Stuttgart. Die CDU hat die Europawahl in Baden-Württemberg klar gewonnen und anders als im Bund zugelegt - allerdings bloß minimal. Zweiter Sieger ist nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis vom Sonntagabend die SPD, die nach ihrem historisch schlechten Ergebnis 2009 am deutlichsten Boden gutmachen konnte.
Weiterer Gewinner ist die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD), die aus dem Stand rund 7,9 Prozent holte. Landessprecher Bernd Kölmel sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Das ist ein fantastisches Ergebnis.“ Die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann verloren leicht, die FDP stürzte in ihrem Stammland ab.
Die ersten SWR-Prognosen zur Kommunalwahl im Südwesten stellten die CDU hingegen bloß teilweise zufrieden. Während die Union in Karlsruhe ihre Führung mit 28,0 Prozent klar behaupten kann, liefert sie sich in Stuttgart mit den Grünen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Hier wollte die CDU die Ökopartei um Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) unbedingt nach fünf Jahren wieder als stärkste Fraktion im Gemeinderat ablösen. In Mannheim, wo schon am Abend alle Stimmzettel ausgezählt waren, muss die CDU leichte Verluste hinnehmen. Stärkste Fraktion bleibt die SPD.
Bei der Europawahl konnte die CDU ihr schlechtestes Ergebnis von 2009 verbessern. Sie legte sie um 0,6 Prozentpunkte auf 39,3 Prozent zu. Das ist aber das zweitschlechteste Ergebnis. Feierlaune gab es bei der SPD, die mit ihrem populären Spitzenkandidaten Martin Schulz ein Plus von 4,9 Punkten auf jetzt 23,0 Prozent verzeichnete. Die Grünen mussten Einbußen von 1,8 Punkten hinnehmen und erreichten 13,2 Prozent. Die Liberalen fielen von 14,1 Prozent auf 4,1 Prozent. Wie viele Baden-Württemberger damit ins Europaparlament in Straßburg einziehen, war zunächst unklar.
Die Wahlbeteiligung lag bei 52 Prozent und damit so hoch wie vor fünf Jahren. Die Südwest-CDU liegt auch deutlich über den bundesweiten Zahlen - danach kommen CDU und CSU auf knapp 36 Prozent. Besser als die Bundesparteien waren auch die Grünen und die Liberalen - letztere sehen Baden-Württemberg als ihr Stammland. Die Südwest-SPD fährt traditionell schwächere Ergebnisse ein - so auch bei der Europawahl: knapp vier Prozentpunkte zwischen Bundes-SPD und Landespartei.
Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl betonte, dass Grüne und SPD in Baden-Württemberg nicht so stark seien wie die Union alleine. Fraktionschef Peter Hauk wertete das Ergebnis seiner Partei bei der Europawahl als Stärkung der Christdemokraten im Land. „Es ist erneut sichtbar geworden, dass Grün-Rot keine Mehrheit hat.“ Generalsekretärin Katrin Schütz und Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) interpretierten die Zahlen als Rückenwind für die Oppositionspartei zur Landtagswahl 2016.
Kretschmann warnte genau davor: „Bei einer Europawahl wird über das Europaparlament und nicht über den Landtag entschieden.“ Er zeigte sich mit dem Europawahlergebnis der Grünen zufrieden. Bei der Bundestagswahl habe seine Partei einen Riesendämpfer bekommen. Jetzt gehe es wieder aufwärts. Auch Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand bezeichnete das Ergebnis seiner Partei trotz Verlusten als Erfolg. „Die Zahlen sind ein Beleg dafür, dass wir uns aus dem Tief nach der Bundestagswahl herausgearbeitet haben.“
SPD-Landeschef Nils Schmid zeigte sich erfreut über den Zugewinn seiner Partei: „Martin Schulz als Spitzenkandidat hat uns durchweg einen enormen Mobilisierungsschub gegeben.“ Der FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer deutete das Ergebnis nach dem Rauswurf seiner Partei aus dem Bundestag im September als „gewisse Stabilisierung“. Der Prozess der Wiederaufrichtung der FDP sei aber ein Langstreckenlauf.
Wahlexperte Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim in Stuttgart sagte, viele frühere FDP-Wähler hätten sich der AfD zugewandt. Dies sei zu erwarten gewesen, da sich die Liberalen im Wahlkampf eindeutig als Europapartei positioniert hätten. Es sei „ein Stück weit nachvollziehbar“, dass sich da unzufriedene Teile des bürgerlichen Lagers zur AfD hingezogen fühlen. „Auch in dieser Höhe.“
Für EU-Kommissar Günther Oettinger muss der konservative Spitzenkandidat zur Europawahl, Jean-Claude Juncker, der nächste Kommissionspräsident werden. Da die Europäische Volkspartei mit Abstand die stärkste Fraktion im Parlament sein werde, sei das klar.
Bei der Gemeinderatswahl in Stuttgart könnten die Grünen um Oberbürgermeister Fritz Kuhn ihre Position als stärkste Fraktion verlieren. 2009 hatten sie von ihrem Protest gegen das Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 profitiert und 25,3 Prozent der Stimmen bekommen. Erstmals seit Mitte der 1970er Jahre war die Union nicht mehr die stärkste Ratsfraktion in der Landeshauptstadt. Kuhn, der seit 2013 OB in Stuttgart ist, sagte mit Blick auf das prognostizierte Patt: „Das stärkt meine Amtsführung.“
CDU-Kreischef Stefan Kaufmann sah „keinen Grund zur Euphorie“. Die SPD kommt laut Prognose von Infratest dimap in der Landeshauptstadt auf 15 Prozent (minus 2,0) - das ist erneut das historisch schlechteste Ergebnis.
In Karlsruhe konnte die SPD nach der Prognose kaum vom Amtsbonus ihres 2013 gewählten OB Frank Mentrup profitieren. Demnach liegen die Sozialdemokraten in der zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs bei der Wahl mit den Grünen gleichauf bei etwa 22 Prozent. Vor fünf Jahren erreichte die SPD 19,6 Prozent, die Grünen kamen auf 20,1 Prozent.
Die AfD, die erstmals bei einer Kommunalwahl im Südwesten auf den Stimmzetteln stand, schafft es den Zahlen zufolge in beiden Städten mit jeweils fünf Prozent in die Parlamente. Deutlicher war das Ergebnis in Mannheim: 7,4 Prozent. Dort konnten die Sozialdemokraten ihr Ergebnis leicht verbessern und kamen auf 31,7 Prozent (2009: 30,6 Prozent). Dahinter folgen CDU mit 27,3 Prozent (28,7 Prozent) und Grüne mit 14,3 Prozent (15,9 Prozent). Bis die endgültigen Ergebnisse der Kommunalwahl vorliegen, wird es noch mehrere Tage dauern.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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