Grünen-Abgeordneter Untersteller fordert Passivhausstandard für Landesgebäude

02.11.2010 
Redaktion
 
Landeseigene Gebäude, wie auch der Landtag, sollen nach den Vorstellungen des Grünen-Abgeordneten Franz Untersteller künftig nach Passivhausstandard gebaut und saniert werden. Foto: Haus des Landtags

Stuttgart. Das Land sollte mehr tun, um die Energiebilanz der Landesgebäude zu verbessern, fordert der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Franz Untersteller. Dazu hat er auch eine entsprechende Initiative in den Landtag eingebracht.

Sein Ziel: landeseigene Gebäude sollen künftig nur noch unter Einhaltung des sogenannten  Passivhausstandards errichtet werden dürfen. Gegenüber den derzeit geltenden Standards der Energieeinsparverordnung (EnEV2009) würde dies im Schnitt eine Reduzierung des Wärmebedarfs um rund 50 Prozent nach sich ziehen. Auch für die energetische Sanierung von  landeseigenen Gebäuden möchte Untersteller den Passivhausstandard einführen. Abweichungen müssten im Einzelfall begründet werden, so Untersteller. Der noch verbleibende Energiebedarf soll dann so weit möglich mittels erneuerbaren Energien abgedeckt werden.

Gebäudebestand bietet  Möglichkeiten für Energieeinsparungen

Umweltministerium und Wirtschaftsministerium verweisen gerade unter dem Aspekt des Klimaschutzes regelmäßig auf die großen Möglichkeiten im Gebäudebestand. Dieser wird allein in Baden-Württemberg auf rund 2,3 Millionen Gebäude geschätzt, von denen mehr als 70 Prozent vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1978 errichtet wurden. Energetisch saniert wird davon pro Jahr etwa ein bis 1,5 Prozent. Geht es in diesem Tempo weiter, so Untersteller, dann wären bis zum Jahr 2050, wenn die Industrieländer ihre Kohlendioxid-Emissionen um 80 bis 90 Prozent gesenkt haben sollen, gerade mal die Hälfte der Altbauten im Land energetisch saniert.

Verglichen mit dem Gesamtgebäudebestand mag sich der Landesbestand gering ausnehmen: rund 8000 Gebäude, darunter Universitäten, Kliniken, Gerichts- und Verwaltungsgebäude mit einer Gesamtnutzfläche von 11,5 Millionen Quadratmetern, zählen dazu. Rund 80 Prozent des Bestands wurden ebenfalls vor 1978 errichtet.

Land soll Vorbildfunktion wahrnehmen

Für Untersteller ist klar, dass man bei den Bürgern nur dann eine Chance auf Akzeptanz für schärfere Grenzwerte und Sanierungsvorgaben hat, wenn die öffentliche Hand, in dem Fall das Land, bereit ist, beim Umgang mit Energie bei eigenen Neubauprojekten und im Gebäudebestand eine Vorbildfunktion wahrzunehmen. „Die Anwendung des Passivhausstandards wäre hier ein wichtiges Signal“, sagt Untersteller. Hinzu kommt, dass auch die EU der öffentlichen Hand eine Vorbildfunktion zuweist.

Passivhäuser sind Gebäude, die im Winter fast ohne Heizung und im Sommer ohne Klimaanlage auskommen. Das Haus heizt und kühlt sich passiv. Der Jahreswärmebedarf solcher Gebäude bläuft sich auf 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr, was dem Bedarf von etwa 1,5 Litern Heizöl pro Quadratmeter und Jahr entspricht.

Finanzminister Willi Stächele (CDU) verweist in seiner Antwort auf den Antrag Unterstellers (Drucksache14/6895) darauf, dass mit der EnEV 2009 bereits ein Niedrigenergiestandard gesetzlich vorgeschrieben sei. Hinzu komme, dass bei Nichtwohngebäuden die Anzahl der realisierten Projekte in Passivbauweise bundesweit noch gering sei. „Einen gesetzlichen Standard für Passivhäuser gibt es noch nicht“, schreibt Stächele. Hinzu kommt nach Angaben des Finanzministers, dass für den Bereich der Nichtwohngebäude  keine belastbaren Untersuchungen  über den Mehraufwand  und damit auch die Mehrkosten von Passivhäusern gegenüber dem Standard der EnEV 2009 bekannt sind.

Hessen plant bis 2030 eine CO2-freie Landesverwaltung

In Hessen, wo im August von den Finanz- und Umweltministerien  Eckpunkte für eine „CO2-neutrale Landesverwaltung“ vorgestellt wurden, wird mit Mehrkosten in Höhe von 10 Prozent in Anlehnung an die vorhandenen Erfahrungen im Wohngebäudebereich  gerechnet, dem gegenüber werden Einsparungen für den Haushalt von neun Euro pro Quadratmeter erwartet, wenn die Energiepreise weiter ansteigen.

Für normale Verwaltungsgebäude könnte dies zutreffen, so Stächele. Bei technisch hoch installierten Gebäuden wie Forschungs- und Laborgebäuden werden höhere Mehrkosten erwartet, um die Kriterien für ein Passivhaus zu erfüllen, so Stächele. Hinzu käme, dass gerade bei Laborgebäuden der Energieverbrauch vor allem durch die innere Nutzung bestimmt werde.

Stächele: Bloß geringe Erfahrungen bei Nichtwohngebäuden

„Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen haben sich Passivhäuser auch am Immobilienmarkt bisher noch nicht durchgesetzt. Dies betrifft sowohl den Bereich des Wohnungsbaus und in noch stärkerem Maße Nichtwohngebäude“, so Stächele.

Im Auftrag des Bundesbauministeriums werden derzeit Untersuchungen durchgeführt, mit denen der Mehraufwand eines deutlich höheren energetischen Standards verglichen mit der EnEV 2009 und die damit erreichbaren Energieeinsparungen dargestellt werden sollen. Hintergrund ist eine mögliche weitere Verschärfung der Energieeinsparverordnung. In diesem Zusammenhang sollen auch Pilotprojekte in Passivhausbauweise bei Nichtwohngebäuden ausgewertet werden. Stächele verweist darauf, dass es bei Nichtwohngebäuden bundesweit bislang nur geringe Erfahrungen mit der Passivbauweise gebe. „Dem Finanzministerium sind keine belastbaren Untersuchungen bekannt, die eine generelle Wirtschaftlichkeit der Passivhausbauweise bei Nichtwohngebäuden nachweisen“, so Stächele. Für den Landesbau sei deshalb zurzeit nicht geplant die Passivhausbauweise grundsätzlich einzuführen.

Untersteller fordert mehr Mittel für Sanierung landeseigener Gebäude

Untersteller verweist hingegen darauf, dass mit der Einhaltung des Passivhausstandards die Anforderungen der EnEV 2009 um rund 50 Prozent unterschritten würden. „Baden-Württemberg würde sich damit selbst verpflichten, die laut EU-Gebäuderichtline ab 2019 anzuwendenden Standards bei seinen eigenen Neubauvorhaben bereits jetzt einzuhalten“, sagt der Energieexperte der Grünen im Landtag. Zugleich forderte er, die Mittel für Klimaschutzmaßnahmen bei landeseigenen Gebäuden deutlich zu erhöhen. Ab 2010 sollten zusätzliche jährlich 25 Millionen Euro  in den Haushaltsentwurf aufgenommen werden. Diese waren ursprünglich für 2010 und 2011 vorgesehen, wurden aber unter Verweis auf die zwischenzeitlich aufgelegten Konjunkturprogramme wieder gestrichen.

Stächele verweist darauf, dass die energetische Sanierung im Rahmen der vom Parlament zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel auch in den nächsten Jahren fortgesetzt würde. Noch bis Ende 2011 laufen die Konjunktursonderprogramme. Hier stünden für den Landesbau Mittel von rund 340 Millionen Euro zur Verfügung, der Anteil für energetische Maßnahmen betrage etwa 100 Millionen Euro.


Kontakt

Ihre Ansprechpartnerin in der Redaktion

Redaktionsassistentin Staatsanzeiger
Doris Kugel
Telefon: 07 11.6 66 01-290
E-Mail senden

Unser Team

Ihr Kontakt zu unseren Redakteurinnen und Redakteuren

Zum Team

Praktikums-Tagebuch

Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger. 

Zum aktuellen Tagebuch

Der Kommunal-Newsletter

Wissenswertes zu kommunalpolitischen Themen für Sie als Gemeinderat/Gemeinderätin mit einem wöchentlichen Newsletter direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Abonnieren Sie jetzt den 
Kommunal-Newsletter.

Newsletter abonnieren