STUTTGART. Uniklinik-Vertreter haben vor der Gesetzesreform für die Universitätsmedizin in Baden-Württemberg gewarnt. Bei einer Anhörung im Landtag sagten sie am Dienstag, die Pläne von Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) würden Top-Forscher von einem Wechsel ins Land abschrecken und die Kliniken im bundesweiten Wettbewerb ausbremsen. Vorsichtige Zustimmung kam dagegen aus dem Kreis der Uni-Präsidenten.
Der Präsident der Uni Ulm, Karl Joachim Ebeling, begrüßte im Namen der Uni-Rektoren mit Medizinfakultäten die Gesetzesinitiative grundsätzlich. Damit waren die Uni-Präsidenten waren bei der Anhörung eine einsame Stimme in einem Meer aus Protest gegen die Reform. Ihre Unterstützung trotz mancher Kritik im Detail dürfte einer Erfahrung geschuldet sein, die sie mit dem Minister teilen: Klinik-Skandale und Querelen brachten ihnen immer wieder schlechte Schlagzeilen - das Spektrum reichte von Ärzte-Pfusch über Doping bis zu Führungsstreit.
Vertreter der Uniklinika halten den Gesetzentwurf allerdings für die falsche Reaktion darauf. „Krisen lassen sich auch die neuen Regelungen nicht vermeiden“, sagte der Generalsekretär des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands, Rüdiger Strehl. Sie müssten stets im Einzelfall vor Ort bewältigt werden. Der Ärztliche Geschäftsführer des Uni-Klinikums Gießen und Marburg, Werner Seeger, betonte: „Auch wenn es Skandale mit vielen Schlagzeilen gab, ist es doch eindeutig, dass die Universitätsklinika in Baden-Württemberg extrem erfolgreich waren.“
Das neue Gesetz, das noch vor der Landtagswahl das Parlament passieren soll, umfasst zwei wesentliche Änderungen: Medizinfakultäten und Uni-Klinika sollen zu „Körperschaften der Universitätsmedizin“ verbunden werden, damit würden Universität und Klinikbetrieb entgegen des bisherigen Trends wieder stärker miteinander verschränkt. Zudem will das Land eine Gewährsträgerversammlung einführen, in der Vertreter von Regierung und Landtag die Gesamtplanung aller Uni-Klinika steuern.
Die Klinik-Vertreter befürchten, die neuen Vorschriften gefährdeten ihren bisherigen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Erfolg. Durch die Politiker in der Gewährsträgerversammlung bestehe eine „Politisierungsgefahr“. Zahllose Zustimmungsvorbehalte zwischen den einzelnen Gremien würden rasche Entscheidungen verzögern, sagte Verbands-Generalsekretär Strehl. Die Gewährsträgerversammlung beschneide Aufgaben und Rechte von Vorständen und Aufsichtsräten. Die Folge sei „eine sinkende Attraktivität für gute Vorstände und Aufsichtsräte, nach Baden-Württemberg zu kommen und sich hier zu engagieren“, sagte Strehl.
Zumindest diesen Einwand konnte auch der Ulmer Uni-Präsident Ebeling nachvollziehen. Aufsichtsräte fragten sich durchaus, was sie dann noch entscheiden sollten, berichtete er von Bedenken. Der Vorsitzende der Gemeinsamen Arbeitsgruppe der Personalräte der Uni-Klinika, Herbert Beck, schlug statt einer Gewährsträgerversammlung vor, mehr Vertreter von Politik, Regierung und Personal in die Aufsichtsräte zu schicken, um das begrüßenswerte Ziel von mehr Transparenz zu erreichen.
Doch auch damit würden sich die Klinik-Spitzen wohl kaum anfreunden können. Der Dekan der Medizinischen Fakultät Tübingen, Ingo Autenrieth, sagte, das Gesetz sei „Rückschritt, kein Fortschritt“. Dringend müssten Zustimmungspflichten- und vorbehalte entflochten werden. Strehl forderte mehr statt weniger Autonomie für die Uni-Klinika, etwa in Baufragen. Der hessische Uni-Klinik-Geschäftsführer Seeger machte klar: Statt mehr Einfluss für Politik, Ministerium und Rektor sei aus seiner Sicht mehr Dezentralisierung nötig.
Das neue Gesetz bewirke mit seinem „Dickicht an Zustimmungspflichten“ das Gegenteil und mache Entscheidungen dadurch langwierig und „irrsinnig kompliziert“, warnte Seeger. Die Gefahr sei, dass sich bei so unklaren Verantwortlichkeiten am Ende niemand mehr verantwortlich fühle. Allein der Wirtschaftplan brauche das Ja von sieben Gremien, nannte Seeger ein Beispiel, das die Abgeordneten aufhorchen ließ. Allerdings konnte Seeger dann die sieben Gremien auf Nachfrage aus den Reihen der Abgeordneten nicht aufzählen.
Schon vor der Anhörung hatte Frankenberg dem geballten Protest der Klinik-Seite entgegnet: „Kliniken sind Einrichtungen des Landes, daran muss gelegentlich erinnert werden.“ Bei der Expertenrunde im Landtag bemerkten nun auch Abgeordnete mehrfach, dass am Ende der Steuerzahler für wirtschaftliche Fehlleistungen der Kliniken aufkommen müsse.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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