Datenschutz ist Verbraucherschutz

13.12.2011 
Redaktion
 
Datenschutzbeauftragter stellt Tätigkeitsbericht vor
Foto: MEV

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Stuttgart. Staatstrojaner, Facebook und automatische Gesichtserkennung. Die Aufgabengebiete des Datenschutzes haben sich durch die Digitalisierung des Alltags stark erweitert. Jörg Klingbeil, Landesbeauftragter für den Datenschutz, stellte am Montag seinen Tätigkeitsbericht für 2010 und 2011 vor. Er mahnte einen sensibleren Umgang mit persönlichen Daten an und äußerte Kritik an sozialen Netzwerken, dem Einsatz des Staatstrojaners und einer zunehmenden Überwachung der Bürger im Alltag. Der Gesetzgeber müsse reagieren.

Die Datenspuren im Internet werden immer zahlreicher. Mit der allgegenwärtigen Datenverarbeitung wachse, so Klingbeil, die Gefahr, dass von interessierten Stellen – seien sie staatlich oder wirtschaftlich motiviert – persönliche Nutzungsprofile ausgewertet werden können und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf der Strecke bleibe. Mit diesen Entwicklungen könne das Datenschutzrecht kaum Schritt halten. Hoffnung setzt der Landesbeauftragte daher die bevorstehende Überarbeitung des europäischen Rechtsrahmens. Von der Bundesregierung komme beim Datenschutz zu wenig.

Einsatz des Staatstrojaners war fragwürdig

Im Bereich des öffentlichen Datenschutzes habe in diesem Jahr besonders die Nutzung des Staatstrojaners eine große Rolle gespielt. Klingbeil kritisierte den Einsatz der Software auch durch hiesige Ermittlungsbehörden als mangelhaft und fragwürdig. Die zuständigen Behörden dürften sich nicht auf angemietete Erfassungssoftware und die Aussagen der Entwicklerfirma verlassen. Sie selbst müssten die Funktionen voll überblicken können. „Diese Art von Outsourcing in einem Kernbereich hoheitlichen Handelns sollte künftig unterbleiben. Es ist höchste Zeit, dass die staatlichen Stellen wieder Herr des Verfahrens werden“, sagte Klingbeil.

Gegen eine Totalüberwachung

Besorgt äußerte sich der oberste Datenschutzbeauftragte über internationale Entwicklungen. „In Europa würden, nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit, mit öffentlichen Fördermitteln zahlreiche Forschungsvorhaben vorangetrieben, die ‚verdächtiges’ Verhalten erkennen sollen.“ Die Mischung aus Online-Recherche, Überwachungskameras, Drohnen und Gesichtserkennung beim Projekt „Indect“ grenze an Totalüberwachung. Bei der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine werde das System wohl erstmals Anwendung finden. „Diese Totalüberwachung wäre in Deutschland verfassungswidrig. Indect scheint sich eher für Diktaturen zu eignen“, kritisierte Klingbeil. Auch in Deutschland werde an ähnlicher Überwachungssoftware gearbeitet. „Dabei müsse gewährleistet sein, dass jeder Bürger selbst entscheiden kann, ob er gefilmt werden will oder nicht“, sagte Klingbeil. Man müsse sich grundsätzlich unbeobachtet fühlen können, so der Landesbeauftragte weiter.

Auswüchse bei Antiterrorlisten

Das Bestreben nach umfassender Sicherheit treibe mitunter merkwürdige Blüten, machte Klingbeil am Beispiel des Umgangs mit Antiterrorlisten deutlich. „Viele Unternehmen fühlen sich genötigt, die Personalien ihrer Mitarbeiter und Kunden flächendeckend mit den Antiterrorlisten abzugleichen, obwohl keinerlei Verdacht einer Zugehörigkeit zu terroristischen Gruppierungen besteht“, sagte der Landesdatenschutzbeauftragte. 

Klingbeil rügte besonders den Umgang mit sensiblen Daten bei den sozialen Netzwerken – allen voran Facebook. Es sei höchste Zeit, dass sich diese Konzerne an das deutsche und europäische Datenschutzrecht hielten. Der Gesetzgeber sei gefragt. Er appellierte an die öffentlichen Verwaltungen sensibler mit der Nutzung von Facebook-Funktionen zu sein. Beispielhaft nannte er den „Gefällt-mir-Button“.  Man könne nicht einerseits vor den Gefahren von Facebook warnen und anderseits die Dienste unreflektiert für seine Zwecke in Anspruch nehmen und damit indirekt die Daten der Bürger preisgeben.

Datenschutz in der Arbeitswelt

Das Thema Datenschutz müsse auch in Krankenhäusern und bei Arbeitnehmer- und Kundendaten höhere Priorität genießen. „Für den Umgang mit persönlichen Daten gibt es Regeln, die von Krankenhausmitarbeitern und -verwaltung sorgfältig zu beachten sind“, erklärte der Landesbeauftragte für den Datenschutz. Dies sei leider nicht immer der Fall, wie ein Kontrollbesuch bei einem großen Klinikum gezeigt hätte. Beim Thema Datenschutz in der Arbeitswelt verzeichnet Klingbeil eine zunehmende Bedeutung. Arbeitnehmer  beschwerten sich vermehrt über Fragen des Arbeitsgebers nach Familienstand, Gesundheitszustand und Lebensgewohnheiten. Diese Fragen seien unzulässig. 


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