Stuttgart. Sie müssen sich oft durchbeißen, um das Abitur zu schaffen: Kinder von Zuwanderern in Deutschland. 50 begabte junge Ausländer aus Baden-Württemberg wurden am Dienstag neu ins Stipendienprogramm „Talent im Land“ aufgenommen. Hier werden sie finanziell und persönlich unterstützt – für viele die Chance ihres Lebens.
Valeria ist 15 Jahre und besucht die 10. Klasse am Gymnasium in Aulendorf. Eine ganz normale Schülerin, aber nur fast: Valeria Rybin stammt aus Kasachstan. Die Mutter zog nach Deutschland, als ihre Tochter vier war. „Ich fühle mich wohl hier, auch in meiner Klasse“, erzählt das Mädchen, das hier aufwuchs und akzentfrei deutsch spricht. Und doch ist die Welt nicht ganz in Ordnung. Die finanzielle Situation ihrer Familie, zu der auch ein jüngerer Bruder zählt, sei „nicht die beste“, sagt sie zurückhaltend. Große Sprünge kann sich die Familie nicht leisten – wohl auch ein Studium ihrer Tochter nicht. Das ändert aber nichts daran, dass Valeria ehrgeizig und zielstrebig ist. „Wenn man die Chance hat, Abitur zu machen, dann muss man die ergreifen.“
Valeria Rybin ist eine von 50 neuen Stipendiaten, die am Dienstag im Stuttgarter Neuen Schloss ins Förderprogramm „Talent im Land“ feierlich aufgenommen wurden. 50 junge Menschen im Alter von 13 bis 25 Jahren, die in 24 Staaten dieser Welt jenseits der deutschen Grenzen geboren wurden – in Sri Lanka und Vietnam, Irak und Eritrea, Türkei und Usbekistan, Libanon und Bulgarien. 50 begabte Schüler, die überwiegend das Gymnasium, aber auch Realschulen besuchen und das Abitur oder die Fachhochschulreife anstreben. 50 junge Menschen mit Migrationshintergrund, die nun bis zu ihrem Schulabschluss mit der Hilfe des Stipendienprogramms finanzielle und persönliche Unterstützung erfahren werden.
Seit 2003 gibt es „Talent im Land“, seit 2005 trägt die Landesstiftung gemeinsam mit der Robert-Bosch-Stiftung das Programm. Über 400 Schüler aus Zuwandererfamilien wurden seither auf ihrem Weg zum Abitur unterstützt. „Integration durch Bildung“ könnte in roten Lettern als Leitmotiv darüber stehen. Mit den 50 neuen Stipendiaten sind es in diesem Schuljahr insgesamt 158 Schüler, die gefördert werden. Aus dem Gesamtbudget von rund einer Million Euro jährlich erhalten die Jugendlichen ein monatliches Stipendium von durchschnittlich 200 Euro. Obendrein können sie Zuschüsse für Sprachreisen oder Studienfahrten, für die Anschaffung eines Computers oder Zusatzunterricht in Deutsch bekommen. Zu den Leistungen gehört aber auch ein Bildungsprogramm, das Seminare, Exkursionen oder die Sommerakademie umfasst. Ein großes Alumni- und Lehrernetzwerk sind weitere Stärken des Programms. „Ich sehe das als echte Chance“, sagt Valeria Rybin.
Dass die 15-Jährige bei 374 Bewerbungen in diesem Jahr für „Talent im Land“ von der Jury ausgewählt und das Stipendium bekommen hat, liegt nicht nur daran, dass Valeria mit einem Notenschnitt von 1,7 zu den guten Schülern zählt. Auch soziales Engagement wird von den Stipendiaten erwartet. Valeria punktete durch ihre Mitarbeit bei Schülerzeitung und Schülermitverwaltung an ihrem Gymnasium. Ein weiteres Kriterium ist die Bedürftigkeit: Wer nebenher als Kellner jobben muss, um das Schulgeld zu verdienen so wie Neu-Stipendiat Tangir Vedatcan aus Tübingen, der hat es ungleich schwerer als seine Mitschüler, das Abitur zu schaffen.
Genau diese Erfahrung hat Suthamini, die aus Sri Lanka stammt, machen müssen. Für sie standen nach der Schule nicht als erstes Hausaufgaben auf dem Programm, sondern Putzen. Jeden Tag zwei Stunden. Zu viel, fand ihre Lehrerin. Doch die 18-Jährige hatte keine andere Wahl, sie musste neben der Schule arbeiten. Anders konnte sie sich die Schulbücher, Hefte und Lexika nicht leisten. Ihr Vater war schon vor ihrer Geburt von Sri Lanka nach Deutschland gezogen. Suthamini folgte ihm erst vor fünf Jahren mit ihren fünf Geschwistern und der Mutter nach Bad Cannstatt.
Zuerst lernte sie ein Jahr Deutsch, ging dann auf die Hauptschule und wechselte zwei Jahre später auf die Realschule. Seit 2007 zählt sie zu den Stipendiaten von „Talent im Land“. Heute geht sie in die 12. Klasse des Gymnasiums. „So gut ist mein Durchschnitt auch nicht“, sagt sie. „Nur 2,0 oder so.“ Aber sie muss nicht mehr putzen und kann sich sogar noch Deutsch-Zusatzunterricht leisten.
„Mit Talent im Land wollen wir die Stipendiaten umfassend fördern, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Seminare, Sommerschulen und gemeinsame Aktionen sind dafür entscheidend und sie sind vielen Stipendiaten noch wichtiger als die finanzielle Unterstützung“, sagt Dr. Ingrid Hamm, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung. „Fast alle – 97 Prozent – machen Abitur. Mehr als ein Drittel wird anschließend im Studium von den Begabtenförderwerken aufgenommen. Der Schnitt der Studenten in Deutschland insgesamt liegt da bei einem Prozent. Durch ihre Leistung, Begabung, ihr Selbstbewusstsein und ihr Engagement sind sie Vorbilder für alle Jugendlichen, mit und ohne Migrationshintergrund“, betont Hamm.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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