Strohballenbau: Nischenmarkt mit ökologischem Potenzial

11.12.2020 
Redaktion
 
Ein Strohballenhaus im Bau. Die einzelnen Holzteile mit Stroh in den Zwischenräumen sind bereits zusammengesetzt, aber noch nicht mit Lehm verputzt.

Foto: Schemmick

STUTTGART. Stroh als Baustoff kann eine klimafreundliche Alternative zu Beton, Mauerwerk und üblichen Dämmmaterialien sein. Das fehlende Wissen über Stroh sei das größte Hemmnis für eine stärkere Nachfrage, heißt es in einer Marktstudie des EU-Projekts Up Straw von 2019.

Die Verfasser der Studie schätzen die Zahl der Strohballenhäuser in Deutschland auf rund 450. Pro Jahr würden etwa 50 neu gebaut. Somit sei nur eines von 2381 neu gebauten Wohnhäusern strohgedämmt. Mit dem jährlich anfallenden Stroh, das nicht für die Landwirtschaft benötigt wird, könnten demnach 350 000 Einfamilienhäuser gebaut werden.

Nach Angaben des Fachverbands Strohballenbau Deutschland (Fasba) werden bisher vor allem Wohnhäuser strohgedämmt umgesetzt. Doch der Verband listet auch andere Strohballengebäude auf: grüne Klassenzimmer, Kindergärten, Cafés, eine Gewerbehalle und Seminar- und Bürogebäude.

EXPERTIN: STROHBALLENBAU IST FÜR HANDWERKER GUT ERLERNBAR

„Der Einsatz von Stroh ist eine Nische in der Baubranche“, sagt Architektin Aleksandra Schemmick aus Walzbachtal, die als eine der wenigen Planer in Baden-Württemberg strohgedämmte Häuser entwirft. Laut Marktstudie bieten derzeit nur wenige Holzbaubetriebe in Deutschland Strohballenbau an. Dabei ist die Bauweise laut Schemmick gut erlernbar. Zimmerer und Verputzer können dazu eine Fortbildung besuchen. Der Fasba bietet regelmäßig eine Weiterbildung zur Fachkraft Strohballenbau an.

Die Zimmerei Grünspecht aus Freiburg baut seit 2019 strohgedämmte Häuser. „Schon seit einigen Jahren waren wir auf der Suche nach einer noch ökologischeren Bauweise“, so Markus Wolf, Zimmerer und Vorstandsmitglied bei Grünspecht, in einem Interview mit Wiebke Kaesberg vom Fasba. Als ein Kunde Interesse am Baustoff Stroh zeigte, habe sich die Firma für ein Pilotprojekt entschieden.

Wolf hebt positiv hervor, dass die Baustoffe im Strohballenbau vergleichsweise günstig seien. Bauherren zahlten vor allem für die Wertschöpfung, die durch die Arbeit der Handwerker entstehe. Laut Marktstudie entfallen etwa 30 Prozent der Kosten für die Außenwand eines Strohballenhauses auf den Holzbau. Das Verputzen der Wand verursache 50 Prozent der Kosten. Insgesamt kostet ein Strohballenhaus laut Studie etwa so viel wie ein konventionell gebautes Wohnhaus mittleren Standards. Der Zimmerer Wolf hält eine CO2-Bepreisung für sinnvoll. Im Vergleich zu anderen Baustoffen wäre Stroh dann noch günstiger.

Das Interesse am Bauen mit Stroh nimmt laut Architektin Schemmick zu. Deutschland liege beim Strohballenbau jedoch weit hinter anderen Ländern zurück. In Deutschland wird im Norden und Osten, vor allem rund um Berlin, am häufigsten mit Stroh gebaut.

In Baden-Württemberg werden Strohballenhäuser laut Umwelt- und Wirtschaftsministerium bisher nicht direkt gefördert. Sie könnten aber über Wohnbau- und Städtebauförderung unterstützt werden.

Bauen mit Stroh in Gebäudeklassen vier und fünf möglich

Das Wirtschaftsministerium weist darauf hin, dass die Vorschrift in der Landesbauordnung zum Brandverhalten von Materialien baustoffneutral ist. Unter bestimmten Bedingungen dürfe daher Baustroh, das als normalentflammbar gilt, auch für die Gebäudeklassen vier (Gebäude bis 13 Meter Höhe) und fünf (sonstige Gebäude) verwendet werden. In anderen Bundesländer seien nur die Gebäudeklassen eins bis drei (Gebäude bis sieben Meter Höhe) möglich.

Umwelt- und Wirtschaftsministerium halten den Strohballenbau für eine Nische mit ökologischem Potenzial. Aus Sicht des Umweltministeriums sei es „wünschenswert, wenn alle Energie, die ein Baustoff von der Herstellung über die Verwendung bis zum Abbau und anschließender Verwertung verbraucht oder beinhaltet, Berücksichtigung fände“. Der Fasba hatte gefordert, dass diese „graue Energie“ in das bundesweite Gebäudeenergiegesetz einbezogen wird. Das Gesetz wurde am 3. Juli beschlossen: Der CO2-Ausstoß von Baustoffen soll im Energieausweis erfasst, aber nicht bepreist werden.

Ausführliche Informationen zum Strohballenbau bietet die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe in einer Broschüre.

Nur eine Konstruktionsart zugelassen
Strohballengebäude können grundsätzlich auf zwei Arten konstruiert werden: Entweder werden die Strohballen lasttragend eingesetzt und wie bei einem Mauerwerk aufeinander geschichtet. Oder die lasttragenden Teile bestehen aus Holz oder Stahl, während das Stroh als Wärmedämmstoff in die Ständerkonstruktion eingesetzt wird. Die zweite Bauweise ähnelt dem Holzrahmenbau und dem Bau klassischer Fachwerkhäuser. Der Fachverband Strohballenbau Deutschland (Fasba) hat 2006 eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für die Ständerbauweise erreicht. Lasttragende Strohballenhäuser, wie sie ursprünglich gebaut wurden, werden dagegen nur in Einzelfällen genehmigt. Der Fasba hat 2014 eine Strohbaurichtlinie vorgelegt, die jedoch keinen offiziellen Charakter hat.


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