Familien hadern weiter mit achtjährigem Gymnasium

19.11.2010 
Redaktion
 
Foto: MEV

Stuttgart. Das achtjährige Gymnasium sorgt noch immer für großen Unmut bei den Eltern. Bei einer Umfrage gaben fast drei Viertel (72 Prozent) von rund 5000 Eltern an, sie seien damit unzufrieden. Sechs Jahre nach der Einführung von G8 beklagen die Eltern die Belastung der Kinder durch zu umfangreiche Stundenpläne, zu große Stofffülle, Zeitdruck und Notenstress. Der „Verein Schule mit Zukunft“ hat die Umfrage gemeinsam mit dem Stuttgarter Gesamtelternbeirat organisiert.„Es ist ein Armutszeugnis für das Kultusministerium und die Landesregierung, dass sie es nicht geschafft haben, die Probleme von G8 zu lösen, obwohl Eltern, Lehrer und Schulleiter genügend Hinweise gegeben haben, woran es klemmt“, sagte die Vize-Chefin des Vereins, Katharina Georgi-Hellriegel. 

Die Kinder seien durch die langen Schultage überarbeitet: 72 Prozent der Eltern gaben bei der Frage «Sind die Schüler erschöpft?» an, dies sei immer oder sehr häufig der Fall.Kultusministerin Marion Schick (CDU) räumte mit Blick auf die Umfrageergebnisse ein: „Aus meiner Sicht ist klar, dass die Kinder und Jugendlichen am achtjährigen Gymnasium künftig mehr Freiräume für ihre Freizeitgestaltung brauchen.“ In den nächsten Wochen werde sie dem Kabinett Vorschläge zur Entlastung der Schüler unterbreiten, die zum nächsten Schuljahr in Kraft treten sollen.Georgi-Hellriegel, Mutter eines Neuntklässlers mit 37 Wochenstunden und 3 Schulnachmittagen wöchentlich, fasst zusammen, was Eltern rückmelden: „Die Kinder kommen nach Hause und hängen vor dem Fernseher ab oder legen sich aufs Bett.“ Zeit und Lust für Sport oder Musik fehle den meisten von ihnen.

In den ersten fünf Klassen des G8 liege die durchschnittliche Wochenstundenzahl bei 34,3 - angemessen wären nach Einschätzung des Vereins 31, nach Empfehlung des Kultusministeriums 32 Wochenstunden für die Klassen 5 und 6.Laut der Umfrage unter 4756 Eltern wünschen sich knapp 80 Prozent, für ihre Kinder zwischen dem neunjährigen und achtjährigen Gymnasium wählen zu können. Georgi-Hellriegel fordert, dass jede Schule mit schlüssigem Konzept neunjährige Züge einführen darf. Dem erteilte Schick eine Absage und verwies auf die Möglichkeit, die Hochschulreife über die beruflichen Gymnasien zu erlangen. Dem widersprach die Elternvertreterin, denn viele Realschul-Absolventen würden sich vergeblich bei den beruflichen Gymnasien bewerben. Die Kapazitäten reichten nicht aus.

Die SPD im Landtag schloss sich der Forderung nach Wahlmöglichkeiten an und warf der Landesregierung eine «ideologische Schulpolitik» vor.Nach den Worten von Georgi-Hellriegel leidet das Familienleben unter der Überforderung der Schüler: «Die Mütter sind als Nachhilfelehrer der Nation eingespannt.» Referate für GFS-Arbeiten (Gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen) würden im Elternjargon in „Ganze Familie schafft“ umbenannt. Laut Umfrage sehen 60 Prozent der Eltern Nachhilfebedarf ihrer Zöglinge. „Wer es sich leisten kann, dessen Kind kommt weiter“, kritisierte Georgi-Hellriegel.Trotz der Vorgabe, Unterrichtsinhalte bei G8 zu reduzieren, werde immer noch zu viel Stoff vermittelt, monieren 72 Prozent der Eltern. Eine Entrümpelung hat nicht stattgefunden. Deshalb haben die Kinder keine Ruhe, sich mit einem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Der Spaß im Unterricht wird durch den Zeitdruck genommen - das gilt auch für die Lehrer», betonte die Lektorin. 55 Prozent der befragten Eltern attestierten ihrem Nachwuchs, häufig oder stets keine Lust auf Schule zu haben. Allerdings berichteten 88 Prozent auch, ihr Kind fühle sich an seiner Schule im Prinzip wohl.


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