STUTTGART. 15 Monate dauert die Ausbildung für rund 15 Flüchtlinge bei den Bahnbetreibern im Ausbildungscluster Karlsruhe/Mannheim. Die jungen Menschen mit gesichertem Aufenthaltsstatus und guten Deutschkenntnissen werden dort zu Lokführern qualifiziert. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) informierte sich nun über das von ihm initiierte Projekt.
Grundsätzlich sind die Eisenbahnunternehmen dafür zuständig, ausreichend Fachkräfte zur Verfügung zu haben. Doch der Mangel an Lokführern wird „zunehmend offensichtlich“, wie es vonseiten des Verkehrsministeriums heißt. Und Personalmangel könnte den Ausbau des Schienenverkehrs bremsen. Deshalb flankiert das Ministerium auch Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Bahnbranche.
Im Frühjahr hatte Minister Hermann die Initiative zur Qualifizierung von Flüchtlingen gestartet. Sie ist einer von mehreren Bausteinen, mit denen Land und Bahnunternehmen gegen den Fachkräftemangel in diesem Bereich angehen. „Es freut mich, dass die Unternehmen meine Idee aufgegriffen haben und an einem Strang ziehen“, so Hermann. Das Ministerium finanziert dabei Integrationscoaches, die bei Verständigungsschwierigkeiten helfen und die Teilnehmer bei Behördengängen und administrativen Vorgängen im Unternehmen unterstützen.
Gefördert wird das Projekt von der Bundesagentur für Arbeit über das Programm „Weiter.Bildung“. Es resultiert aus dem Qualifizierungschancengesetz. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben 1068 Personen in Baden-Württemberg eine Qualifizierung über dieses Programm begonnen, von denen die Hälfte bislang keine abgeschlossene Berufsausbildung besitzt. Doch für eine erste Bilanz ist es nach Angaben der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit noch zu früh, da die meisten Förderungen erst im Herbst beginnen und das neue Programm auch bei den Arbeitgebern erstmal bekannt werden muss. Das Programm kann für unterschiedliche Branchen genutzt werden. Derzeit werden zwei von drei abschlussorientierten Qualifizierungen in der Altenpflege aufgenommen.
Nach Angaben der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit haben nun 15 Flüchtlinge ihre Ausbildung zum Lokführer im Cluster Karlsruhe/Mannheim über das Programm aufgenommen. Der Erfolg zeige, wie wichtig es sei, dass Unternehmen und Behörden eng zusammenarbeiten, wenn es darum geht, Fachkräfte für einen Mangelberuf zu gewinnen, so der Chef der Regionaldirektion, Christian Rauch. Sechs Flüchtlinge bildet die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) aus, Go-Ahead und MEV steuern jeweils vier Auszubildende zu dem Kurs bei. Einer kommt von Abellio.
Das Interesse an dem Projekt war von Anfang an sehr groß. Seit dem Frühjahr sind landesweit für das Qualifizierungsprogramm über 200 Bewerbungen eingegangen. Wichtigste Hürde ist allerdings der Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse, die neben einem psychologischen Test, technischen Kenntnissen und einem anerkannten Schulabschluss Voraussetzung für ein Bewerbungsgespräch sind.
„In den vergangenen Monaten haben wir unternehmensübergreifend und mit tatkräftiger Unterstützung durch die Arbeitsagentur und das Ministerium daran gearbeitet, dieses Projekt zu entwickeln und zu formen“, sagt Stephanie Schulze, Leiterin des Unternehmensbereichs Personal und Recht der AVG und Leiterin des Qualifizierungsclusters. Die AVG mit Sitz in Karlsruhe hat im Rahmen des Modellprojekts für den Ausbildungscluster Karlsruhe/Mannheim eine führende Rolle inne.
Hans-Peter Sienknecht, Geschäftsleiter Go-Ahead Baden-Württemberg, unterstrich: „Wir müssen gemeinsam alles dafür tun, mehr Menschen für den Nahverkehr und den Beruf des Triebfahrzeugführers zu interessieren.“ Die Motivation der Mitarbeiter stehe im Vordergrund, unabhängig von kultureller Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Alter oder Geschlecht. Rolf Schafferath, Vorsitzender der Geschäftsführung der Abellio Rail Baden-Württemberg, spricht von einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Marc Giesen, Geschäftsführer der MEV Eisenbahn-Verkehrsgesellschaft, sagte: „Die MEV ist ein Teil der Gesellschaft und steht in einer Verantwortung für Mitarbeiter, Kunden und eben diese Gesellschaft. Es ist eine Selbstverständlichkeit, sich auch bei der Integration der Geflüchteten zu engagieren.“
Das Modellprojekt „Qualifizierung Geflüchteter zu Triebfahrzeugführern“ beginnt auch an einem weiteren Standort: Bei der DB Regio startet im zweiten Quartal nächsten Jahres in der Region Stuttgart mit einer Gruppe von Teilnehmern mit Fluchthintergrund eine Umschulung zum Triebfahrzeugführer. Zuvor werden die zwölf Teilnehmer ab Mitte November jedoch noch im Rahmen einer achtwöchigen Schulungsmaßnahme darauf vorbereitet: Im Rahmen dieses Vorkurses wird Basiswissen für den Beruf, wie Berufskunde, das Kennenlernen betrieblicher Anforderungen, Lernen und Entwicklung von Selbstlernkompetenz und berufsbezogene Kommunikation vermittelt und geprüft. Zum Kennenlernen des Berufes wird es auch eine sechstägige Erprobung im Betrieb geben.
Bevor die Umschulung bei der S-Bahn Stuttgart losgeht, bekommen einige Teilnehmer noch einen Deutschkurs, mit dem Ziel, ihr Sprachniveau von B1 auf B2 anzuheben. „Mit diesem Maßnahmenpaket wollen wir unseren zukünftigen Mitarbeitern den bestmöglichen Start geben und sie sowohl gesellschaftlich als auch beruflich bestmöglich integrieren“, sagte DB Regio-Chef David Weltzien.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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