die Ultima Ratio. Einkurzer, konzentrierter Wasserstrahl oder mehrere aufeinanderfolgende Wasserstöße. Bei dieser Stufe besteht Verletzungsgefahr. Für die Polizei ist es wichtig, die Verhältnismäßigkeit stets zu wahren.

Der Wasserwerfer 10 hat einen 10000-Liter-Tank. Der Druck, mit dem Wasser abgegeben wird, ist variabel – bis zu 20 Bar. Die vorderen Strahlrohre können bei zwölf Bar 1200 Liter Wasser pro Minute abgeben. Die hinteren 900 Liter. Von Vorteil ist laut Hubbuch auch, dass die Strahlrohre sich um 360 Grad drehen können. Denn damit ist ein Wenden des schweren Fahrzeugs im Einsatz nicht nötig.

Beim Einsatz des Wasserwerfers geht es zu 90 Prozent um Psychologie

Im Wasserwerfer sitzen fünf Personen. Hinten der Kommandant, der über Funk mit dem Staffelleiter in Kontakt steht, und zwei „Werfer“, die für das Abgeben des Wassers zuständig sind. Vorne Fahrer und Beobachter. Der Staffelleiter wiederum steht in engem Kontakt mit dem Polizeiführer, der den Einsatz leitet. „Die Einsatzleitung wird so unmittelbar beraten“, sagt Kremer.

Für den Wasserwerfer benötige man Personal, auf das man sich verlassen könne, so Kremer. Auch eine spezielle Ausbildung ist nötig. Ruhig bleiben, auch wenn um einen herum die Welt untergeht, das steht an oberster Stelle. Bei den Einsätzen gehe es zu 90 Prozent um Psychologie, erklärt Hubbuch. Die Durchsagen, der dröhnende Motor, das Blaulicht.Ziel sei stets, körperliche Gewalt zu verhindern. Und dazu reiche Taktik und Psychologie meist aus. Manchmal braucht es aber eben doch den Einsatz von Wasser – wie zum Beispiel im Sommer in Hamburg.

Wie unangenehm das ist, merkt man auch, wenn man nicht direkt vor dem Wasserwerfer steht, der gerade den Wasserstoß demonstriert. Durch den Wind nieselt es auch in einiger Entfernung. Und der erste Impuls ist – bei einstelligen Temperaturen – sich zu entfernen.

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