Nachgebessert, aufgestockt, abgewiesen

10.02.2011 
Redaktion
 
Hartz IV
Foto: © MEV

Berlin. Von  Vor genau einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die geltenden Hartz-Regelsätze gegen das Grundgesetz verstoßen. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, neu zu rechnen. Im Herbst legte die Bundesregierung eine Reform vor, die eine Anhebung des Regelsatzes für Erwachsene um fünf Euro von 359 Euro auf 364 Euro vorsah und ein Bildungspaket für arme Kinder.

Etwa 2,3 Millionen bedürftige Kinder und Jugendliche sollten eine gezielte Förderung bekommen - in Form von Zuschüssen für Nachhilfe, Sportkurse und warmes Mittagessen in Schule und Kita. Um die Umsetzung sollten sich die Jobcenter kümmern. Für das Bildungspaket waren rund 740 Millionen Euro vorgesehen. SPD, Grünen und Linken war beides - Regelsatzerhöhung wie Bildungspaket - zu wenig. Über ihre Regierungsbeteiligungen in den Ländern blockierten sie die Pläne im Bundesrat. Union und FDP haben dort keine Mehrheit. Seitdem läuft ein zähes Vermittlungsverfahren. Die Opposition verlangte eine andere Berechnung des Hartz-Regelsatzes, was auf eine Erhöhung hinausliefe.

Das Bildungspaket wollten sie über die Kommunen abwickeln und auf mehr Kinder ausweiten. Sie forderten außerdem zusätzliche Sozialarbeiter - mindestens einen pro Schule. SPD und Grüne wollten der Koalition in den Verhandlungen aber auch Zugeständnisse beim Mindestlohn abringen und bessere Bedingungen für Zeitarbeiter durchsetzen. Die Koalition ging an einigen Stellen auf die Opposition zu, an anderen Stellen ließ sie deren Forderungen abblitzen. Nach vielen schwierigen Tages- und Nachtsitzungen scheiterten die Verhandlungen schließlich. Union und FDP stellen ihr nachgebessertes Paket dennoch am Freitag im Bundesrat zur Abstimmung.

Bildungspaket aufgestockt

Gegenüber dem Ursprungsentwurf hat sich einiges geändert. Auch Kinder von Wohngeldempfängern (etwa 160.000 Jungen und Mädchen zusätzlich) sollen vom Bildungspaket profitieren. Um die Umsetzung kümmern sich den Plänen nach komplett die Kommunen - wie von der Opposition gefordert. Auch Kinder in Hortbetreuung sollen ein warmes Mittagessen bekommen.

Das Paket wird insgesamt deutlich aufgestockt auf ein Volumen von 1,5 Milliarden Euro. Das Geld dafür soll über die Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger an die Städte und Gemeinden fließen: Der Bund erhöht seine Beteiligung an dieser Stelle, was den Kommunen den Spielraum gibt, das Bildungspaket zu finanzieren. Eine sogenannte Revisionsklausel soll dafür sorgen, dass die Kommunen tatsächlich das Geld erstattet bekommen, das sie ausgeben.

Mehr Geld für Kommunen

Zusätzlich will der Bund die Städte und Gemeinden an anderer Stelle entlasten und die Grundsicherung im Alter ab 2012 nach und nach ganz übernehmen. Dieser Schritt war ohnehin geplant. Bislang tragen die Kommunen bei der Grundsicherung die Hauptlast. Im Jahr geht es um eine Größenordnung von etwa vier Milliarden Euro, etwa 600 Millionen Euro schultert bislang der Bund. Die Kosten wachsen jedoch jedes Jahr. Ab 2014 würde der Bund die Gesamtlast tragen.

Im Gegenzug müssten die Kommunen im Streit um die Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger Ruhe geben und ihre finanziellen Forderungen an den Bund zurückziehen. Bund und Kommunen liegen bei der Aufteilung der Wohnkosten im Dauerclinch. Finanziert werden soll der Grundsicherungs-Deal über Kürzungen bei der Bundesagentur für Arbeit. Die schwarz-gelbe Koalition ist laut Entwurf außerdem offen für einen Mindestlohn im Wachgewerbe und der Weiterbildungsbranche.

Auch für Zeitarbeiter soll ein Mindestlohn kommen. Über gleiche Bezahlung für Leiharbeiter und Stammbelegschaft sollen zunächst Gewerkschaften und Arbeitgeber reden. Einigen sie sich nicht, soll eine Kommission eingreifen. SPD und Grünen hatten Lohngleichheit nach spätestens einem Monat gefordert, später boten sie eine Frist von vier Monaten an. Union und FDP blieben aber starr bei neun Monaten.

Es bleibt bei fünf Euro

Beim Regelsatz ändert sich im geänderten Paket nichts. Es bleibt bei der Fünf-Euro-Erhöhung. Eine kleine Neuerung: Hartz-IV-Empfängern, die eine Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Arbeiten oder Übungsleiterjobs bekommen, wird beim Regelsatz nichts abgezogen. Das nachgebesserte Paket der Koalition hat im Bundesrat allerdings kaum Chancen. Schließlich fehlt Schwarz-Gelb in der Länderkammer eine Stimme. Union und FDP werben um ein Ja der von SPD oder Grünen mitregierten Länder. Die stellen bislang aber auf stur. Vermutlich wird die Koalition mit ihrem Gesetzentwurf also ein zweites Mal im Bundesrat scheitern. Das mühsame Vermittlungsverfahren dürfte damit von vorne beginnen.


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