Stuttgart. Auf Drängen der SPD ist der Termin für die Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes, die für den 8. November vorgesehen war, um mindestens eine Woche verschoben worden. Einvernehmlich beschlossen der Rechts- und der Innenausschuss am Donnerstag außerdem eine Sondersitzung, in der Präsident Ralf Michelfelder vom Landeskriminalamt Rede und Antwort stehen soll.
Von einem Totalverriss sprach der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sascha Binder und davon, dass Grüne und CDU nachsitzen müssten. „Wenn die Rechtssicherheit und die Verfassungsmäßigkeit in Frage stehen, wäre es grob fahrlässig, dieses Gesetz im Schweinsgalopp im Landtag zu verabschieden“, so Binder weiter. Der Landesregierung bleibe nichts Anderes übrig, als vom bisherigen Zeitplan abzurücken. Auch die FDP sieht sich in ihrer Kritik am Gesetzentwurf bestätigt. Die heutige Anhörung haben die „auch von uns erkannten Defizite klar aufgezeigt“, erklärte der frühere Justizminister Ulrich Goll. Ihm gehen die neuen Befugnisse zu weit, "wenn schon jede einfache Körperverletzung ohne terroristischen Hintergrund, wie beispielsweise eine Ohrfeige, den Einsatz schwerster nachrichtendienstlicher Mittel erlaubt“.
Besonders deutlich wurde der Rechtsanwalt und Wissenschaftler Nikolaos Gazeas von der Uni Köln, der durch die geplante präventive Telekommunikationsüberwachung teilweise die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten sieht. Verschiedene Details kritisierte er als nicht verhältnismäßig. Gazeas empfahl der grün-schwarzen Koalition, zum jetzigen Zeitpunkt auf die sogenannte „Quellen-TKÜ", also den Zugriff auf Kommunikationen über internetbasierte Anwendungen wie Whatsapp vor der Verschlüsselung komplett zu verzichten. Eine Expertin teilte mit, dass es eine sichere Software geben, auch in Abgrenzung der von den Grünen abgelehnten Online-Durchsuchung. Michelfelder ließ aber erkennen, dass das LKA eher auf private Anbieter setze. Die Landesregierung müsse ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen. Das sei „nicht gerade günstig“.
Auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Stefan Brink, und der Präsident des Anwaltsverbands, Peter Kothe, trugen erhebliche Bedenken vor. Brink bediente sich sogar eines Begriffs, den Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei der Einbringung des Gesetzes verwendet hatte. Man müsse eben gerade „kein Verfassungsästhet sein, um erhebliche Zweifel“ zu haben, so Brink, der auch seine grundlegende Kritik wiederholte. Unter anderem, weil die Landesregierung die Datensicherheit schwäche, was der Digitalisierungsstrategie und der Einrichtung einer Cyberware widerspreche.
Grünen Innenexperte Hans-Ulrich Sckerl kam der Opposition immerhin so weit entgegen, dass auch er weiteren Gesprächsbedarf sah. Die Koalitionspartner hatten sich in 19 Verhandlungen auf den vorliegenden, allerdings von vielen Seiten kritisierten Kompromiss geeinigt. Die SPD hatte ursprünglich gefordert, das Gesetzgebungsverfahren zur Gänze auszusetzen. Binder schließt auch weiterhin nicht aus, dass nach der Sondersitzung der beiden Ausschüsse am 7.November weiterer Gesprächsbedarf besteht. Dann könnte die Verabschiedung weiter verschoben werden. Mit den neuen Regelungen sollen islamistische Anschläge frühzeitig erkannt werden. Im Paket mitbeschlossen werden soll eine Regelung, die Kommunen ein Alkoholkonsumverbot auf öffentlichen Plätzen ermöglicht.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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