Strampfer warnt vor neuer Landesbehörde

21.06.2013 
Redaktion
 
Interview: Verwaltungsreform
Foto: Regierungspräsidium Tübingen

Tübingen. Hermann Strampfer ist der einzig verbliebene politische Beamte im Südwesten, der ein CDU-Parteibuch besitzt. Entsprechend vorsichtig bewegt er sich auf der politischen Bühne. Dass der Regierungspräsident von Tübingen dem Staatsanzeiger nun ein Interview gibt, liegt daran, dass er sich um eine Reform sorgt, die so etwas wie sein Lebenswerk ist. Strampfer hat unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) die Verwaltungsreform mitgestaltet.

Die Kritik an der Verwaltungsreform ist so alt wie die Verwaltungsreform selbst. War die Verwaltungsreform vom 2005 ein Fehler?

Hermann Strampfer: Nein. Sie war ein großer Erfolg. Die Ziele der Verwaltungsreform wurden erreicht. Im Zuge der Verwaltungsreform wurden die Sonderbehörden aufgelöst und ihre Aufgaben in die Regierungspräsidien und auf unterer Ebene in die Landratsämter eingegliedert. Das Land Baden-Württemberg bietet nun Verwaltung aus einer Hand für die Bürgerinnen und Bürger und die Kommunen. Die allgemeine Verwaltung des Landes ist schneller, transparenter, bürgerfreundlicher geworden und hat darüber hinaus noch 20 Prozent ihres Personals eingespart. Wir haben in Baden-Württemberg jetzt eine Verwaltungsstruktur wie aus dem Lehrbuch, um die uns die anderen Bundesländer beneiden. Die Kritik an der Verwaltungsreform kam auch nicht von den Bürgern, sondern aus dem Apparat selbst. Dies ist auch nicht verwunderlich, denn die Verwaltungsreform wurde im Interesse der Bürger gemacht. Und deshalb darf sie nicht aus der Sicht der betroffenen Sonderbehörden, sondern ausschließlich aus der Sicht der Bürger bewertet werden. Es ist doch ganz einfach: Wollen unsere Kunden einen Ansprechpartner oder viele, wollen sie eine Entscheidung oder viele? Die Antwort ist klar: einen Ansprechpartner und eine Entscheidung.

Trotzdem gibt es Kritik, etwa beim Thema Gewerbeaufsicht. Wäre es nicht an der Zeit, die Verwaltungsreform einer grundsätzlichen Prüfung zu unterziehen?

Die Verwaltungsreform ist im Jahre 2008 bereits evaluiert worden. Es gab Veränderungen insbesondere im Bereich der Flurerneuerung und des Forstes. Im Wesentlichen hat aber die Evaluation die Verwaltungsreform bestätigt. Natürlich muss eine Verwaltung immer offen sein für Veränderungen. Es gibt keinen perfekten Zustand. Deshalb werden auch wir immer auf dem Prüfstand stehen. Das ist aber eine normale Situation.

Ich möchte aus einem Schreiben zitieren, das im November 2012 vom Verkehrsministerium an alle Regierungspräsidien ging. Darin heißt es: „Die Konstruktion eines Landesbetriebs erscheint uns allen als eine geeignete Lösung. Um die beste Lösung herauszuarbeiten, bereiten wir im Auftrag der Landesregierung eine Organisationsuntersuchung der Straßenbauverwaltung vor“. Hat Sie dieses Schreiben überrascht? Das klingt doch so, als gebe es Konsens, dass auf diesem Feld Regelungsbedarf besteht.

Es ist legitim, sich über weitere Verbesserungen Gedanken zu machen. Aus der Sicht der Regierungspräsidien hat sich aber die derzeitige Struktur sehr bewährt. Wir bündeln in den Regierungspräsidien alle Bereiche, die vom Straßenbau tangiert sind, unter einem Dach. Die Bandbreite reicht vom Forst über die Landwirtschaft, vom Natur- und Artenschutz bis zur Raumordnung. Den Straßenbau aus diesem Gefüge herauszunehmen könnte dem ganzen Zusammenspiel schaden. Bei Veränderungen gilt es immer, die Brille der Fachverwaltung abzulegen und die gesamte Verwaltung in den Blick zu nehmen. Es ist nämlich nichts gewonnen, wenn es einem Teil nützt und dem Ganzen schadet. Ein Problem besteht darin, dass für Straßenbau teilweise die Landratsämter und teilweise die Regierungspräsidien zuständig sind.

Wäre es nicht sinnvoll, den gesamten Straßenbau bei einer der beiden Behörden unterzubringen?

Sie sprechen damit die Schnittstelle zwischen dem Erhalt von Straßen, für den die Regierungspräsidien zuständig sind und dem Unterhalt von Straßen an, der in der Obhut der Landratsämter liegt. Mit dieser Schnittstelle sind alle Beteiligten nicht glücklich, zumal es auch unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wo die Grenze zwischen Erhalt und Unterhalt genau verläuft. Es liegt nahe, diese spezielle Frage und vielleicht auch noch andere Fragen aufzuarbeiten und sie im Konsens mit den Kreisen einer Lösung zuzuführen. Diese Probleme können auch ohne einen Landesbetrieb gelöst werden, und sie sollten möglichst bald gelöst werden.

Wie sieht es mit den einzelnen Vorschlägen, zum Beispiel der Idee, eine eigene Landwirtschaftsbehörde oder ein Landesdenkmalamt zu gründen?

Ich möchte gerne darauf verzichten, weiter auf einzelne Fachbereiche einzugehen. Generell gilt aber, dass wir Regierungspräsidien uns als Bündelungsbehörde sehen, in der wir den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Kommunen Entscheidungen aus einer Hand anbieten. Das ist ein großer Vorteil für alle Beteiligten. Und deshalb verzichten wir ungern auf einzelne Elemente dieses Bündelungszusammenhangs. Die Entscheidung darüber liegt aber bei der Politik, also bei der Landesregierung.

Es geht also nicht darum, dass Sie ein paar hundert Mitarbeiter verlieren und plötzlich nicht mehr so wichtig sind als Regierungspräsident?

Nein. Um Himmels Willen. Es geht nicht um Bedeutung, sondern um ein funktionierendes System. Wir sehen einfach in unserer täglichen Arbeit, wie wichtig es ist, wenn alle Fäden an einer Stelle zusammenlaufen. Das hat sich im Bereich des Hochwasserschutzes in den letzten Wochen wieder deutlich gezeigt. Es war für uns äußerst hilfreich, dass die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich des Hochwasserschutzes, des Umweltschutzes und des Katastrophenschutzes in einer Behörde, in einem Gebäude arbeiten und somit schnell reagieren und sich ohne Reibungsverluste abstimmen konnten. Wir sind schnell und schlagkräftig. Oder denken sie an die Ansiedlung eines großen Unternehmens, das im Landratsamt oder im Regierungspräsidium Kompetenzen aus allen berührten Fachbereichen vorfindet und nicht mehr wie früher von sich möglicherweise widersprechenden Auffassungen von Sonderbehörden abhängig ist. Aber auch die Windkraftanlagen sind ein Beispiel. Die Errichtung dieser Anlagen berührt naturschutzrechtliche, immissionsschutzrechtliche, baurechtliche und raumordnerische Belange ebenso wie Fragen der Landwirtschaft und des Forstes. Die Vorteile, dass alle Kompetenzen unter einem Dach vorhanden sind, liegen einfach auf der Hand. Es gibt durchaus Bereiche, in denen die Bündelung nicht so zum Tragen kommt. Das sind zum Beispiel die Aufgaben der Polizei.

Ein gutes Stichwort: Wäre es nicht denkbar, dass die Regionalreform, von der die SPD schon lange träumt, doch noch kommt - beispielsweise in der nächsten Legislaturperiode? Und dass die Polizeireform in dem Zusammenhang so etwas wie ein Versuchsballon ist?

Nein, das glaube ich auf keinen Fall. Die Polizeireform ist eher ein Beispiel dafür, dass eine Regionalreform zumindest derzeit nicht in der Überlegung ist. Der vorgesehene regionale Zuschnitt kann keine Vorlage für eine Regionalreform sein. Er ist vielmehr für mich ein Beleg dafür, dass polizeitaktische Überlegungen der Maßstab waren. Und im Übrigen habe ich den Eindruck, dass der Innenminister mit der Arbeit seiner Regierungspräsidien sehr zufrieden ist. Die Regierung weiß, was sie an uns hat. Wir sehen uns als ihr verlängerter Arm. Wenn es zu Regionalkreisen käme, müsste die Landesregierung ihre Politik mit den einzelnen Kreisverwaltungen umsetzen. Dabei handelt es sich zwar auch um gute Verwaltungen, ich bezweifle aber, ob es für die Umsetzung von Landespolitik besser ist, wenn die Landesregierung kein eigenes Verwaltungspersonal mehr in der Fläche hat und sich mit den Landräten abstimmen muss.

Die Verwaltungsreform war nicht die erste Reform, bei der Stellen abgebaut wurden. Besteht nicht die Gefahr, dass der öffentliche Dienst in Deutschland zu Tode gespart wird?

Solch drastische Formulierungen sind nicht angebracht. Zudem hat die Landesregierung auch erkannt, dass die Funktionsfähigkeit der allgemeinen Verwaltung durch den Personalabbau nicht in Gefahr kommen darf. Die Entscheidung der Landesregierung, die Regierungspräsidien aus der Einsparvorgabe für das Jahr 2013 herauszunehmen und die Vorgaben für 2014 zu reduzieren, werte ich zumindest so. Wir haben uns über diese Entscheidung gefreut und sie war auch notwendig. Denn immerhin haben die Regierungspräsidien von den gesamten Personaleinsparmaßnahmen seit 2005 rund 27 Prozent, das sind annähernd 1.400 Stellen, erbracht, obwohl sie an den Personalstellen des Landes nur mit 6,6 Prozent beteiligt sind. Wenn man die Lehrer dazu nimmt, sind in den Regierungspräsidien lediglich 3,3 Prozent der gesamten Stellen des öffentlichen Dienstes des Landes. Wenn wir weitere Stellen einsparen sollen, brauchen wir deshalb dringend einen Aufgabenabbau.

Unter Teufel und Mappus wurde teilweise durchregiert, Oettinger pflegte einen dialogorientierten Regierungsstil, wenn auch nicht unbedingt mit seinen Beamten. Kretschmann propagiert eine Politik des Gehörtwerdens? Wird er seinem Anspruch gerecht?

Ich habe einen guten Zugang zu Ministerpräsident Kretschmann und finde im Verhältnis zwischen den Regierungspräsidentinnen und -präsidenten und der Landesregierung ein gutes Kommunikationsklima vor. Der Umgang miteinander ist äußerst unprätentiös. Das ist sehr angenehm und erleichtert den Dialog.

Würden Sie von Augenhöhe reden?

Im Verhältnis eines Beamten zu seinem Ministerpräsidenten ist Augenhöhe sicher nicht der richtige Maßstab und auch nicht der richtige Anspruch. Es geht vielmehr um gegenseitige Wertschätzung und Respekt.

Sie gelten eher als vorsichtig und zurückhaltend. Wie weit darf man als politischer Beamter gehen? Und was ist die bessere Taktik?

Wir sind als Beamte zur Loyalität gegenüber der Regierung aufgefordert. Loyalität bedeutet auch Zurückhaltung in den Worten und in den Emotionen. In der Sache aber sind wir aufgefordert unsere Meinung zu sagen, das ist sogar unsere Pflicht. Für eine Politik, die den Anspruch des Gehörtwerdens hat, gilt dies umso mehr. Unabhängig davon neige ich schon von meiner Natur her nicht zu Gefühlsausbrüchen, es sei denn, der VfB spielt im Daimler-Stadion.

Das Kabinett hat am 13. Mai über eine Weiterentwicklung der Verwaltungsreform beraten. Dabei waren weder Herr Schmalzl noch Sie eingeladen - im Gegensatz zu Frau Schäfer und Frau Kressl, die der Regierung politisch näher stehen als Sie beide. Macht Sie eine solche Einladungspraxis misstrauisch?

Mir war es wichtig, dass die Anliegen der Regierungspräsidien vor dem Kabinett vorgetragen werden konnten. Das war der Fall und Frau Schäfer und Frau Kressl haben das nicht nur ausgezeichnet gemacht, sie haben uns auch ständig informiert und in die Vorbereitungen eingebunden. Deshalb hatte ich und habe ich keinen Anlass zu Misstrauen.

Sie sprechen nicht von Irritationen?

Als Beamter sollte man sich nicht zu wichtig nehmen. Ich finde es gut und wichtig, dass die Argumente der Regierungspräsidien transportiert werden konnten. Allein darauf kommt es an.

Geht es überhaupt - dass ein politischer Beamter in einer derart herausgehobenen Stellung wie Sie einer anderen politischen Partei angehört als der Ministerpräsident oder sein Stellvertreter?

Das hat ja in Baden-Württemberg schon eine gewisse Tradition. Denken Sie an Frau Hämmerle, die in Karlsruhe Regierungspräsidentin war und der SPD angehörte. In anderen Bundesländern wiederum werden nach einem Regierungswechsel automatisch die Ministerialdirektoren und die Regierungspräsidenten ausgewechselt. In Baden-Württemberg gibt es das nicht und das empfinde ich als guten, eigenen baden-württembergischen Stil, aus dem auch ein Respekt für die Parteien spricht, die nicht der Regierung angehören. In Baden-Württemberg gehört es auch zum Selbstverständnis des öffentlichen Dienstes, übrigens auch in den Ministerien, loyal mit der jeweiligen Landesregierung zusammenzuarbeiten. Vielleicht liegt in diesem Selbstverständnis auch eine Ursache dafür, dass in Baden-Württemberg etwas möglich ist, was in anderen Bundesländern nicht gelingt.


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