Stuttgart. Der 56-Jährige war Polizeichef, daheim in Reutlingen, als ihn der Ruf aus der Landeshauptstadt ereilte. Franz Lutz hat die Herausforderung angenommen. Anfang September wird er offiziell ins Amt als neuer Polizeipräsident von Stuttgart eingeführt.
Staatsanzeiger: Was wollten Sie als Kind werden?
Franz Lutz: Mein Vater hatte eine Metzgerei. Hätten Sie mich als Zehnjährigen gefragt, hätte ich gesagt, natürlich übernehme ich das Geschäft, mit 15 wollte ich dann aber schon Polizist werden. Ein Onkel meiner Mutter war Polizist in Ravensburg und brachte mich der Polizei näher. Und er war überzeugt, dass ich ein guter Polizist werde.
Was ist ein guter Polizist?
Gute Frage. Ein guter Polizist hat ein Gespür für Recht und Ordnung, er hat das in seinem Leben, in seiner Erziehung mitbekommen, was Recht und Ordnung ist. Er hat gelernt, das, vom dem er nicht will, das es ihm angetan wird, auch niemand anderem anzutun …
… außer von Amts wegen.
Natürlich, aber die Herangehensweise gehorcht dennoch dieser sogenannten Goldenen Regel. Davon bin ich fest überzeugt.
Wie wichtig ist der Instinkt? Im richtigen Moment das Richtige zu tun?
Der Instinkt ist von großer Bedeutung in extremen Situationen. Die sind aber in sehr vielen Polizistenleben sehr selten, Gott sei Dank. Im Alltag aber sind es ja eher die Bürger und Bürgerinnen, mit denen wir es zu tun haben, in Ausnahmesituationen. Nehmen Sie einen Verkehrsunfall oder einen Wohnungseinbruch. Für Polizisten gehört das zur Profession, zum selbstverständlichen Handeln.
Wie sehr verstellen das Fernsehen und die Rolle, die Polizei dort meistens spielt, einen realistischen Blick auf Ihre Arbeit?
Wir sind mit vielen Klischees konfrontiert, aber wir können damit umgehen. Ein „Tatort“ wäre zu langweilig, wenn zum Beispiel die intensive Spurenauswertung so dargestellt würde, wie sie tatsächlich abläuft.
Sie haben die Stichworte Recht und Ordnung angesprochen. Wie werden die auf Eventmeilen durchgesetzt, etwa auf der berühmten Theodor-Heuss-Straße?
Ich werde am nächsten Wochenende einen Nachtdienst mit den Kollegen mitmachen, um mir vor Ort einen Eindruck zu verschaffen. Eventmeilen haben immer eine Bedeutung für die Kommunen. Das Leben dort muss aber nach akzeptablen und nachvollziehbaren Regeln ablaufen. Da muss ein Ausgleich gefunden werden, und den müssen alle Beteiligten mitgestalten und mitgestalten wollen.
Ihre ersten Schlagzeilen haben Sie mit einem anderen Vor-Ort-Besuch produziert. Kaum im Amt, sind Sie bei einer Demo gegen Stuttgart 21 erschienen.
Ich will die Stadt kennenlernen, ich will die Polizeiarbeit in der Stadt kennenlernen. Ich will das Herz der Stadt schlagen hören. Und wer das will, muss auch zu den Gegnern von Stuttgart 21. Das gehört zum Eintauchen in die aktuellen Themen, genauso wie die Theodor-Heuss-Straße oder die Treffpunkte von Gruppierungen.
Was haben Sie erlebt rund um den Bahnhof?
Als junger Polizist war ich in Wyhl und habe den Widerstand gegen das Atomkraftwerk hautnah mitbekommen. Das war beeindruckend, weil es da eine Ernsthaftigkeit im Umgang auf beiden Seiten gab. Vor dem Bahnhof hat mich vor allem die Vielfalt beeindruckt, dass sich so viele unterschiedliche Menschen zusammenfinden.
Es heißt, Sie mögen keine Überraschungen.
Ich bin lieber der Igel als der Hase, ich will eine Entwicklung einschätzen können, wenn sie eintritt.
Es gibt eine sehr grundsätzliche Entwicklung. Über allem, auch über der Polizei, schwebt das Damoklesschwert der Schuldenbremse und damit die Aussicht auf finanzielle Kürzungen.
Die Polizei ist im personellen Bereich auf Kante genäht. Gerade in der Urlaubszeit kann es Situationen geben, in denen wir alle Reserven abrufen müssen. Und genau da will die Polizeireform ja auch ansetzen. Nur ein einziges Beispiel: In Tübingen und in Reutlingen, 15 Kilometer voneinander entfernt, machen zwei Beamte in den Führungs- und Einsatzstäben dasselbe, der eine für zwei und der andere für vier Reviere. Das kann auch einer für sechs Reviere machen. Das Ziel ist, mehr Beamte auf die Straße zu bringen, und ich bin sicher, dass dieses Ziel auch zu erreichen ist.
Aber wird damit nicht auch einem subjektiven Sicherheitsempfinden entsprochen, das durch keine Statistik belegt ist?
Aber das Empfinden ist da. Ich war mit Freunden, keine Polizisten, abends in einer Stuttgarter Unterführung, und da waren mehrere Beamte unterwegs. Meine Freunde waren zufrieden, ich hingegen habe mich gefragt, ob und wenn ja was los sein könnte. So unterschiedlich ist die Wahrnehmung. Es ist unstrittig, dass sich die Leute wohler fühlen, wenn Polizisten auf der Straße sind. Und wir könnten heraus aus der grundsätzlich reaktiven Situation, und das heißt eben auch, dass Polizisten wieder mehr zum lebendigen Straßenbild, zum Beispiel auf Fußstreife, gehören könnten...
… die Polizei als Freund und Helfer.
Ich meine das ernst. Wir können unsere Potenziale nutzen, Lagen vor Ort viel besser einschätzen und so auch Entwicklungen verhindern, ehe sie eintreten.
Würden Sie Ihren Beruf noch einmal wählen?
Unbedingt, und zwar gerade auch wegen des direkten Kontakts. Ich habe in meiner Ausbildung viel gelernt über Personalführung, Controlling oder Qualitätsmanagement. Aber es kribbelt, wenn ich auf die Straße gehe. Dann weiß ich genau, wie richtig meine Berufswahl ist.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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