Stuttgart. Die CDU/FDP-Opposition hat erneut Kritik an der Situation an den Realschulen und am Konzept des Kultusministeriums zum Umgang mit der gestiegenen Heterogenität an den Realschulen geübt. Vertreter von Grünen und SPD sowie Kultusminister Andreas Stoch (SPD) wiesen die Kritik zurück.
Für Georg Wacker (CDU) lässt die Antwort aus dem Kultusministerium auf eine Anfrage der CDU-Fraktion zur aktuellen Situation an den Realschulen und zu den Inhalten des neuen Realschul-Konzeptes des Landes viele Fragen offen. „Den Realschulen steht das Wasser bis zum Hals“, sagte Wacker in der abschließenden Debatte des Plenartages am Donnerstag. Im Kern ging es dem CDU-Abgeordneten um die Forderungen nach mehr Differenzierung ab der Klassenstufe 7, um der stark gestiegenen Heterogenität der Schüler besser gerecht werden zu können. Wacker berief sich unter anderem auf Kritik und Schreiben von Eltern und Lehrern als Reaktion auf das neue Realschulkonzept. Wacker forderte eine Gleichbehandlung der Realschulen mit anderen Schularten bei Poolstunden, Kontingentstundetafel, Klassenteiler und Sachkosten. „Der Unmut ist gewaltig“, so Wacker, der dem Kultusminister vorwarf, die Realschulen unzureichend zu versorgen, um die Schüler letztlich in die Gemeinschaftsschulen zu treiben.
Dagegen erwiderte Sandra Boser von der Grünen-Fraktion, dass das vorliegende Realschulkonzept gemeinsam mit einem Großteil der Lehrer an den Realschulen erarbeitet worden sei. „Es sind Möglichkeiten zur Differenzierung vorhanden, und diese wurden auch so mit den Realschulen verabredet“, sagte Boser. Im Übrigen seien die Realschulen schon immer – auch vor Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung - die Schulen mit der größten Heterogenität gewesen. Boser sagte: „Es war eine richtige Entscheidung, den Realschulen ein Konzept zur Verfügung zu stellen.“ Die Rückmeldungen seien überwiegend positiv, aufkommende Kritik werde geprüft. Die Grünen-Politikerin verwies zudem darauf, dass die Zahl der Poolstunden an den Realschulen von derzeit 2,2 im kommenden Schuljahr auf sechs und in den folgenden drei Jahren auf insgesamt zehn steigen werde. „Wir kümmern uns um alle Schulen in Baden-Württemberg“, sagte sie.
Klaus Keppeler von der SPD warf der CDU hingegen vor, die Realschulen erst in ihrer Oppositionszeit für sich entdeckt zu haben. „Sie lassen keinen Anlass aus, sie zu loben“, so Keppeler. Bis zum Regierungswechsel 2011 sei dies aber nicht der Fall gewesen. „Da gab es keine Poolstunden für die Realschulen“, so der SPD-Politiker, der die Diskussion „scheinheilig“ nannte. Im Übrigen mahnte er dazu, bei der Zahl der Sitzenbleiber „die Kirche im Dorf“ zu lassen. „Es stimmt: Die Zahl hat sich erhöht, von 0,7 auf 1,8 Prozent“, sagte Keppler, der darauf verwies, dass Bayern trotz verbindlicher Grundschulempfehlung eine höhere Quote an Wiederholern habe.
Der liberale Bildungsexperte Timm Kern erneuterte anlässlich der Debatte seine Forderung nach einem parteiübergreifenden Schulfrieden im Land. „Das Realschulkonzept macht diese Notwendigkeit deutlich“, sagte er. Das Konzept stelle eine Entmündigung der Realschulen durch die Hintertür dar. Es werde versucht, den Schulen ihre Eigenständigkeit durch zustäzliche Wochenstunden abzukaufen. Kerns Appell an den Kultusminister: Verzichten Sie auf den Heterogenitätszwang, achten Sie die Freiheit der Verantwortlichen an den Schulen vor Ort.“
Diese Aufforderung nahm Kultusminister Stoch zum Anlass, etwas weiter auszuholen. „Die Frage des Umgangs mit Heterogenität ist der zentrale Punkt in der Bildung“, so Stoch. „Wir haben eine wachsende Heterogenität nicht nur innerhalb der Realschulen, sondern in der ganzen Gesellschaft. Wir müssen uns vom Gedanken der äußeren, funktionalen Differenzierung trennen.“ Um diesen Veränderungen gerecht zu werden, seien neue strukturelle Ansätze – wie sie das Realschulkonzept liefere - erforderlich. „Die pädagogische Weiterentwicklung des Systems in Baden-Württemberg ist schon lange überfällig“, sagte Stoch, „wir brauchen ein System, das weniger statisch und starr gegliedert ist.“ Abschließend sagte der Kultusminister in Richtung CDU: „Sie haben selbst eine Reihe der Maßnahmen, die wir jetzt durchführen, vor einem Jahr noch gefordert.“ Dazu solle sich die CDU nun auch bekennen. „Sonst weiß kein Mensch mehr, was Sie eigentlich wollen.“
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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