Diakonie kämpft gegen Zweiklassen-Freiwilligendienst

03.03.2011 
Redaktion
 
Foto: ddp

Stuttgart. Die Einführung des Bundesfreiwilligendiensts darf nicht dazu führen, dass es  Freiwilligendienste erster und zweiter Klasse geben. Das ist die zentrale Forderung der Diakonie Württemberg als größtem Träger von Freiwilligendiensten im Land. Auch von den jungen Leuten, die bei der Diakonie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) ableisten, wird einer Umfrage zufolge eine Gleichstellung aller Freiwilligen gefordert. Ihre Wünsche an die Politik überreichten die Jugendlichen jetzt an Vertreter aller im Landtag vertretenen Parteien und ernteten überwiegend Zustimmung und Verständnis.

Grundsätzlich begrüße die Diakonie den Ausbau der Freiwilligendienst, erklärt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, Heike Baehrens. Auch die Öffnung für neue Altersgruppen biete den Trägern neue Perspektiven. Allerdings gebe es eine Reihe von Fragen, die vor der Einführung des Bundesfreiwilligendiensts, der den Zivildienst ablösen soll, geklärt werden müssten.

Notwendig sei vor allem eine Gleichbehandlung beim Kindergeld. Bislang sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, dass die Eltern von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Bundesfreiwilligendienst keinen Anspruch auf Kindergeld haben. Der Träger muss vielmehr das Taschengeld um den Kindergeldbetrag erhöhen.

Im Ergebnis würden Freiwillige im Bundesfreiwilligendienst so mehr Geld bekommen als FSJler, deren Kindergeld wie bisher auf dem Konto der Eltern landet. Diese Ungleichbehandlung sei nicht vermittelbar, sagt Wolfgang Hinz-Rommel, der die Abteilung für Zivildienst und FSJ der Diakonie leitet. Um finanziell gleich gestellt zu sein, müssten FSJler und FÖJler dann zu ihren Eltern gehen und die Auszahlung des Kindergeldes verlangen. Das werde wohl kaum funktionieren.

Die Diakonie warnt zudem davor, das Bildungsprogramm, das die Freiwilligendienste begleitet, zu zerreißen und auf mehrere Träger zu verteilen. „Das Bildungsprogramm muss aus einem Guss sein.“, sagt die Vizechefin des kirchlichen Sozialwerkes. Sie befürchtet nach den bisherigen gesetzlichen Vorgaben zudem, dass der neue Dienst zu stark bürokratisiert und zentralisiert wird, weil er sich in vielerlei Hinsicht an der Logik des Zivildienstes ausrichte. Dies gelte etwa bei der Anerkennung von Einsatzstellen. Die Diakonie fordert deshalb, auch für den neuen Dienst alles bei den Trägern vor Ort zu belassen, was diese selbst steuern können. Nur der Rest solle dann zentral gelenkt werden.

Die Träger der bestehenden Freiwilligendienste hängen derzeit wegen des Zivildienst-Ersatzes noch an vielen Stellen in der Luft, wie Hinz-Rommel bekennt. So seien die genauen künftigen Konditionen für FSJ und FÖJ derzeit noch völlig unklar. Die Bewerbungsphase habe aber bereits begonnen. Man könne deshalb mit interessierten Jugendlichen, die nach dem Schulabschluss im Sommer ein Freiwilligenjahr beginnen wollten, derzeit noch gar keine Verträge abschließen. Gleichzeitig wolle aber auch die Bundesregierung, dass mehr Freiwillige gewonnen werden, um den Wegfall des Zivildiensts zu kompensieren. Dennoch könne man garantieren, dass alle, die 2011/2012 bei der Diakonie Württemberg einen Freiwilligendienst ableisten wollen, eine Platz bekommen, verspracht Hinz-Rommel.

Bei der Diakonie Württemberg geht man  davon aus, dass keineswegs alle Zivildienststellen mit Freiwilligen besetzt werden können. Um Freiwillige für eine Stelle zu begeistern, müsse diese attraktiv sein, so Hinz-Rommel. Das gelte allerdings bei weitem nicht für alle Zivildienststellen.

Allerdings haben die Einsatzstellen für FSJler schon im vergangenen Jahr auf die Verkürzung des Zivildienstes reagiert und mehr Plätze eingerichtet. Das bescherte der Diakonie im laufenden Jahr die Rekordzahl von 1043 FSJlern und 32 FÖJlern. Damit habe man erstmals in der Geschichte der Freiwilligendienste die Grenze von 1000 überschritten, sagt Baehrens. Im Jahr zuvor waren es zusammen noch unter 900 Freiwillige gewesen.

Um noch mehr Freiwillige als Ersatz für Zivis zu finden, müssten die Träger ihre Werbung in den Schulen intensivieren, meint Baehrens. So sei an eine konzertierte Aktion gemeinsam mit der Wirtschaft gedacht. Bislang würden FSJ und FÖJ meist im Rahmen von Berufsorientierungstagen vorgestellt, erklärt Hinz-Rommel. Da drohten die Angebote in der Informationsvielfalt unterzugehen.

Dass Schüler von den Freiwilligendiensten oft gar nichts wissen, bestätigen auch die Betroffenen selbst. „Als ich mein FSJ begonnen habe, wussten in meinem Bekanntenkreis viele nicht, was das ist“, sagt Alexander Abel, der derzeit bei den Zieglerschen Anstalten in Wilhelmsdorf bei Ravensburg in der Behindertenhilfe tätig ist.


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